Leben doch möglich? Forscher rätseln über Sauerstoff-Schwankungen auf dem Mars

Leben doch möglich? Forscher rätseln über Sauerstoff-Schwankungen auf dem Mars

Das Verhalten des Sauerstoffs in der Atmosphäre des Mars ist eigenartig: Der Gehalt unterliegt starken Schwankungen - jedoch weiß niemand woher diese kommen.

Etwas Eigenartiges geschieht auf dem Mars: Offenbar unterliegt der Gehalt an Sauerstoff in der Atmosphäre des Roten Planeten starken und abrupten Schwankungen. Das zeigen Messdaten des Rovers „Curiosity“ der US-Raumfahrtbehörde Nasa, der seit 2012 durch den Gale-Krater kurvt.

Woher dieser Sauerstoff kommt und wohin er wieder verschwindet, ist den Forschern ein Rätsel, denn die bekannte Atmosphärenchemie kann das Phänomen nicht erklären. „Wir kämpfen darum, eine Erklärung zu finden“, sagt die Planetenforscherin Melissa Trainer vom Goddard Space Flight Center der Nasa in Maryland. „Die Tatsache, dass sich das Verhalten des Sauerstoffs nicht in jeder Jahreszeit in gleicher Weise wiederholt, lässt uns glauben, dass es nichts mit der Dynamik der Atmosphäre zu tun hat.“

Welche Ursache steckt hinter den Schwankungen?

Auch andere Prozesse wie das Aufbrechen von Molekülen scheiden laut Trainer als Ursache aus. Dies lässt manche Forscher vermuten, dass biologische Prozesse die Anomalie hervorrufen können. Anders gesagt: Möglicherweise bewirken Mikroorganismen die beobachteten Änderungen des Sauerstoffgehalts. Damit wären diese ein Anzeichen für die Existenz außerirdischen Lebens.

In einer Studie, die im „Journal of Geophysical Research: Planets“ erschien, legen Trainer und ihre Kollegen ihre Analyse der Messdaten vor. Curiosity hatte sie im Verlauf der vergangenen drei Marsjahre im Gale-Krater gesammelt, was knapp sechs Erdenjahren entspricht. Der 154 Kilometer große Krater entstand vor 3,5 bis 3,8 Milliarden Jahren durch einen Meteoriteneinschlag. In seiner Mitte ragt ein spitzer Bergkegel auf. Möglicherweise bildete sich im Krater in der Frühzeit des Mars, als dessen Klima noch wärmer war, ein See, dessen Sedimente sich an seinem Grund ablagerten. Gab es hier einst tatsächlich Wasser, könnte sich darin Mikroben getummelt haben.

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Messungen schienen zunächst wie erwartet

Die Messungen, die Curiosity mit seinem Analysegerät „Sample Analysis at Mars“ (SAM) vornahm, erschienen auf den ersten Blick wenig spektakulär. Sie bestätigten die bekannte Zusammensetzung der Marsatmosphäre, die zu 95 Prozent aus Kohlendioxid (CO2) besteht, hinzu kommen geringe Mengen an Stickstoff, Kohlenmonoxid, Argon und Sauerstoff.

Weiter ließen die SAM-Daten charakteristische Luftdruckschwankungen erkennen: Im Winter, wenn sich viel CO2 als Trockeneis an den Polen niederschlägt, sinkt der Druck und damit die Dichte der Spurengase. Im Sommer steigt die Gasdichte wieder an.

Sauerstoffgehalt schwankt

Beim molekularen Sauerstoff (O2) gab es jedoch eine große Überraschung: Sein Gehalt nahm jeweils Frühjahr und Sommer um bis zu 30 Prozent zu – von 1700 auf 2200 Teilchen pro Million Luftteilchen (ppm). Dies liegt deutlich über dem aufgrund der saisonalen Schwankungen zu erwartenden Wert. Im Mars-Winter wiederum sank die O2-Konzentration überproportional ab.

