Bazaar
Hitze mit über 35 Grad ist normal, oder? Warum Menschen Wetter falsch einschätzen | Weather.com
Advertisement
Advertisement

Klima

Hitze mit über 35 Grad ist normal, oder? Warum Menschen Wetter falsch einschätzen

Laien gehen bei der Einordnung des Wetters nicht sehr objektiv vor
(Getty Images)

Auf einen Blick

  • Das von ihnen selbst erlebte Wetter halten die meisten Menschen für den Normalzustand
  • Doch langjährige Klimastatistiken zeichen meist ein völlig anderes Bild
  • Diese subjektive Wahrnehmung könnte ernste Folgen haben

Das unmittelbar von ihnen selbst in der jüngsten Vergangenheit erlebte Wetter halten die meisten Menschen für den Normalzustand – auch wenn langjährige Klimastatistiken ein völlig anderes Bild zeichnen. Das zumindest legt eine Analyse nahe, die US-Forscher anhand von mehreren Milliarden Twitter-Posts zum Wetter erstellt haben.

Diese subjektive Wahrnehmung des Wetters, so die Forscher, könnte bei vielen Menschen dazu führen, dass sie die Bedrohung durch die globale Erwärmung falsch einschätzen.

Social-Media-Studie

Die Analyse des Forscherteams an der University of California in Davis ist bemerkenswert umfangreich: Rund 2,18 Milliarden geolokalisierte Twitter-Nachrichten mit Wetterbezug aus dem Zeitraum von März 2014 bis November 2016 wurden von den Wissenschaftlern untersucht. So wollten sie herausfinden, welche Wetterarten von den Nutzern des Social-Media-Netzwerks am häufigsten kommentiert wurden. In einem nächsten Schritt leiteten sie aus den Daten ab, welche Witterungsbedingungen die Autoren der Tweets erwarteten und welche sie für normal hielten.

Bleiben Sie informiert und holen Sie sich die kostenlose App von The Weather Channel

Die Schlussfolgerung der Forscher: Wer wiederholt statistisch außergewöhnliche Wetterbedingungen erlebt, etwa überdurchschnittlich hohe Temperaturen, der hält diese mit der Zeit für immer weniger bemerkenswert. Die Definition von "normalem Wetter" basiert bei Menschen demnach in der Regel auf Grundlage der Wetterereignisse der vorangegangenen zwei bis acht Jahre.

Subjektive Wetterwahrnehmung

Die Untersuchung, die in der US-Fachzeitschrift "Proceedings of the National Academy of Sciences" veröffentlicht wurde, ist nicht repräsentativ für die amerikanische Bevölkerung. Trotzdem glauben die Forscher, dass ihre Erkenntnisse wichtige Hinweise auf die gesellschaftliche Wahrnehmung des Klimawandels liefern könnten. Die Grundlage für das, was Menschen für normal halten, verschiebe sich schnell, schreiben sie.

Die breite Öffentlichkeit werde eine Erwärmung über das 21. Jahrhundert hinweg möglicherweise nicht wesentlich wahrnehmen. Nach Meinung der Forscher ergeben sich daraus "potenzielle Folgen sowohl für die Anerkennung globaler Erwärmung als auch für die Akzeptanz von Klimaanpassungspolitik".

Wetterextreme besonders eindrücklich

Dass Laien bei der Einordnung des Wetters nicht sehr objektiv vorgehen, bestätigt auch Andreas Friedrich. "Was das Wetter angeht hat der Mensch in der Regel ein sehr selektives und subjektives Gedächtnis", sagt der Diplom-Meteorologe. Als langjähriger Pressesprecher des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Offenbach beantwortet er regelmäßig Anfragen zu vermeintlich ungewöhnlichen Wetterereignissen.

Advertisement

Die meisten Menschen, so seine Einschätzung, erinnerten sich vor allem an extreme Witterungsbedingungen wie etwa besonders heiße Sommer oder besonders kalte Winter.

"Im Vergleich zu den wissenschaftlichen Statistiken ist das allerdings immer auch ein wenig irrelevant", sagt der Meteorologe. Als Beispiel nennt er die extreme Hitzewelle vom 24. bis zum 26. Juli, 2019. An allen drei Tagen wurde dabei in Deutschland die Temperaturmarke von 40 Grad Celsius überschritten. Im niedersächsischen Lingen wurde zudem mit 42,6 Grad Celsius ein neuer Temperaturrekord für Deutschland verzeichnet.

"Als im Anschluss die Temperaturen wieder auf ein normales Niveau zurückfielen, hatten viele Menschen den Eindruck, es sei viel zu kalt für die Jahreszeit", sagt Friedrich. Und das, obwohl der Sommer 2019 zu den drei heißesten seit dem Beginn regelmäßiger Messungen im Jahr 1881 gilt, wie aktuelle Zahlen des DWD belegen.

Immer neue Wetterrekorde

Der Glaube, vergleichbar heiße Sommer habe es auch in vergangenen Jahrzehnten immer wieder gegeben, ist eine Täuschung. Das belegen die offiziellen Statistiken. Tatsache ist: Die Rekordsommer häufen sich besonders in der jüngsten Vergangenheit. Mit einem Temperaturdurchschnitt von 19,7 Grad war 2003 der heißeste Sommer seit dem Beginn regelmäßiger Messungen 1881.

Auf den Plätzen zwei und drei folgen die Jahre 2018 mit 19,3 Grad und eben 2019 mit 19,2 Grad. Damit wurden die drei heißesten Sommer seit 1881 ausnahmslos nach der Jahrtausendwende verzeichnet.

Das könnte Sie auch interessieren:

Hitze und Blitze am Wochenende: Wo die 35 Grad geknackt werden - und wo es kracht

Advertisement
Hidden Weather Icon Masks
Hidden Weather Icon Symbols