Glyphosat: Auch Hobbygärtner verwenden das Gift | Weather.com

Insektenkiller Glyphosat: Auch Hobbygärtner verwenden das Gift

Farmer spraying vegetable green plants in the garden with herbicides, pesticides or insecticides.
Das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat ist in Deutschland ein Zankapfel.
(GettyImages)

Die EU-Kommission werde entscheiden, die befristete Zulassung des Unkrautvernichters bis zum 15. Dezember 2023 zu verlängern, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag. Formell sei die Entscheidung zwar noch nicht getroffen worden, dies werde aber bis zum 15. Dezember geschehen. Dann läuft die bisherige Zulassung für Glyphosat in der EU aus.

S​uche nach Ersatz für umstrittenen Unkrautvernichter

Die Kommission war nach eigenen Angaben rechtlich dazu verpflichtet, die Zulassung zu verlängern, auch wenn viele EU-Staaten der Verlängerung nicht zugestimmt haben. Es werde zusätzliche Zeit benötigt, damit die zuständige EU-Behörde alle notwendigen Informationen prüfen und die Sicherheit des Mittels rechtssicher einschätzen könne. Dann soll eine langfristige Entscheidung bezüglich Glyphosat getroffen werden.

Was die einen als unverzichtbares Hilfsmittel in der Landwirtschaft preisen, sehen andere als gefährliche Chemikalie mit potenziell verheerenden Folgen für Mensch und Natur.

Und nicht nur die Umweltlobby fordert ein Verbot – auch Umwelt- und Agrarminister aus den EU-Ländern haben die EU-Kommission aufgefordert, einen Plan zum Ausstieg aus der Glyphosat-Nutzung zu entwickeln. Die wichtigsten Fragen im Überblick.

Was ist Glyphosat?

Als sogenannte Total- oder Breitbandherbizide töten glyphosathaltige Unkrautbekämpfungsmittel ausnahmslos alle grünen Pflanzen in ihrem Ausbringungsbereich. Lediglich Nutzpflanzen, die zuvor mit Gentechnik gezielt gegen den Wirkstoff resistent gemacht worden sind, überleben den Einsatz des Mittels.

In Deutschland werden landwirtschaftliche Flächen mit dem Wirkstoff kurz nach der Aussaat sowie nach der Ernte von Unkraut befreit. In den USA und anderen Ländern, in denen gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden dürfen, wird das Herbizid über die gesamte Wachstumsphase der Pflanzen verwendet.

Glyphosat wurde von dem US-Agrarchemiekonzern Monsanto entwickelt und Mitte der 1970er-Jahre erstmals auf den Markt gebracht. Seitdem rund ein Vierteljahrhundert später vielerorts der Patentschutz auslief, vermarkten auch zahlreiche andere Hersteller Herbizide mit dem Wirkstoff.

Dem Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen (Julius Kühn-Institut – JKI) in Quedlinburg zufolge wird auf etwa 40 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Felder in Deutschland Glyphosat mindestens einmal jährlich angewendet. Dazu kommt die private Nutzung in Haus- und Kleingärten. Damit ist Glyphosat das meistverwendete Herbizid in Deutschland.

Warum steht das Mittel in der Kritik?

Naturschützer sehen in der Anwendung von Glyphosat eine große Gefährdung für die Umwelt. "Die biologische Vielfalt ist durch das Mittel massiv bedroht", sagt beispielsweise Silvia Bender vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Berlin.

So wirke sich das Mittel nicht nur auf Ackerpflanzen, sondern indirekt auch auf Ackertiere aus. Indem es die Wildpflanzen auf den Äckern dezimiere, werde auch der Lebensraum für zahlreiche Insektenarten verringert, die wiederum die Nahrungsgrundlage vieler Vogelarten darstellen. Knapp ein Drittel der Vogelarten, die Agrarlandschaften als Lebensraum nutzen, stehen dem BUND zufolge bereits auf der Roten Liste der bestandsbedrohten Tierarten.

