Gesundheitsfördernd oder esoterisch? Waldbaden im Winter | Weather.com
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Psyche

Gesundheitsfördernd oder esoterisch? Waldbaden im Winter

Sun light in the winter forest with white fresh snow and pine trees.
Ein Spaziergang durch den Wald kann Wunder wirken. Auf viele Menschen wirkt eine Führung mit Achtsamkeitsübungen noch beruhigender.
(GettyImages)

Viele Menschen kennen die wohltuende Wirkung des Waldes auf Seele und Körper. Gesa Gerken macht sich ihr Wissen zunutze und bietet das ganze Jahr über Kurse im Waldbaden an. Dabei werden Atem- und Achtsamkeitsübungen gemacht. Doch Manche zweifeln die Besonderheit der Wirksamkeit an. Wie sinnvoll ist Waldbaden wirklich?

Waldbaden mit Achtsamkeitsübungen stammt aus Japan

Gesa Gerken reibt einen Zweig Douglasie zwischen Zeigefinger und Daumen und hält ihn unter ihre Nase. „Das riecht zitronig“, sagt die 37-Jährige. Sieben Frauen und ein Mann stehen neben ihr im Kreis in einem Wald in Kutenholz im Landkreis Stade. Auch sie schnuppern an einem Zweig, Waldpädagogin Gerken hat mehrere mitgebracht. Die Gruppe ist an diesem Tag zum winterlichen Waldbaden zusammengekommen. „Der Waldduft ist wohltuend und beruhigend“, sagt Gesa Gerken. Ihrer Gruppe gibt sie die Aufgabe, abseits des Weges auch an Baumstämmen, Moos oder Fichtenzapfen zu riechen.

Als „Shinrin Yoku“ wird das Eintauchen in den Wald bereits seit Jahrzehnten in seinem Ursprungsland Japan praktiziert und erforscht. Stress geplagte Menschen suchen seit einigen Jahren verstärkt auch in Deutschland ihre Ruhe beim Waldbaden. „Das ist eigentlich nichts anderes als ein langsamer Spaziergang durch den Wald, unterstützt durch Achtsamkeitsübungen“, erklärt Gesa Gerken den Begriff. „Man badet in der gesunden Waldluft.“

Waldbaden wirkt gegen Verstimmungen im Winter

Vor allem im Sommer wird Waldbaden von ausgebildeten Trainerinnen und Trainern angeboten. Die Übungen im Wald seien aber auch im Winter sinnvoll, wenn sich die Menschen müde, verstimmt und schlapp fühlten, sagt Gerken: „Das hilft gegen den Blues in der dunklen Jahreszeit.“

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Das sieht auch Birte Schmetjen so, Försterin und Gründerin der Firma „Waldwohl“, die unter anderem für die Niedersächsischen Landesforsten Trainer fürs Waldbaden ausbildet. „Der Wald tut unserem Körper, unserer Seele und unserem Atemsystem gut“, sagt sie. Durch die begleitenden Achtsamkeits- und Atemübungen werde der Stress nachhaltig reduziert. „Manche brauchen jemanden, der sie anleitet, damit sie sich fallen lassen können“, sagt Schmetjen. Andere gingen ungern allein in den Wald, weil sie Angst hätten, sich zu verlaufen.

Auch Berge, Parks und Meer haben ähnlichen Effekt

Fleur Ot ist eine der Teilnehmerinnen an diesem Tag. Gegen die Kälte hat sie sich mit Stirnband, dicker Jacke und Handschuhen geschützt. Sie habe einen sehr stressigen Job, sagt die 45-Jährige. Die Idee zum Waldbaden sei von ihrem Chef gekommen. „Ich wusste gar nicht, was das ist“, sagt sie. Nun freut sie sich besonders über die Atemübung, bei der die Arme wie beim Bogenschießen bewegt werden. „Bei der eisigen Luft brennt dabei die Nase. Man fühlt sich richtig frisch.“

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Es sei unbestritten, dass ein Aufenthalt im Wald dem Menschen gut tue, sagt Jörn Hons, Pressesprecher der AOK Bremen/Bremerhaven. „Aber den gleichen Effekt kann man auch in den Bergen, im Stadtpark oder am Meer erzielen“, sagt er. Und einen Kurs müsse dafür niemand buchen. „Waldbaden ist ein Geschäftsmodell – und nach allem, was man derzeit weiß, nicht gesünder als andere entspannende Aktivitäten in der Natur.“

Und so bezuschusst bisher auch keine gesetzliche Krankenkasse die Kosten fürs Waldbaden - anders als etwa bei Kursen wie Hatha-Yoga, Tai-Chi oder Autogenes Training, deren präventive Wirksamkeit durch Studien bestätigt sei, wie ein Sprecher des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sagt. Im Moment sei auch keine Änderung geplant oder in Aussicht. „Eine Empfehlung des Arztes, sich im Wald zu bewegen oder zur Ruhe zu kommen, also den Alltagsstress hinter sich zu lassen, kann es allerdings sehr wohl geben“, sagt Johannes-Daniel Engelmann von der AOK Niedersachsen. Nur eben nicht «auf Rezept», wie es sich Gerken wünschen würde.

Teilnehmende fühlen sich entspannt

Die Waldbaden-Trainerin hat schon oft beobachtet, dass viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihrer Kurse „mit so einem Tempo in den Wald kommen.“ Deshalb beginnt sie den Kurs auch erst einmal mit der Übung „Schlendern“: Ganz langsam geht die Gruppe, bleibt immer wieder stehen und lässt die Blicke schweifen. „Schaut euch die Bäume an, die Struktur. Das hat eine Wirkung auf den Körper“, sagt Gesa Gerken.

Die 62-jährige Petra Seba hat das Waldbaden bereits im Sommer mitgemacht, im Winter findet sie es nun genauso entspannend. „Das tut der Seele gut und beruhigt“, sagt sie. Durch die Anleitung nehme sie mehr wahr als bei einem Spaziergang. Besonders mag sie die geleitete Meditation. Sie steht dabei mit geschlossenen Augen angelehnt an einem Baumstamm, während Gesa Gerken alle dazu auffordert, an besondere Momente im vergangenen Jahr zu denken.

„Man geht anders raus aus dem Wald, als man reingekommen ist“, sagt Petra Seba. Und Fleur Ot, Mutter einer zweijährigen Tochter, ergänzt: „Seit zwei Jahren bin ich nicht so entspannt gewesen wie heute.“

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