Atacama-Sternwarte durch Lichtverschmutzung bedroht | Weather.com
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Chile: Astronomen fürchten wegen Energieprojekt um Observatorium

In Chiles Atacama-Wüste soll ein Energieprojekt nahe dem Paranal-Observatorium entstehen. Astronomen schlagen Alarm.

Radioteleskope des ALMA-Observatoriums in der Atacama-Wüste in Chile, einem der weltweit bedeutendsten Standorte für Astronomie (Archivfoto)

Die Atacama-Wüste in Chile ist einer der dunkelsten Orte der Welt - ein Juwel für Astronomen, die in Scharen hierherkommen, um in dieser unwirtlichen Gegend an der Pazifikküste die Ursprünge des Universums zu erforschen. Eine seltene Kombination von Faktoren macht die Atacama-Wüste zu einem idealen Standort für einige der weltweit größten bodengestützten astronomischen Projekte: Das trockene Klima, die große Höhe und vor allem die Abgeschiedenheit von der Lichtverschmutzung der Zivilisation.

Weltbekanntes Paranal-Observatorium

"Es ist ein perfekter Cocktail für die Astronomie", sagt Daniela González, Geschäftsführerin der Stiftung Skies of Chile Foundation, einer gemeinnützigen Organisation, die sich für die Qualität des chilenischen Nachthimmels einsetzt. Doch damit könnte es bald vorbei sein, warnt eine Gruppe führender Wissenschaftler in einem offenen Brief an die chilenische Regierung. Ein privates Unternehmen treibt nämlich Pläne voran, einen riesigen Komplex für erneuerbare Energien in Sichtweite einer der weltweit produktivsten astronomischen Einrichtungen zu bauen – dem Paranal-Observatorium, das von dem internationalen Konsortium Europäische Südsternwarte (ESO) betrieben wird.

In dem Brief bezeichnen 30 renommierte internationale Astronomen, darunter der deutsche Physiknobelpreisträger Reinhard Genzel, das Projekt als "unmittelbare Bedrohung" für die Fähigkeit der Menschheit, den Kosmos zu erforschen und weitere seiner Geheimnisse zu lüften.

Deutscher Nobelpreisträger warnt - Unternehmen beschwichtigt

Genzel führte einen Großteil seiner Forschung über Schwarze Löcher mit den von der ESO betriebenen Teleskopen in der Atacama-Wüste durch. "Der Schaden würde über die Grenzen Chiles hinausreichen und die weltweite wissenschaftliche Gemeinschaft beeinträchtigen, die sich auf Beobachtungen aus Paranal stützt, um alles von der Entstehung der Planeten bis zum frühen Universum zu erforschen", heißt es in dem Brief. "Wir sind überzeugt, dass wirtschaftliche Entwicklung und wissenschaftlicher Fortschritt zum Wohl aller Menschen in Chile nebeneinander bestehen können und müssen, doch nicht auf Kosten eines einzigartigen und unersetzlichen Fensters der Erde zum Universum."

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Die Wissenschaftler schließen sich einer Reihe von Experten an, die seit der Bekanntgabe des Plans die chilenische Regierung drängen, eine geplante Anlage an einen anderen Standort zu verlegen: Vor einem Jahr wurde bekannt, dass AES Andes, ein Ableger des US-Unternehmens AES Corp., in der Atacama-Wüste einen großen Komplex zur Herstellung von Wasserstoff-basiertem Kraftstoff bauen will.

Auf Anfrage erklärte AES, eigene technische Studien hätten ergeben, dass das Projekt vollständig mit astronomischen Observationen vereinbar sei und den strengen Vorschriften der chilenischen Regierung zur Lichtverschmutzung entspreche. "Wir setzen auf das Vertrauen in die institutionelle Stärke des Landes, die seit Jahrzehnten Sicherheit und Umweltschutz für zahlreiche Produktionssektoren gewährleistet" erklärte das Unternehmen.

Nicht nur das Licht der Anlage wäre ein Problem

Der Plan, der noch in der Umweltverträglichkeitsprüfung ist, sieht 3.000 Hektar Wind- und Solarenergieparks, eine Entsalzungsanlage und einen neuen Hafen vor. Das bedeutet nicht nur eine erhebliche Zunahme der Lichtverschmutzung, sondern auch neuen Staub, Bodenvibrationen und erhöhte atmosphärische Turbulenzen, die die Sterne verzerren und funkeln lassen. All das – nur drei Kilometer von den leistungsstarken Teleskopen des Paranal-Observatoriums entfernt – wird die Sicht auf astronomische Ziele nach Einschätzung von Experten beeinträchtigen und könnte wissenschaftliche Fortschritte behindern.

"An den weltweit besten Standorten für Astronomie funkeln die Sterne nicht. Sie sind sehr stabil und selbst die kleinste künstliche Turbulenz würde diese Eigenschaften zerstören", sagt ESO-Direktor Andreas Kaufer. Nach Einschätzung der ESO würde das AES-Projekt die Lichtverschmutzung um 35 Prozent erhöhen.

Dunkle Orte werden rar

"Wenn der Himmel durch künstliches Licht um uns herum heller wird, können wir diese Beobachtungen nicht mehr durchführen. Sie gehen verloren. Und da wir die größten und empfindlichsten Teleskope am besten Standort der Welt haben, sind sie, wenn sie für uns verloren gehen, für alle verloren." Obwohl diese Kontroverse möglicherweise nur für Chile gilt, wo sich 40 Prozent der weltweiten astronomischen Infrastruktur befinden, spiegelt das Projekt die allgemeine Spannung zwischen natürlicher Dunkelheit und Industrialisierung wider, die in unzähligen Ländern besteht, da die Lichtverschmutzung den Nachthimmel jedes Jahr um etwa zehn Prozent heller macht. "Große Observatorien wurden an abgelegene Orte verbannt, und im Grunde genommen werden sie jetzt an einige der letzten verbliebenen Orte mit dunklem Himmel auf der Erde verbannt, wie die Atacama-Wüste, die Berggipfel von Hawaii und Gebiete um Tucson, Arizona", sagt Ruskin Hartley, Geschäftsführer von DarkSky International, einer von Astronomen gegründeten gemeinnützigen Organisation in Tucson. "All diese Orte sind jetzt durch zunehmende Bebauung und den Bergbau gefährdet. Es passiert überall."

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