Bei Corona-Infizierten: Nach Heilung kamen tödliche Blutgerinnsel | The Weather Channel

Bei Corona-Infizierten: Nach Heilung kamen tödliche Blutgerinnsel

This May 6, 2020 photo provided by Darlene Gildersleeve, 43, of Hopkinton, N.H. shows her at a Manchester, N.H. hospital. Gildersleeve thought she had recovered from COVID-19. Doctors said she just needed rest. And for several days, no one suspected her worsening symptoms were related — until a May 4 video call, when her physician heard her slurred speech and consulted a specialist. “You’ve had two strokes,’’ a neurologist told her at the hospital. (Darlene Gildersleeve via AP)
Darlene Gildersleeve ging davon aus, dass sie ihre Corona-Erkrankung längst überstanden hatte - Wochen später kam der nächste Schock.
(Darlene Gildersleeve via AP)

Zunächst hatte sie Fieber, Schweißausbrüche und Muskelschmerzen. Dann, fast einen Monat später, folgte ein seltsames Taubheitsgefühl, das sich in der rechten Körperhälfte ausbreitete.

Bleiben Sie immer übers aktuelle Wetter informiert - laden Sie sich hier die TWC-App herunter.

Darlene Gildersleeve war davon ausgegangen, dass sie ihre Corona-Erkrankung längst überstanden hatte. Laut ihren Ärzten sollte sie sich bloß noch eine Weile lang ausruhen. Mehrere Tage erkannte deswegen niemand einen Zusammenhang.

Unbemerkte Schlaganfälle

Als der Hausarzt bei einer Video-Sprechstunde am 4. Mai die undeutliche Aussprache der 43-Jährigen bemerkte, zog er einen Spezialisten zurate. Und dessen Diagnose war für die dreifache Mutter wie ein Schock. „Sie haben zwei Schlaganfälle gehabt“, sagte der Neurologe der Frau aus Hopkinton im US-Staat New Hampshire im Krankenhaus.

Auch Kinder von Blutgerinnsel betroffen

Immer häufiger werden Blutgerinnsel, die Schlaganfälle, Herzinfarkte und Gefäßverschlüsse in den Beinen oder in der Lunge verursachen können, auch bei Corona-Patienten beobachtet. Auch junge Menschen und sogar Kinder sind betroffen. Die gängige Vorstellung, dass Covid-19 vor allem eine Lungenkrankheit ist, muss daher überdacht werden.

Wissenschaftler wollen den Zusammenhang erfahren

Ärzte und Wissenschaftler an Dutzenden Kliniken und Universitäten weltweit nehmen das Phänomen derzeit unter die Lupe. Sie versuchen zu verstehen, wie genau das eine mit dem anderen zusammenhängt.

Ganz aktuell geht es derweil in erster Linie darum, die Anfälligkeit bestimmter Patientengruppen für solche Gerinnsel einschätzen zu können und Medikamente zur Behandlung dieser Begleiterscheinung von Coronavirus-Infektionen zu testen.

Dringende Warnung vor Schlaganfällen?

Die Gesundheitsbehörden müssten „eine dringende Warnung vor Schlaganfällen“ bei einer Covid-19-Erkrankung aussprechen, fordert Gildersleeve. Da sie sich nicht über eine mögliche Verbindung im Klaren gewesen sei, habe sie an sich selbst gezweifelt, als die Symptome aufgetreten seien, sagt Darlene Gildersleeve.

Reaktionsmuster des Körpers spielt große Rolle

Einige Faktoren, die Menschen für besonders schwere Covid-19-Symptome anfällig machen, darunter Fettleibigkeit und Diabetes, sind zugleich mit einem erhöhten Risiko für Blutgerinnsel verbunden. Viele Behörden und Experten gehen aber davon aus, dass auch die Art, wie das Virus „angreift“, und wie der Körper darauf reagiert, eine Rolle spielen.

"Covid-19 ist die thrombotischste Krankheit"

„Covid-19 ist die thrombotischste Krankheit, die wir je in unserem Leben gesehen haben“, sagt Dr. Alex Spyropoulos, Spezialist für Blutgerinnsel und Professor an den Feinstein Institutes for Medical Research in Manhasset bei New York.

Auch bei Infektionen mit anderen Coronaviren, etwa bei der Sars-Pandemie, seien zwar Gerinnungen beobachtet worden, aber nur in einem sehr viel geringeren Ausmaß.

Zu vage Erkenntnisse für eine routinemäßige Untersuchung

Genau quantifizieren lässt sich die Verbreitung bisher nicht. Laut Studien aus China, Europa und den USA sind zwischen 3 und 70 Prozent der in Krankenhäuser eingelieferten Covid-19-Patienten betroffen.