„Das erste Mal, als wir das sahen, waren wir wirklich verwirrt“, bekennt Studienmitautor Sushil Atreya von der University of Michigan (UM). Tatsächlich verbleiben einmal entstandene O2-Moleküle im Mittel etwa zehn Jahre in der Atmosphäre, bevor sie von de UV-Strahlung der Sonne in einzelne Atome zerlegt werden. Die Schwankungen des Sauerstoffgehalts müssten daher weit gleichmäßiger verlaufen als von Curiosity gemessen.

Woher stammen die Sauerstoffatome?

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Umgekehrt könnten sich die aus O2 oder auch Wasser abgespaltenen Sauerstoffatome zu O2-Molekülen verbinden. Doch hier gibt die Mengenbilanz die beobachteten Werte nicht her. Eine andere Möglichkeit wäre, dass die solare UV-Strahlung Sauerstoff aus Mineralien wie Wasserstoffperoxid oder Perchlorat freisetzt, die im Marsboden reichlich vorliegen. Doch beim Peroxid wäre die Freisetzungsrate viel zu gering, um den abrupten O2-Anstieg zu bewirken.

Das Perchlorat wiederum könnte den Sauerstoff liefern. Dann müssten aber auch Chlor und Wasserstoff auftreten, die jedoch nicht nachweisbar waren. „Wir konnten bisher noch keinen Prozess bestimmen, der den erforderlichen Sauerstoff produziert“, konstatiert Timothy McConnochie von der University of Maryland, ein weiterer Studienmitautor. „Doch wir denken, dass es etwas im Boden sein muss, das sich jahreszeitlich ändert, denn in der Marsatmosphäre gibt es nicht genug verfügbare Sauerstoffatome, um das beobachtete Verhalten zu erzeugen.“

Auch Methankonzentration wirft Rätsel auf

Neben dem O2 verhält sich ein weiteres Spurengas auf dem Roten Planeten merkwürdig, nämlich Methan. Auch seine Konzentration verändert sich erratisch. Jeweils im Mars-Sommer steigt sie um bis zu 60 Prozent an, um dann nach einem Zufallsmuster wieder rasch zu sinken. Oft ist Methan aber gar nicht nachweisbar. Auch seine Herkunft ist unklar.

Im Juni 2013 maßen Curiosity und der Satellit „Mars Express“ der europäischen Raumfahrtagentur Esa im Gale-Krater einen besonders starken Anstieg. Als mögliche Quelle konnten die Forscher ein Eisfeld östlich des Kraters lokalisieren, das als ausgetrockneter See gilt.

Zeichen von Leben auf dem Mars?

Gelegentlich verlaufen die Fluktuationen von Methan und O2 aber parallel. „Wir sehen diese spannende Korrelation für einen guten Teil des Marsjahrs“, erläutert UM-Forscher Atreya. „Ich denke, es gibt da etwas, aber wir haben noch keine Antworten.“

Tatsächlich bleibt auch den Forschern nur, über den Ursprung der Sauerstoffschübe im Mars-Frühjahr und das Verschwinden des Gases im Herbst zu spekulieren. Zwar ist klar, dass beide Gase durch biologische Prozesse erzeugt werden können, also von irgendwelchen Lebensformen. Schließlich lassen Photosynthese und Atmung auf der Erde den Sauerstoffgehalt der Atmosphäre leicht schwanken.

Nasa-Forscher denken es gibt chemische Quelle

Doch zur Enttäuschung der Jäger außerirdischen Lebens halten die Nasa-Forscher einen geochemischen Ursprung für wahrscheinlicher. „Es muss irgendwo eine chemische Quelle und eine Senke geben, die wir noch nicht kennen“, vermutet Studienhaptautorin Trainer.

Curiosity kann das Rätsel nicht lösen, denn seine Messungen sagen nichts über den Ursprung der marsianischen Gase aus. „Erstmals sehen wir dieses interessante Phänomen über mehrere Jahre, aber wir verstehen es noch nicht“, so Trainer weiter. Die Forscher hoffen nun, dass weitere Messungen vor Ort sowie durch Satelliten wie den „Trace Gas Orbiter“ der Esa zusammen mit theoretischen Überlegungen eine Erklärung für das mysteriöse Phänomen liefern.

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