Massentourismus macht Druck auf Pilgerstadt Santiago | Weather.com

Massentourismus macht Druck auf Pilgerstadt Santiago

Santiago de Compostela erwartet in diesem Jahr eine Rekordzahl an Pilgern. Dazu kommen noch viele weitere Touristen. Der nordwestspanischen Stadt am Ende des Jakobswegs setzt das zu.

21. August 2025: Pilger und Touristen ruhen sich vor der Kathedrale in Santiago de Compostela im Nordwesten Spaniens aus. (AP Photo/Lalo Villar)
21. August 2025: Pilger und Touristen ruhen sich vor der Kathedrale in Santiago de Compostela im Nordwesten Spaniens aus.
(AP Photo/Lalo Villar)

Während sich bedrängte Einwohner von Barcelona schon einmal mit Wasserpistolen gegen die Touristenmassen zur Wehr setzten, versucht es eine Nachbarschaftsinitiative in Santiago de Compostela auf die sanfte Art: mit einem Führer für gutes Touristen-Benehmen.

Die Broschüre, die in der nordwestspanischen Gemeinde, dem berühmten Endpunkt des Jakobs-Pilgerwegs, in Hotels und Herbergen verteilt wird, bittet in mehreren Sprachen unter anderem um Ruhe oder das Beachten der Verkehrsregeln. Auch dass die Spitzen der Wanderstöcke mit Gummiaufsätzen geschützt werden sollten, wird aufgeführt, um Schäden an den Pflastersteinen der engen Gassen zu vermeiden.

Touristenzahl überwältigt Einwohner

Genutzt hat es offenbar wenig. Weiterhin ziehen lautstark singende Gruppen durch die Straßen, werden Einbahnregelungen missachtet und stoßen Metallspitzen in die Pflastersteine. Die sozialen Medien sind voller Fotos von Touristen, die sich in dem Weltkulturerbe danebenbenehmen.

Darüber hinaus ist es schon die schiere Zahl der Pilgernden und Urlauber, die die Stadt mit ihren knapp 100.000 Einwohnern überwältigt und die Einheimischen an den Rand drängt. Im Zentrum um die Kathedrale, in der die Pilgerschaft zum Grab des Apostels Jakobus strömt, ist kaum noch Raum für die Einheimischen.

Rekordzahl an Touristen 2024

"Wir haben keine Tourismus-Phobie", sagt Roberto Almuíña, der Präsident der Nachbarschaftsvereinigung der Altstadt. "Wir haben immer harmonisch mit dem Tourismus gelebt, aber wenn er außer Kontrolle gerät, wenn der Druck über das Annehmbare hinausgeht, dann kommt Ablehnung auf."

Der "Camino de Santiago", der Jakobsweg, geht zurück aufs 9. Jahrhundert. Es ist ein Netzwerk von Pilgerpfaden quer durch Europa mit dem Ziel Santiago. Im vergangenen Jahr registrierten sich eine halbe Million Menschen für eine der Routen zur Kathedrale, eine Rekordzahl. Dazu kommen viele normale Touristen, die nicht die Pilgerwege wählen.

Mieten schossen in die Höhe

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Das macht sich nicht zuletzt in den Preisen für Essen und Wohnen bemerkbar. Die jährlichen Mieten stiegen einer von der Stadt in Auftrag gegebenen Studie zufolge zwischen 2018 und 2023 um 44 Prozent.

Er überlege, zurück zu seiner Mutter zu ziehen, weil er einfach nicht mehr über die Runden komme, obwohl er Vollzeit arbeite, sagt der 27-jährige Antonio Jeremías. Die einzigen, die in der Gegend wohnen bleiben könnten, seien diejenigen, die eine Wohnung geerbt hätten, ergänzt die 32-jährige Andrea Dopazo. Obwohl sie nicht wegwollte, musste sie sich mit einer Bleibe außerhalb zufriedengeben. Im Zentrum eine Mietwohnung zu finden, sei eine aussichtslose Mission, bestätigt auch Sihara Pérez von der Universität Santiago.

Ferienwohnungen schränken Wohnraum ein

Schon im vergangenen Jahr erließ die Stadt ein Verbot für Vermietungen von privaten Wohnungen im Stil von Airbnb. Das sei nötig geworden, weil die wachsende Zahl solcher Vermietungen sich sowohl im zur Verfügung stehenden Wohnraum für die Einwohnerschaft als auch im Preis deutlich niederschlage, hieß es.

Aber nicht alle halten sich an die Vorschriften. "Manche befolgen die Regeln, andere nicht", sagt Montse Vilar, Vertreterin der Nachbarschaftsinitiative Xuntanza. Doch genau dieses Modell der Wohnungsvermietungen sei es, das den Wohnraum stark einschränke.

"Spiritualität scheint zuweilen etwas verloren zu gehen"

Zwischen 2000 und 2020 habe das historische Zentrum etwa die Hälfte seiner Einwohnerschaft verloren, erklärt Roberto Almuíña. Jetzt lebten noch etwa 3.000 Menschen hier. "Die Stadt hat sich geleert", sagt er.

Viele Läden für den Alltagsbedarf sind verschwunden. Stattdessen werben Cafés, Eisdielen und Souvenir-Shops um Kundschaft.

In diesem Jahr erwartet Santiago einen neuen Pilgerrekord. "Der Camino wird immer bekannter, immer mehr Leute kommen", ist auch die Erfahrung von Ale Osteso, der seit vier Jahren alljährlich auf Wallfahrt geht. Nicht immer bleibe dabei der Sinn der Pilgerschaft gewahrt, meint er: "Die Spiritualität scheint zuweilen etwas verloren zu gehen."

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