Der "Blob" ist zurück: Jetstream befeuert Warmwasserblase – mit verheerenden Folgen | Weather.com

Der "Blob" ist zurück: Jetstream befeuert Warmwasserblase – mit verheerenden Folgen

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Durch die stark erhöhten Meerestemperaturen lässt sich die große Warmwasserblase um Alaska gut erkennen.
(earth.nullschool.net)

 

Der „Blob“ ist zurück. So nennen Meeresforscher eine ausgedehnte Blase anormal warmen Wassers im Nordostpazifik, die sich bis in den Golf von Alaska erstreckt. Wie Satellitendaten zeigen, sind die Temperaturen in dem Meeresgebiet um bis zu drei Grad Celsius höher als normal. Dies beeinflusst zum einen das Wetter an der nordamerikanischen Westküste bis tief ins Hinterland, zum anderen aber die Meeresökosysteme. Derzeit ist der Blob (etwa „der Tropfen“) ungefähr 2000 Kilometer groß und reicht rund 100 Meter in die Tiefe.

Warmwasserblase erhöht Meerestemperatur bis zu sieben Grad 

Erstmals tauchte die Warmwasserblase im Herbst 2013 im nördlichen Pazifik auf. In der Folge dehnte sie sich immer weiter nach Süden aus. Schließlich erstreckte sie sich entlang der gesamten Westküste der USA und verband sich mit Warmwassergebieten vor dem mexikanischen Bundesstaat Baja California und im Beringmeer. Es war die größte Menge an atypisch warmem Wasser, die im Nordpazifik je registriert wurde; stellenweise war das Meer sieben Grad wärmer als normal. Ende 2015 schwächte sich der Blob ab, kehrte aber im Frühjahr 2016 in voller Stärke zurück. Erst danach sanken die Wassertemperaturen wieder auf das Normalmaß.

Jetstream spielt eine Rolle

Generell entstehen die Warmwasserblasen, wenn sich über dem Nordpazifik ein Hochdruckgebiet bildet, das lange an Ort und Stelle verbleibt. Dann erwärmt die Sonnenstrahlung bei wochen- bis monatelang wolkenfreiem Himmel das Meer. Diese Wetterkonstellation verändert auch den nordpolaren Strahlstrom (Jetstream). Dieses Starkwindband weht in acht bis zwölf Kilometern Höhe von West nach Ost um den Globus. 

Die Strahlströme entstehen durch den Temperaturgegensatz zwischen den Tropen und den Polargebieten. Daraus resultieren polwärts gerichtete Winde. Sie werden aber von der Corioliskraft, die eine Folge der Erdrotation ist, nach Osten abgelenkt. Überqueren sie große Gebirge wie auf der Nordhalbkugel die Rocky Mountains oder den Himalaja, entstehen darin Wellen, die sich teilweise weit nach Norden oder Süden erstrecken.

Blockierende Wetterlage fördert Blob

Auch die Erderwärmung verändert die Strahlströme. Weil sich die Arktis überproportional erhitzt, verringert sich das Temperatur- und damit auch das Druckgefälle zwischen den Tropen und der Nordpolregion. Als Folge bilden die Windbänder größere Schleifen. Darin können sich Hoch- oder Tiefdruckgebiete festsetzen. Das mit diesen verbundene Wetter ändert sich dann oft wochenlang nicht mehr.

Eine solche weit nach Norden reichende Schleife hielt auch jene Hochs an Ort und Stelle, die zur Bildung der Warmwasserblasen führten. Eine  „blockierende Wetterlage“ stellte sich ein. Sie bewirkte, dass es im Westen Nordamerikas überdurchschnittlich warm und trocken war. Der frühere Blob war somit eine Ursache der verheerenden Dürre, die Kalifornien bis Anfang 2017 heimsuchte. Zugleich veränderte das Hoch die Zugbahnen der Stürme: Sie tobten sich im Osten des Kontinents aus und verschonten den Westen.  Im Gegenzug bildet sich weiter östlich eine weit in den Süden Nordamerikas reichende Schleife im Strahlstrom. Durch sie floss im strengen Winter 2013/14 kalte Polarluft bis in die südöstlichen US-Staaten.

2013/14: 300.000 Vögel sind vermutlich verhungert

Der erste Blob richtete auch in den Meeresökosystemen große Schäden an. Weil die arktischen Winterstürme ausblieben, konnte sich das Wasser im Nordostpazifik nicht wie gewohnt durchmischen. Deshalb gelangte kein nährstoffreiches Tiefenwasser mehr an die Oberfläche. Die Bestände von Grünalgen und Planktonkrebsen – der sogenannte Krill – kollabierten, so dass die Nahrungskette im Meer abriss. Leidtragende waren neben den Fischen vor allem Meeressäuger und Seevögel, die massenhaft starben. So zählten Biologen in einem Zeitraum von fünf bis sechs Monaten 60.000 Kadaver von Trottellummen, die sich von kleinen Fischen und Krill ernähren. Hochrechnungen ergaben, dass insgesamt 300.000 der Vögel verhungert sein könnten.