Auch bei vielen Insekten sei die Lage dramatisch: Einer im Oktober 2017 veröffentlichten Langzeitstudie zufolge ist die Biomasse der Fluginsekten in den letzten 30 Jahren um 75 Prozent zurückgegangen. Dazu kommt: Als Wasserschadstoff kann Glyphosat Bäche, Flüsse oder das Grundwasser und die darin lebenden Organismen stark belasten. Als besonders anfällig gelten Amphibien.

Welche Auswirkungen hat Glyphosat auf den Menschen?

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Im Zentrum der Diskussion um mögliche gesundheitliche Folgen steht die Frage, ob der Unkrautvernichter beim Menschen Krebs auslöst. Die IARC, die internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation WHO, geht davon jedenfalls aus – Anfang 2015 stufte sie Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ für den Menschen ein.

Nicht davon überzeugt sind andere Gesundheitsbehörden auf der ganzen Welt. So halten unter anderem das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sowie die amerikanische Umweltbehörde EPA den Krebsverdacht für nicht ausreichend belegt.

Allerdings geht es dabei um unterschiedliche Fragestellungen: Während etwa die EFSA das Krebsrisiko bei der Aufnahme über die Nahrungskette beurteilt, geht es bei der IARC um das generelle Krebspotential von Glyphosat.

Für Aufsehen sorgen regelmäßig Vorwürfe, dass die Behörden zu ihren Einschätzungen auf Grundlage von Studien gelangen, die von den Glyphosat-Herstellern selbst in Auftrag gegeben wurden. Das allein ist allerdings noch kein Indiz für mögliche Befangenheit. Denn um in der EU die Unbedenklichkeit einer Substanz nachzuweisen, trägt grundsätzlich der Antragsteller die Kosten.

Was sagen die Landwirte?

Bauern schätzen Glyphosat, weil es ihnen Kosten, Zeit und Arbeit erspart. Ohne Herbizid müssten sie das Unkraut mechanisch bekämpfen. Dafür müssten sie die betroffenen Felder zunächst mit dem Grubber auflockern und dann mit dem Pflug befahren.

Das würde einen wesentlich größeren zeitlichen und finanziellen Aufwand bedeuten, der darüber hinaus nach Ansicht des Deutschen Bauernverbandes (DBV) nicht zuletzt auch einen höheren Ausstoß von CO2-Emissionen zur Folge hätte.

Außerdem, so der DBV in einer Stellungnahme, werde Glyphosat nur gezielt und sparsam eingesetzt: „Glyphosat wird seit über 40 Jahren zur Unkrautkontrolle in der Landwirtschaft eingesetzt. Glyphosat trägt dazu bei die Ernte über Generationen hinweg zu sichern. Landwirte kennen die Wirkung von Glyphosat und gehen professionell mit dem Wirkstoff um.“

Seit 2015 benötigen Landwirte für den beruflichen Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel einen Sachkundenachweis. Ein größeres Problem stellt deshalb nach Ansicht einiger Bauern die Anwendung von Glyphosat im privaten Bereich dar: Im Baumarkt sind Produkte mit dem Wirkstoff frei verkäuflich – wer davon wie viel und wie häufig im heimischen Beet einsetzt, ist kaum nachvollziehbar.

Gibt es Alternativen?

Umweltschützern zufolge stehen Landwirten genügend nicht-chemische Alternativen zum Einsatz von Herbiziden zur Verfügung, darunter das Pflügen oder andere Verfahren der mechanischen, thermischen oder biologischen Unkrautkrautbekämpfung. Der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft könne zudem auch durch die Erweiterung der Fruchtfolgen verringert werden. „Das heißt, es muss mehr Zeit gelassen werden, bevor die gleiche Pflanze auf der selben Fläche wieder angebaut wird“, erläutert BUND-Expertin Bender. „Dass es ohne Chemie geht beweisen täglich die über 27.000 Bio-Betriebe in Deutschland."

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