Waldgesundheit: Besser sich selbst überlassen oder eingreifen?
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Waldgesundheit: Besser sich selbst überlassen oder eingreifen?

11.07.2019, Rheinland-Pfalz, Koblenz: Die Luftaufnahme mit einer Drohne zeigt geschädigte Fichten im rechtsrheinischen Stadtwald von Koblenz. Dürre, Hitze und Schädlinge bringen nicht nur Nadel-, sondern zunehmend auch Laubbäumen in Rheinland-Pfalz den Tod. Foto: Thomas Frey/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Die vergangenen beiden trockenen Sommer haben den deutschen Wäldern schwer zugesetzt.
(dpa)

Ist Nichtstun eine Option? Kommt ein Wald, den der Mensch in Ruhe lässt, besser mit dem Klimawandel zurecht als der Wirtschaftswald? Der Nationalpark Schwarzwald gibt Hinweise für die Zukunft.

Zwei trockene Sommer genügen, um dem Wald schwer zuzusetzen. Forstbehörden, Waldbesitzer und Politiker sind alarmiert. Es gibt Waldgipfel, Notfallpläne und Ratlosigkeit. Die Landesregierung verspricht Geld, Personal und Forschung. Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) besucht den Nationalpark Schwarzwald. Wie kommt ein Wald, in dem sich die Natur ohne den Menschen entwickeln darf, mit dem Klimawandel zurecht?

Die Natur bestimmt, welche Baumart wächst

Nationalpark-Fachbereichsleiter Jörg Ziegler lenkt die Blicke der Besuchergruppe auf den Boden. Winzige Fichten, zarter Bergahorn und junge Tannen versuchen überall zwischen den alten Bäumen ihren Platz zu finden, Licht zu ergattern und zu wachsen.

Im Rotmurgtal in der Kernzone des Nationalparks auf rund 700 Metern Höhe soll sich der Wald selbst verjüngen. Die Natur sucht aus, welche Baumarten mit sich verändernden Bedingungen wie höheren Temperaturen oder trockeneren Sommern zurechtkommt. "Es macht keinen Sinn, auf eine Baumart zu setzen", sagt Ziegler.

Ideal: Bäume verteilen selbst ihre Samen

Nach Überzeugung von Nationalparkdirektor Thomas Waldenspuhl ist das Evolution pur. "Für das Ökosystem ist das lebensnotwendig, man kann nicht sagen, das oder das ist die Baumart der Zukunft." Im Nationalpark legt nicht der Mensch fest, welche Bäume in den nächsten hundert Jahren mit den Bedingungen zurecht kommen müssen. Das könne ganz kleinräumig sehr unterschiedlich sein, sagt Ziegler.

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An einer Stelle sei die Wasserversorgung im Boden ausreichend für eine Fichte, schon ein paar Meter weiter könne es ganz anders sein. Deswegen sei es das Beste, wenn in einem Wald ganz verschiedene Bäume ihre Samen verteilen, um ein breites Angebot zu haben. Die jeweils am besten zum Standort passenden Bäume werden sich dann durchsetzen.

Deutschland braucht mehr Bannwälder

Untersteller nennt den Nationalpark ein Reallabor, in dem sich beobachten lasse, wie der Wald reagiere. Daraus könnten Rückschlüsse auch für den Wirtschaftswald gezogen werden. Klar sei, dass Wälder mit alten Bäumen mehr Kohlendioxid speichern können.

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Deswegen: "Wir müssen ein Interesse haben, Wälder alt werden zu lassen." Untersteller fordert, den Anteil der Bannwälder, die sich selbst überlassen werden, im Land deutlich zu erhöhen. Auch, damit dort mehr klimaschädliches Kohlendioxid gespeichert wird.

"Wald wird nicht sterben, aber sich verändern"

Der Umweltminister ist sicher: Der Wald im Nationalpark wird nicht sterben, auch wenn sich die Klimabedingungen ändern. Aber der Wald werde sich verändern.

Auch der Borkenkäfer wird im Nationalpark nicht als Feind betrachtet. Wo ihm Fichten zum Opfer fallen, bietet sich Licht und Raum für die nächste Baumgeneration.

32 Prozent Deutschlands mit Wald bewachsen - und bewirtschaftet

Der Wald in Deutschland hat vielfache Bedeutung. Unersetzbar ist er wegen seiner ökologischen und sozialen Funktion. Er speichert Wasser, bindet Kohlendioxid, filtert Luft, reguliert das örtliche Klima und verhindert Bodenerosion. Er bietet Menschen Erholung und Tieren Rückzugsräume.

Etwa 32 Prozent der Fläche Deutschlands ist mit Wald bewachsen. Fast alle Wälder werden bewirtschaftet. Das Spektrum reicht von reinen Fichten- oder Kiefernbeständen über Mischwälder bis hin zu alten, artenreichen Bannwäldern, aus denen sich der Mensch bereits vor mehr als 100 Jahren zurückgezogen hat.

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