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Ein Jahr nach dem Tornado: Wiederaufbau im ostfriesischen Ort dauert an | Weather.com
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Ein Jahr nach dem Tornado: Wiederaufbau im ostfriesischen Ort dauert an

15.08.2022, Niedersachsen, Berumerfehn: Mehrere entwurzelte Bäume liegen in einem Waldstück nahe des Ortskerns. Vor einem Jahr zog ein Tornado über die kleine Ortschaft Berumerfehn in Ostfriesland hinweg. Hunderte Bäume wurden damals entwurzelt, zahlreiche Dächer abdeckt und mehrere Gebäude zerstört. Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Ein F2-Tornado verwüstete am 16. August 2021 den ostfriesischen Ort Berumerfehn. Auf dem Bild ist zu sehen, wie mehrere entwurzelte Bäume in einem Waldstück nahe des Ortskerns liegen
( Hauke-Christian Dittrich/dpa)

Teils Hunderte Jahre alte Bäume prägten das Bild von Berumerfehn - bis ein Tornado über den kleinen Ort in Ostfriesland hinwegfegt. Wie durch ein Wunder wird niemand verletzt. Ein Jahr nach der Katastrophe blicken die Einwohner nach vorn - doch der Wiederaufbau dauert noch.

Wer genau hinsieht, kann auch ein Jahr später noch erahnen, mit welcher Naturgewalt der Tornado den kleinen ostfriesischen Ort Berumerfehn traf: Auf vielen Dächern schimmern neue Dachziegel, manche Dächer sind sogar ganz neu eingedeckt. Die wenigen alten, großen Bäume, die an der Dorfstraße noch stehen, sind stark beschnitten. Manche haben keine Krone mehr. Rund 700 Bäume fehlen nach Angaben der Gemeinde Großheide, zu der der Ortsteil Berumerfehn im Landkreis Aurich gehört, insgesamt seit dem Tornado vom 16. August 2021 - dabei wirbt die Gemeinde eigentlich mit dem Spruch „Zuhause im Grünen“.

Von dem Grün, dass das Ortsbild über Jahrzehnte prägte, ist in der Ortsmitte von Berumerfehn seitdem nicht mehr all zu viel übrig. „Man hat es gar nicht wiedererkannt“, erinnert sich Großheides Bürgermeister Fredy Fischer (parteilos) an den Augustabend, als er nach dem ersten Alarm nach Berumerfehn eilt. „Das konnte man sich gar nicht vorstellen. Das war Katastrophenzustand.“ Noch heute bekomme er ein wenig Gänsehaut, wenn er an die Bilder zurückdenke.

Tornado beschädigt mehr als 50 Häuser

15.08.2022, Niedersachsen, Berumerfehn: KOMBO - Die zweiteilige Kombo zeigt die Zerstörung an einem Wohnhaus im Ortskern nach einem Tornado am 16.08.2021 und das gleiche Wohnhaus, dessen Fassade und Dach neu aufgebaut wurde, am 15.08.2022. Vor einem Jahr zog ein Tornado über die kleine Ortschaft Berumerfehn in Ostfriesland hinweg. Hunderte Bäume wurden damals entwurzelt, zahlreiche Dächer abdeckt und mehrere Gebäude zerstört. Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
ie zweiteilige Kombo zeigt die Zerstörung an einem Wohnhaus im Ortskern nach einem Tornado am 16.08.2021 und das gleiche Wohnhaus, dessen Fassade und Dach neu aufgebaut wurde, am 15.08.2022.
( Hauke-Christian Dittrich/dpa)

Zusammen mit Gemeindebrandmeister Thomas Rohdemann geht Fischer von Haus zu Haus und schaut nach dem rechten. „Wir mussten uns erst einmal ein Überblick verschaffen, wie groß der Schaden überhaupt war“, erzählt der Feuerwehrmann. Glücklicherweise habe es an dem Abend kein Fußballtraining auf dem Sportplatz gegeben, auch Radfahrer seien nicht unterwegs gewesen. „Im Nachhinein ist es gar nicht zu glauben, dass es keine Verletzten gab.“

Es ist kurz nach 20 Uhr als der Tornado an dem Montagabend über die Ortsteile Westermoordorf, Berumerfehn und Ostermoordorf zieht. Nach nur wenigen Minuten ist der Spuk vorbei. Berumerfehn erwischte es am Schlimmsten: Abgedeckte Hausdächer, entwurzelte Bäume, auf Straßen und Gehwegen überall Trümmer und teils sogar umgerissene Fahrzeuge. Insgesamt beschädigt der Tornado mehr als 50 Häuser und auch Einrichtungen der Gemeinde. Ein umgekippter Baum landete mitten im Gruppenraum des Kindergartens. Auch ein Museum und eine Schule, eine Turnhalle und selbst das Feuerwehrhaus wurden beschädigt.

Bis zu 60 Tornados pro Jahr in Deutschland

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) bestätigte am Tag danach, dass es sich um einen mittelschweren Tornado der Klasse F2 handelte. Solche Tornados sind Meteorologen zufolge in Deutschland vergleichsweise selten. Demnach hatte der Wirbelsturm schätzungsweise Drehgeschwindigkeiten zwischen 180 und 250 Stundenkilometern und einen Durchmesser von mehreren Dutzend bis zu 100 Meter. Jährlich werden im Schnitt insgesamt in Deutschland zwischen 20 bis 60 Tornados nachgewiesen, die oft nur kurz und kleinräumig auftreten.

