Weinanbau ist weltweit in Gefahr: Wie Winzer sich dem Klimawandel anpassen können
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Weinanbau ist weltweit in Gefahr: Wie Winzer sich dem Klimawandel anpassen können

closeup of rotten grapes in an autumnal vineyard - Wachau Austria
Rebstöcke reagieren sehr empfindlich auf Änderungen der Temperatur und der Vegetationsperioden
(Getty Images)

Weltweit gerät der Anbau von Wein in Gefahr – als weitere Folge der vom Menschen verursachten globalen Erwärmung. Zu diesem Resultat kommt eine Studie, die im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences“ erschien. Erstellt hat sie eine internationale Arbeitsgruppe um den Ökologen Ignacio Morales-Castilla von der spanischen Universität Alcalá.

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Anpassung an den Klimawandel

„Es gilt weithin als sicher, dass der Klimawandel die Landwirtschaft schon heute beeinträchtigt und sie auch künftig beeinträchtigen wird“, sagt Morales-Castilla.

„Die Größenordnung des Effekts hängt jedoch davon ab, wie wir uns an den Wandel anpassen können, deshalb wollten wir wissen, ob die Diversifizierung beim Landbau die Widerstandskraft gegenüber der in verschiedenen Szenarien beschriebenen Erwärmung erhöht.“

Dabei erschienen den Autoren die Weinreben als Indikator ideal, denn global kultivieren Winzer unter höchst verschiedenen Bedingungen mehr als 1100 Varietäten. Zudem gibt es im Weinbau lange zurück reichende Aufzeichnungen über das Wetter und das Wachstum der Pflanzen.

Aufzeichnungen zu Knospenbildung, Blüte und Reifung

Für ihre Untersuchung analysierten die Forscher Daten, die hauptsächlich in Frankreich erhoben wurden, zu elf weit verbreiteten Rebsorten: Cabernet Sauvignon, Chasselas, Chardonnay, Grenache, Merlot, Monastrell (auch Mourvèdre genannt), Spätburgunder, Riesling, Sauvignon Blanc, Syrah und Trebbiano (auch bekannt als Ugni Blanc).

Dazu trugen sie Aufzeichnungen aus den Jahren 1956 bis 2015 zu Knospenbildung, Blüte und Reifung dieser Rebsorten zusammen. Diese Daten kombinierten sie mit globalen Temperaturaufzeichnungen, die von 1880 bis 2013 reichen.

Daraus leiteten Morales-Castilla und seine Kollegen Prognosen ab, wie gut die einzelnen Sorten bei steigenden Temperaturen gedeihen werden und wie sich die Anbaumöglichkeiten verändern.

Bei Temperaturerhöhung ein Verlust bis 85 Prozent

Das Ergebnis ist ernüchternd. Wie die Modellrechnungen der Gruppe zeigen, würden die für den Weinbau geeigneten Regionen bei einem Anstieg der Erdtemperatur um zwei Grad Celsius bis 2100 weltweit um 56 Prozent schrumpfen. Bei einer Temperaturerhöhung um vier Grad wären es sogar 85 Prozent. Zugleich könnte sich die Zahl der Sorten halbieren.

Ursache der zu erwartenden Misere ist, dass Rebstöcke sehr empfindlich auf Änderungen der Temperatur und der Vegetationsperioden reagieren.

„In gewisser Weise ist Wein wie der Kanarienvogel in der Kohlengrube und zeigt die Einflüsse des Klimawandels auf die Landwirtschaft an, weil die Reben so klimasensitiv sind“, erklärt Studienmitautor Benjamin Cook von der kanadischen University of British Columbia.

Anbau wärmeresistenter Sorten nur noch begrenzt möglich

Besonders betroffen wären in Europa die südlich gelegenen Weinregionen, voran Italien und Spanien, aber auch Australien. Bei einer Erwärmung von zwei Grad lägen die Flächenverluste der beiden europäischen Länder bei 65 beziehungsweise 68 Prozent, während sie nur etwa fünf respektive neun Prozent an Anbaufläche dazu gewännen.

Würde sich die Erde um vier Grad erwärmen, stiegen die Verluste sogar auf 90 Prozent. „In den genannten Anbaugebieten ist es heute schon heiß, so dass der Anbau wärmeresistenter Sorten nur noch begrenzt möglich ist“, verlautbart dazu die University of British Columbia.