Die Häufigkeit bei Infizierten mit nur milden Symptomen ist fast vollständig unbekannt. Die Erkenntnisse seien zu vage, um eine routinemäßige Untersuchung auf Blutgerinnsel bei allen Corona-Erkrankten zu empfehlen, erklärten die dem US-Gesundheitsministerium zugeordneten National Institutes of Health.

40 Prozent der Todesfälle hatten ein Blutgerinnsel

Advertisement

Einiges deutet aber darauf hin, dass es sich nicht bloß um Ausnahmeerscheinungen handelt. In manchen Kliniken wurden 40 Prozent der Todesfälle von Coronavirus-Patienten auf Blutgerinnsel zurückgeführt.

Dies gilt laut dem Experten Spyropoulos auch für das aus 23 Krankenhäusern im Großraum von New York bestehende Gesundheitsnetzwerk Northwell Health, das insgesamt mehr als 11.000 infizierte Personen behandelt hat.

Ein Rennen gegen die Zeit

Da die Fallzahlen in seiner Region zuletzt deutlich zurückgegangen seien, bleibe nun, vor einer erwarteten zweiten und möglicherweise dritten Welle, wieder mehr Zeit für intensive Forschung, sagt Spyropoulos. Die Suche nach Antworten auf diese „zentralen klinischen Fragen“ beschreibt der Mediziner allerdings als ein „Rennen gegen die Zeit“.

Ein Gerinnsel blockiert den Blutfluss

Eine sogenannte Thrombose, bei der ein Gerinnsel den Blutfluss blockiert, kann bei fast allen Patienten, die mit einer schweren Erkrankung in ein Krankenhaus eingeliefert werden, auftreten.

Grund dafür ist vor allem die mangelnde Bewegung, insbesondere bei Bettlägerigkeit. Um dies zu verhindern, werden oft blutverdünnende Medikamente verabreicht. Einige Ärzte wenden diese Mittel bei ihren Corona-Patienten inzwischen in höheren Dosen an.

Höhere Überlebenschancen durch Blutverdünner

Dr. Valentin Fuster, Leiter der New Yorker Klinik Mount Sinai Heart, war an einer vorläufigen Studie mit fast 2800 Covid-19-Patienten in fünf Krankenhäusern beteiligt. Die Ergebnisse lassen vermuten, dass sich die Überlebenschancen der an Beatmungsgeräte angeschlossenen Kranken durch Blutverdünner leicht erhöhen.

Auch wenn die Ergebnisse noch nicht beweiskräftig seien, würden daher alle Coronavirus-Infizierten im Mount Sinai solche Mittel erhalten, sofern keine erhöhte Blutungsneigung bestehe, sagt Fuster.

Blutgerinnsel nach der überstandenen Infektion

Bei einigen Betroffenen träten die gefährlichen Blutgerinnsel allerdings erst auf, nachdem die Infektion bereits überstanden zu sein scheine, betont Spyropoulos. Bei Northwell Health bekämen Patienten daher auch nach ihrer Entlassung Blutverdünnungsmittel verschrieben. Die Erfahrungen damit würden demnächst in einer Studie präsentiert.

Ausgangsbeschränkungen erhöhen das Risiko

In einer Stellungnahme von einer internationalen Experten-Gruppe wurde kürzlich gewarnt, dass auch Ausgangsbeschränkungen das Risiko für ein Auftreten von Blutgerinnseln erhöhen könnten.

Schließlich würden sich viele Menschen weit weniger bewegen, wenn sie angehalten seien, nicht öfter als notwendig aus dem Haus zu gehen, hieß es. Zur Vorbeugung sollten Ärzte Übungen und Aktivitäten empfehlen, die auch in den eigenen vier Wänden umgesetzt werden könnten.

Weitere drei Monate Blutverdünner

Diesen Rat erhielt auch Warnell Vega, nachdem er am 19. April wegen der Verstopfung einer Lungenarterie durch ein Blutgerinnsel zusammengebrochen war. Auch in seinem Fall sahen die Ärzte einen Zusammenhang mit einer vorherigen Coronavirus-Erkrankung.

Der 33-jährige New Yorker soll nun, nach erneutem Klinik-Aufenthalt, weitere drei Monate Blutverdünner nehmen. Er müsse nun eben sehr auf jegliche Wunden achten, sagt er – „und aufpassen, dass ich mich nicht schneide“.

Lesen Sie auch: Experten: Stechmücken übertragen das Coronavirus nicht

Advertisement