Den ersten Hinweis, was da durch die drei Ortsteile fegte, bekam Gemeindebrandmeister Rohdemann noch per Anruf von einem Nachbarn. Erst danach kam die Erstalarmierung der Leitstelle – „Sturmschaden klein“, hieß es da noch, erinnert sich der Wehrchef. In den Minuten darauf standen die Telefone nicht mehr still. Für die rund 100 Kräfte der Großheider Wehren wurde Vollalarm ausgelöst. Unterstützung kam von den Feuerwehren aus dem benachbarten Norden und dem Brookmerland.

„Niemand hat gemotzt, alle waren am Arbeiten“

Noch am Abend begannen die Aufräumarbeiten. „Die Hilfsbereitschaft war riesig“, sagt Rohdemann. Obwohl einige Anwohner teils unter Schock standen, habe jede und jeder mitangepackt. Zudem rückten Firmen mit Treckern und Radladern an, um Trümmer von Straßen und Einfahrten zu räumen. „Bis in die Morgenstunden wurde geholfen“, sagt Fischer - und zwar trotz der Katastrophe mit ostfriesischer Ruhe und Zusammenhalt. „Niemand hat gemotzt, alle waren am Arbeiten“, erinnert sich der Rathauschef. Das zeichne die Berumerfehner aus.

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„Nach einer Woche war das Allerschlimmste beseitigt“, sagt Fischer. Der Wiederaufbau ging dann aber erst richtig los. Die Gemeinde rief zu Spenden für Betroffene ohne ausreichenden Versicherungsschutz auf. Von den rund 100.000 Euro, die zusammenkamen, sei lediglich die Hälfte abgerufen worden, sagt Fischer. Viele Einwohnerinnen und Einwohner seien gut gegen Sturmschäden versichert - auch da ein ähnlich heftiger Sturm bereits vor zehn Jahren vielen in der 8500 Einwohner zählenden Gemeinde noch im Gedächtnis sei.

F2-Tornado schockte selbst die sturmerprobten Ostfriesen

ARCHIV - 17.08.2021, Niedersachsen, Berumerfehn: Häuser in Berumerfehn in der Gemeinde Großheide wurden in der Nacht von einem Tornado zerstört (Aufnahme mit einer Drohne). Ein Jahr nachdem ein Tornado im Ort Berumerfehn in Ostfriesland schwere Schäden anrichtete, kommt der Wiederaufbau in dem Ortsteil der Gemeinde Großheide voran. (zu dpa: «Neue Bäume für Berumerfehn - Wiederaufbau nach Tornado geht voran») Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Die Drohnenaufnahme zeigt das Ausmaß der Zerstörung, den der Tornado in Berumerfehn hinterlassen hat
(Mohssen Assanimoghaddam/dpa)

Allein die Ostfriesische Landschaftliche Brandkasse, der öffentliche Versicherer für die Region, registrierte nach dem Tornado insgesamt 136 Schäden mit einer Schadenssumme von rund einer Million Euro. Bis auf ein paar wenige ausstehende Vorgänge, seien alle Schäden mittlerweile abgewickelt, sagt Sprecherin Signe Foetzki.

Von abgedeckten Dächern, umgewehten Zäunen bis hin zu zerstörten Carports und Terrassen. Die Schadensmeldungen nach dem Tornado seien „querbeet“ gegangen. Stürme seien Ostfriesen zwar gewohnt, sagt Foetzki. Doch ein solch mittelschwerer Tornado sei auch für die Brandkasse ein besonderes Schadensereignis. „Das waren erschreckende Bilder“. Selbst erfahrene Ingenieure, die rausfuhren, um die Schäden zu begutachten, habe das Ausmaß, das man sonst nur von vergleichbaren Unwettern aus dem Fernsehen kenne, mitgenommen, sagt die Sprecherin.

Wie Berumerfehn wieder ergrünen soll

In der Straße Mühlenblick, wo der Tornado den Hausgiebel eines Einfamilienhauses wegriss, sind die Spuren des Sturms kaum noch zu erkennen. Der Giebel wurde wieder aufgebaut. Einen benachbarten Galerieholländer, eine historische Windmühle, verschonte der Tornado. Andere Häuser wurden dagegen so sehr zerstört, dass sie abgerissen werden mussten. Der Tornado habe Berumerfehns Ortsbild verändert, sagt der Bürgermeister. Die übrigen 50.000 Euro will die Gemeinde nun investieren, um das alte Berumerfehner Ortsbild wiederherzustellen.

In diesem Herbst sollen neue Bäume gepflanzt werden. Am liebsten einheimische Arten, so wie sie vor dem Tornado Berumerfehn prägten. Dazu sind auch neue Bänke und Schilder in Planung. Ein Großteil sei schon wieder hergerichtet worden, Fußwege etwa oder Straßenlaternen, sagt Bauamtsleiterin Martina Meyer. Auch die zerstörten Teile der Grundschule und des Kindergartens wurden wieder aufgebaut. „Es wird nach und nach weniger“, sagt Fischer. Bis Berumerfehn wieder so grün ist wie vor dem Tornado, werde es aber noch einige Zeit dauern.

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