Sortenwechsel nötig

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Die Forscher weisen auch auf mögliche Maßnahmen hin, mit denen Winzer den Niedergang teilweise kompensieren könnten: Sie müssten zu Sorten wechseln, die besser an die neuen klimatischen Verhältnisse angepasst sind. Gelänge dies, wären bei zwei Grad Erwärmung nur 24 Prozent der Anbaufläche verloren, bei vier Grad noch 58 Prozent.

„Unser Resultat zeigt das Potenzial des Sortenwechsels zur Anpassung an den Klimawandel, solange die Anstrengungen, noch höhere Temperaturen zu vermeiden, erfolgreich sind“, heißt es in der Studie.

Im französischen Burgund etwa ließen sich nach Ansicht der Studienautoren die gegenwärtigen Hauptsorten wie Spätburgunder durch die wärmeliebenden Sorten Mourvèdre und Grenache ersetzen, im Anbaugebiet Bordeaux wiederum könnte Mourvèdre die dominierenden Cabernet Sauvignon und Merlot ablösen.

Kühlere Gebiete profitieren sogar

Kühlere Gebiete wie Deutschland, Neuseeland und der pazifische Nordwesten der USA kämen im Zwei-Grad-Szenario relativ glimpflich davon. Hier ließen sich Einbußen durch verstärkte Anpflanzung von Sorten wie Merlot oder Grenache recht gut ausgleichen. Tatsächlich wird hierzulande nach Angaben des Deutschen Weininstituts mit dem Sortenwechsel bereits experimentiert.

So wachsen auf 700 Hektar Merlot und auf 400 Hektar Cabernet Sauvignon. Winzer in Nordeuropa und Kanada würden sogar vom Klimawandel profitieren, da sie künftig neue Sorten anpflanzen könnten, die das bisherige kalte Klima nicht überstehen – etwa der Spätburgunder.

In südlichen Regionen wachsen bereits hitzebeständige Reben

Den südlichen Weinbauregionen würde solche Maßnahme indes kaum helfen, da dort bereits jetzt die hitzebeständigsten Reben wachsen. Den Studienautoren zufolge könnten Praktiken wie verstärkte Bewässerung oder das Aufspannen schattenspendender Planen die Pflanzen schützen, allerdings nur bei einem geringen Anstieg der Erdtemperatur.

Sortenwechsel als schwierige Veränderung

Der Wandel dürfte aber große Anstrengungen erfordern. „Grenache oder Cabernet Sauvignon durch Spätburgunder zu ersetzen, Trebbiano dort anzupflanzen, wo Riesling angebaut wird – das sind keine schmerzlosen Veränderungen, aber sie können den Winzern den Übergang in eine neue und wärmere Welt erleichtern“, erklärt die Studienmitautorin Elizabeth Wolkovich, die ebenfalls an der University of British Columbia forscht.

„In manchen Regionen gibt es große Hürden, da dort die typischen Sorten seit Jahrhunderten angebaut werden, auch müssen die Kunden die neuen Varietäten akzeptieren.“

Rechtliche und kulturelle Hürden

Zudem gebe es beim Sortenwechsel derzeit noch rechtliche und kulturelle Hürden, da die Herkunftsbezeichnungen für viele Weine geschützt sind.

Allerdings hätten in Europa bereits Gespräche über eine angepasste Gesetzgebung begonnen, die den Wandel einfacher gestalten soll. „Jetzt müssen die Winzer den Anbau der neuen Sorten noch lernen“, so Wolkovich weiter.

Mehr Forschung erforderlich

„Weintrauben besitzen eine enorme Vielfalt, aber ein Großteil davon ist noch nicht gut dokumentiert und wird von den Landwirten weltweit nicht genutzt“, ergänzt Studienhauptautor Morales-Castilla. „Die Anpassung der Ergebnisse an bestimmte Regionen erfordert auch Daten in feinerem Maßstab und mehr Forschung“.

Noch gebe es Gelegenheit, den Weinbau an die sich erwärmende Welt anzupassen, schlussfolgern die Studienautoren. Man müsse nur das Problem des Klimawandels ernst nehmen.

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