Libysche Stadt Darna: Unfassbares Ausmaß der Zerstörung nach Überflutung

12.09.2023, Libyen, Derna: Straßen sind nach Überschwemmungen zerstört. Ein heftiges Unwetter hat im Bürgerkriegsland Libyen schwere Verwüstungen angerichtet. Der Sturm "Daniel", der schon in Griechenland schwere Zerstörungen hinterlassen hatte, erfasste das nordafrikanische Land mit rund sieben Millionen Einwohnern am Sonntag. Tausende Menschen sind ums Leben gekommen.
( Foto: Jamal Alkomaty/AP )

Nach den verheerenden Überschwemmungen in Libyen zeichnen sich weiter steigende Opferzahlen ab.

Die staatliche Nachrichtenagentur zitierte einen Sprecher des Innenministeriums der ostlibyschen Regierung, Mohammed Abu-Lamuscha, mit den Worten, dass allein in der besonders betroffenen Stadt Darna mehr als 5300 Menschen gestorben seien.

"Fassungslos über das Ausmaß der Zerstörung"

Viele Opfer lägen noch unter Trümmern verschüttet oder seien ins Mittelmeer gespült worden, sagte der Gesundheitsminister der ostlibyschen Regierung, Othman Abdel Dschalil, der Nachrichtenagentur AP.

Er sei "fassungslos über das Ausmaß der Zerstörung", so Abdel Dschalil am Telefon aus Darna. "Die Tragödie ist sehr dramatisch und übersteigt die Möglichkeiten von Darna und der Regierung."

Mindestens 10 000 Menschen vermisst

Verlässliche Zahlen gibt es bislang kaum. Die Ambulanzbehörde von Darna gab die Zahl der Toten am Dienstag mit 2300 an.

Es dürfte jedoch noch weit mehr Opfer gegeben haben, sagte Tamer Ramadan, Leiter der Libyen-Delegation beim Internationalen Verband der Gesellschaften des Roten Kreuzes und Roten Halbmonds.

Es würden noch mindestens 10 000 Menschen vermisst. Mehr als 40 000 seien vor den Wassermassen geflohen.

Bislang haben Rettungskräfte dort mehr als 1500 Leichen entdeckt. Etwa die Häfte von ihnen sei bis Dienstagabend beerdigt worden, sagte Abdel Dschalil.

Ganze Stadtteile wurden weggeschwemmt

Der Mittelmeersturm «Daniel» hatte für heftige Regenfälle gesorgt und bei Darna Dämme zum Bersten gebracht, ganze Stadtteile wurden weggeschwemmt.

Am Dienstag wühlten sich Helfer durch Trümmer und Schlamm, um weitere Tote zu bergen. Einige waren mit Schlauchbooten im Einsatz und zogen ständig neue Leichen an Bord.

Mit Blick auf das Erdbeben im benachbarten Marokko sagte der per Video aus Tunesien zugeschaltete Ramadan bei einer UN-Pressekonferenz in Genf, die Lage in Libyen sei mindestens so verheerend wie in Marokko.

W​asserwand rauschte auf das Stadtzentrum zu

Bewohner von Darna posteten im Internet Videos von der gewaltigen Zerstörung.

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Am Ufer des Flusses Wadi Darna wurden ganze Wohnblocks weggerissen. Mehrstöckige Häuser, die zuvor in deutlichem Abstand zum Fluss gestanden hatten, waren teilweise eingestürzt und unter einer Schlammschicht begraben.

Ein Bewohner von Darna, Ahmed Abdalla, sagte, nach dem Bruch der Dämme sei eine Wasserwand auf das Stadtzentrum zugerauscht, die alles in ihrem Weg ausgelöscht habe.

Eine der beiden rivalisierenden Regierungen in Libyen - jener im Osten des Landes - erklärte die Gegend zur Katastrophenzone.

K​linik musste evakuiert werden

Rund 50 weitere Tote wurden aus der Stadt Al-Baida gemeldet, wie das größte örtliche Krankenhaus mitteilte. Die Klinik wurde ebenfalls überschwemmt und musste evakuiert werden.

Auf die Stadt waren nach Angaben des Wetterdienstes von Sonntag bis Montag 414 Liter Regen pro Quadratmeter niedergegangen.

Aus den Städten Sussa, Mardsch und Schahatt - die Gegend gilt als die grünste und regenreichste Libyens - gab es ebenfalls Berichte über Tote und Zerstörung.

B​ürgerkriegsland Libyen

Libyen ist nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi 2011 zwischen rivalisierenden Regierungen im Osten und Tripolis im Westen geteilt. Durch den Konflikt wurden vielerorts Infrastruktureinrichtungen vernachlässigt.

Auch das Gesundheitsministerium der gegnerischen Regierung in Tripolis kündigte Hilfe an.

Ein Flugzeug mit 14 Tonnen medizinischem Material, Medikamenten und Leichensäcken sei nach Bengasi geschickt worden. Auch mehrere andere Länder in der Region und darüber hinaus boten Hilfe an.

Darna ist bekannt für seine weißen Häuser und Palmgärten. Ein Großteil der Stadt wurde errichtet, als Libyen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von Italien besetzt war.

Nach dem Sturz Gaddafis wurde Darna zur Bastion islamischer Extremisten. Derzeit wird die Stadt kontrolliert von den Truppen von General Chalifa Haftar, der mit der ostlibyschen Regierung verbündet ist.

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