Weltraumwetter – Wenn die Sonne Wetter macht | Weather.com
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Weltraumwetter – Wenn die Sonne Wetter macht

Weltraumwetter ist ein erlebbares Phänomen ausgehend von der Macht der Sonne über die Erdatmosphäre und das irdische Magnetfeld. Forscher weltweit arbeiten an zuverlässigen Vorhersagen, damit unsere hochtechnisierte Welt nicht kalt von einem Sonnensturm erwischt wird.

Ein Mensch geht spazieren und der Nachthimmel wird von Polarlichtern erhellt.
Polarlichter sind für uns auf der Erde das sichtbare Weltraumwetter - doch da oben passiert noch weit aus mehr.
(GettyImages)

Wenn wir morgens zur Wetter-App greifen, geht es fast immer um Regen, Wind und Temperaturen. Dass es noch ein zweites „Wetter“ gibt, weit über unseren Köpfen, bleibt meist unsichtbar – bis Polarlichter den Himmel über Deutschland färben oder die Satellitennavigation plötzlich zickt. Die Rede ist von Weltraumwetter – dessen Vorhersage Forscher weltweit vor einige Herausforderungen stellt.

Was ist Weltraumwetter überhaupt?

„Knapp zusammengefasst beschreibt Weltraumwetter, wie die Sonne und ihre Aktivität unsere Erde beeinflussen – von ganz unten am Boden bis hinauf zu den Satelliten“, erklärt Lucia Kleint, Leiterin der Forschungsgruppe „Spaceweather“ am Astronomischen Institut der Universität Bern (AIUB), die sich speziell mit Sonneneruptionen und ihren Auswirkungen befasst.

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) definiert Weltraumwetter als Gesamtheit der Prozesse, die von der Sonne ausgehen und den erdnahen Weltraum verändern – vom Sonnenwind über Sonnenstürme bis hin zu deren Effekten in unserer Magnetosphäre und Ionosphäre. Wenn Sonnenstürme das Erdmagnetfeld erreichen, kann sich der Zustand dieses Schutzschilds „wetterartig“ verändern.

Grafik zeigt, wie ein Sonnensturm auf die Erdatmosphäre trifft.
Sonnenstürme haben weitreichende Auswirkungen für das Wetter auf der Erde. Doch noch sind sie schwer vorherzusagen.
(GettyImages)

Was für viele Menschen zunächst abstrakt und weit weg klingt, ist nicht nur anhand von Forschungsdaten messbar, sondern für jedermann erlebbar – und heutzutage eine Touristenattraktion. Gemeint sind Polarlichter, die laut der Europäischen Weltraumagentur (ESA) die „optisch schöne Seite des Weltraumwetters“ darstellen.

Physikalisch betrachtet, weisen diese farbigen Lichterscheinungen aber darauf hin, dass auf der Sonne zuvor ein sogenannter koronaler Massenauswurf (CME) stattgefunden hat – eine Eruption, bei der mehrere zehn Milliarden Tonnen Sonnenplasma ins All geschleudert werden. Dieses Gemisch aus geladenen Teilchen kann nicht nur Lichtspiele am Himmel entstehen lassen, sondern auch Technik im All und auf der Erde gefährden.

Sonnenstürme lassen sich nur schwer vorhersagen

Auf die Frage, wie gut die Mechanismen hinter starken Eruptionen heute erforscht sind, zieht Kleint eine gemischte Bilanz: Die grundlegenden physikalischen Abläufe, die zu Sonneneruptionen und in der Folge zu Sonnenstürmen führen, seien „recht klar“. Die große offene Frage sei aber, wie sie sich zuverlässig vorhersagen lassen. Ihre Gruppe wertet dafür Millionen von Bildern und Messdaten aus, die am Boden und im All gewonnen werden, und setzt dabei auch auf maschinelles Lernen. Ziel sei es, Muster zu finden, die helfen, Eruptionen künftig besser zu prognostizieren. So könne man heute zwar sagen, dass in einer Region auf der Sonne eine hohe Eruptionsgefahr bestehe – „aber wir wissen derzeit nicht, wann genau etwas passiert“, sagt Kleint.