Der Nahrungsmangel tötete auch viele Wale. Weil es draußen auf See an Beute fehlte, zogen sie während des Blobs an die Küste. Doch dort lauerten Käfigfallen am Meeresgrund, mit denen Fischer den begehrten Kalifornischen Taschenkrebs fangen. Sie sind mit Bojen an der Wasseroberfläche durch Leinen verbunden, in denen sich viele Wale verhedderten und ertranken.

Blob bringt verheerende Giftalgenblüte

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Darüber hinaus löste die Meereserwärmung eine verheerende Giftalgenblüte aus. Vor allem vermehrte sich eine Algenart namens Pseudo-nitzschia, die ein starkes Toxin erzeugt. Es löst Hirnschäden, Gedächtnisverlust und Krämpfe aus. Im Frühjahr 2015 maß der Meeresforscher Raphael Kudela von der University of California in Santa Cruz im Wasser der kalifornischen Monterey Bay steigende Konzentrationen des Gifts. „Wir dachten nicht, dass diese Blüte so groß wird“, erklärte Kudela damals. „Doch wir konnten zusehen, wie sich die Toxine ausbreiten. Von dort aus ging es immer weiter.“

Tatsächlich erreichte die Algenblüte im Spätsommer 2015 die Aleuten-Inseln vor Alaska. Dabei brach sie alle Rekorde: Es war die am längsten dauernde, am weitesten ausgedehnte und giftigste je beobachtete Massenvermehrung von Giftalgen. Sie tötete zahllose Wale, deren Kadaver an Alaskas Küsten auftauchten. „Überall waren Wasserschichten, die aussahen wie Stroh, dick von all diesen Zellen“, so Kudela.

Verheerende Folgen für die Fischerei

Die Masse bestand aus mehreren Algenarten, wurde aber von Pseudo-nitzschia dominiert. Ihr Gift wurde auch in den Taschenkrebsen gefunden, sodass die Fischerei monatelang eingestellt werden musste. Der Blob hatte also nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische Folgen.

Zumindest indirekt verursachte der Blob ein weiteres katastrophales Ereignis: Im Juni 2017 überschwemmten Abermillionen sogenannter Feuerwalzen die US-Westküste. Sogar in Alaska tauchten die 15 bis 20 Zentimeter langen Manteltiere auf. Überall verrotteten sie an den Stränden, vielerorts zerstören sie durch ihre schiere Masse auch Fischernetze.Den Meeresbiologen war die Invasion ein Rätsel. Normalerweise leben Feuerwalzen in tropischen Gewässern im offenen Meer, also fernab der Küsten. Vermutlich verfrachteten 2014 und 2015 warme Strömungen die Tiere in nördliche Meeresgebiete. Auch andere tropische Arten wanderten dort ein. So wurden Warmwasser-Haie und Tunfische vor Alaska gefangen, und vor Kalifornien tauchten Seeschlangen auf.

Als das Wasser 2016 wieder abkühlte, kehrten die eingewanderten Arten in ihre ursprünglichen Lebensräume zurück – außer den Feuerwalzen. Sie konnten sich aus unbekannten Gründen im Nordostpazifik halten und begannen sich massenhaft zu vermehren.

„Wie lange wird sich Blob Junior halten?“

Auch jetzt bestimmt der Blob in weiten Teilen Nordamerikas wieder das Wetter. In Alaska etwa ist es seit September recht warm. Denn das stationäre Hoch über dem Meer verhinderte bis jetzt, dass – wie sonst um diese Jahreszeit üblich – kalte Luftmassen aus dem Norden vordringen.

Wie sich der Winter im nördlichsten US-Staat weiter entwickelt, ist unklar, es hängt davon ab, wie es mit der Warmwasserblase weitergeht. „Wie lange wird sich Blob Junior halten?“, fragte der Atmosphärenforscher Cliff Mass von der University of Washington in seinem Wetter- und Klimablog. Die Antwort gab er selbst: „Mindestens so lange, wie das Hochdruckgebiet über dem Nordpazifik besteht.“

El Niño könnte die Situation verschlimmern

Der US-Wetterdienst erwartet, dass sich die warme Luft in Alaska noch eine kleine Weile hält, bevor sich das Hoch abschwächt. Erste Anzeichen dafür gibt es bereits. Wenn die Tage im hohen Norden kürzer werden und das wärmende Sonnenlicht fehlt, dürfte ihm endgültig die Puste ausgehen. Dann können Stürme heranziehen und das Wasser vor der Küste wieder durchmischen, was dem Blob sein Ende beschert. Allerdings zieht im Zentralpazifik gerade ein El Niño herauf. Das Klimaphänomen könnte bewirken, dass die Temperaturen im gesamten pazifischen Raum auch im Dezember abnormal hoch bleiben.

Ereignisse wie die Rückkehr des Blob und der neue El Niño lassen die Zukunft der Ozeane erahnen. Bislang traten beide Phänomene unregelmäßig und in größeren Abständen auf. Prognosen von Klimaforschern zufolge dürften sie sich künftig jedoch häufen. Womöglich werden sie dann in vielen Meeresgebieten das „neue Normal“ – das heißt, das Wasser dort bleibt mehr oder weniger dauerhaft warm. Entsprechend könnten die Auswirkungen, etwa vermehrte Algenblüten, für die Menschen verheerend sein.

 

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