Das liege daran, dass die Vorhersage von vielen Parametern abhänge, die sich nicht alle gleichzeitig im Blick nehmen oder überhaupt immer messen lassen. „Wir können die Sonne nie vollständig und gleichzeitig hochaufgelöst beobachten. Selbst modernste Teleskope liefern nur dann Daten, wenn Wetter und Sicht stimmen, und sie erfassen immer nur einzelne Regionen – wie ein Teleobjektiv, das in einer Menschenmenge eine Person scharf zeigt, aber nicht alle zugleich“, sagt Kleint.

Wetterchaos im Welltall

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Das DLR vergleicht das System Weltraumwetter mit dem irdischen Wetter – inklusive aller Tücken für verlässliche Prognosen. Der Weltraumwetterbericht des Ionosphere Monitoring and Prediction Center (IMPC) verweist daher auf die „Chaos-Theorie“: In stark wechselwirkenden Systemen können kleine Änderungen große Folgen haben. Auch das Weltraumwetter setze sich aus zahlreichen, miteinander gekoppelten Prozessen zusammen – von der Sonnenoberfläche über den Sonnenwind bis zur Ionosphäre. Vorhersagemodelle würden schnell ungenau, wenn der Anfangszustand nicht exakt bekannt sei.

Um das Weltraumwetter zu simulieren, müssten daher verschiedene Computermodelle – etwa für Sonnenwind, Magnetosphäre und Ionosphäre – zusammengeschaltet werden. Eine Schlüsselrolle spielt laut DLR dafür die sogenannte Datenassimilation: Messdaten werden in Echtzeit in physikalische Modelle eingespeist, um Prognosen zu stabilisieren. Anders als beim meteorologischen Wetter bleiben Messungen im Weltraum aber technisch aufwendig, weshalb belastbare physikalische Vorhersagen weiterhin eine Herausforderung sind.

Wer heute auf das Weltraumwetter schaut

Die Erforschung und Prognose des Weltraumwetters ist längst eine internationale Aufgabe. So betreibt das DLR in Neustrelitz das IMPC, das zu den weltweit führenden Einrichtungen gehört, die Weltraumwetter überwachen und Vorhersagen liefern. In nahezu Echtzeit erstellt das Zentrum globale Karten, die zeigen, wie stark die Ionosphäre gestört ist – wichtig etwa für Satellitennavigation und Luftfahrt.

Bei der ESA koordiniert ein Weltraumwetter-Beobachtungssystem die Entwicklung von Strategien und Missionen, die die Erde vor „Turbulenzen aus dem All“ schützen sollen. Ein europaweites Space Weather Service Network (SWE) stellt über ein Online-Portal Messwerte, Warnmeldungen und Analysen zur Verfügung.

Gleichzeitig verweist das DLR auf internationale Partner wie das Space Weather Prediction Center der US-Behörde NOAA, das das Weltraumwetter überwacht und Prognosen zu Sonnenaktivität und geomagnetischen Stürmen erstellt. Lucia Kleint betont in diesem Zusammenhang, dass Europa derzeit noch sehr abhängig von den USA sei, weil dort die meisten relevanten Satelliten betrieben würden.

Vigil: Eine neue ESA-Sonde soll Europa unabhängiger machen

Auch deshalb spielt die neue ESA-Mission Vigil eine zentrale Rolle beim Aufbau einer eigenen europäischen Weltraumwetter-Infrastruktur. Die Sonde Vigil soll die bald ausgediente ESA-/NASA-Sonde SOHO im Jahr 2031 ablösen und gefährliches Weltraumwetter vorhersagen.

Das Besondere an Vigil: Sie wird den sogenannten Lagrange-Punkt L5 einnehmen und folgt der Erde in einem Abstand von etwa 150 Millionen Kilometern auf ihrer Bahn um die Sonne. Auf diese Weise hat Vigil Regionen der Sonne im Blick, die sich der Erde einige Tage später zuwenden. Dadurch lässt sich die Vorwarnzeit vor Sonnenstürmen deutlich verlängern – von heute maximal rund drei Tagen auf bis zu fünf Tage.

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