Meeresströmungen fließen schneller – das hat Folgen für das globale Wetter

Meeresströmungen fließen schneller – das hat Folgen für das globale Wetter

Von 1990 bis 2013 nahm die Strömungsgeschwindigkeit um rund 15 Prozent pro Jahrzehnt zu
(NASA/Goddard/SuomiNPP/VIIRS via NASA's OceanColor)

Durch den Klimawandel haben sich die meisten der großen Meeresströmungen deutlich beschleunigt. Änderungen der globalen Wettermuster sind eine mögliche Folge. Dies berichtet eine Arbeitsgruppe um den Ozeanographen Shijian Hu von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften im Fachjournal „Science Advances“.

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Meeresströmungen beschleunigen sich

Die Strömungen umfließen die Kontinente, wobei jede von ihnen mehr Wasser transportiert als alle Flüsse der Erde zusammen. Damit bilden sie gleichsam den Kreislauf unseres Planeten. Der Studie von Hu und seinen Kollegen zufolge pumpt dieser seit einem knappen Vierteljahrhundert schneller. Von 1990 bis 2013 nahm die Strömungsgeschwindigkeit um rund 15 Prozent pro Dekade zu.

Für große Teile der Erde ist dies keine gute Nachricht. „Es ist eine riesige Zunahme“, sagte die Meeresforscherin Susan Wijffel von der US-amerikanischen Woods Hole Oceanographic Institution, die nicht an der Studie beteiligt war, dem Wissenschaftsportal „Science“.

„Wenn sich diese Beschleunigung bestätigt, könnte es die Strahlströme, Wettermuster und die in den Tiefen der Ozeane gespeicherte Wärme beeinflussen.“

Kein Trend erkennbar

Zuvor hatten Meeresforscher bereits vermutet, dass die Erderwärmung die Zirkulation beeinflusst. Doch ihre Beobachtungen ließen keinen Trend erkennen. So schien der ostasiatische Kuroshio-Strom stabil zu sein, wogegen der Agulhas-Strom, der an der Ostküste Afrikas entlang fließt, sich zu großen Wirbeln ausweitete.

Die Strömungen im tropischen Pazifik gewannen offenbar an Fahrt, dafür hatte sich der atlantische Golfstrom abgeschwächt.

Ziel der Studie: Einheitlichen globalen Trend finden

Mit ihrer Studie wollten die Autoren nun herausfinden, ob es nicht doch einen einheitlichen globalen Trend gibt. Dazu werteten sie Messdaten der 4000 robotischen Argo-Tauchbojen aus, die weltweit Daten zu Temperatur und Salinität des Wassers bis in rund 2000 Meter Tiefe liefern.

Zusätzlich nutzten die Forscher weitere Messreihen sowie eine Reihe numerischer Simulationen, um die kinetische Energie der Ozeane und die daraus resultierenden Wasserbewegungen in globalem Maßstab zu ermitteln.

Zunahme des Energiegehalts von 15 Prozent

Wie sich zeigte, nahm der Energiegehalt der Ozeane ab 1990 um rund 137 Billiarden Joule pro Jahrzehnt zu, was einer Zunahme von 15 Prozent gegenüber dem klimatologischen Mittelwert entspricht. Damit war klar, dass das Tempo der meisten großen Strömungen kontinuierlich steigt, was sich in allen großen Meeresbecken bis in 2000 Meter Tiefe zeigte.

Die kinetische Energie in den tropischen Meeresregionen nahm dabei deutlich stärker zu als in den höheren Breiten. Insgesamt war der Effekt in 76 Prozent der Meeresfläche zu beobachten, bei 28 Prozent davon trat er besonders stark in Erscheinung. Der einheitliche Trend ist damit im großen Ganzen bestätigt.

Ursache: Kräftigere Winde über den Weltmeeren

Als Ursache der Beschleunigung nennen Hu und seinen Kollegen, dass die Winde über den Weltmeeren aufgrund der globalen Erwärmung kräftiger wehen. Dies fanden die Forscher anhand von sechs globalen Wetterdatensätzen heraus. Die Winde wiederum treiben die darunter liegenden Wassermassen an.

Treibhauseffekt trägt zur Verstärkung der Winde bei

Demnach haben sich die Luftströmungen um durchschnittlich 1,9 Prozent pro Jahrzehnt beschleunigt. „Zu dieser Verstärkung trugen menschliche Aktivitäten bei“, bekräftig Hu. „In der südlichen Hemisphäre zum Beispiel änderten das Schwinden der Ozonschicht und der Treibhauseffekt die atmosphärische Zirkulation, so dass sich die Westwinde über den Meeren weiter nach Süden verschoben.“

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Dies wiederum beschleunigte den antarktischen Zirkumpolarstrom an, der als weltweit stärkste Meeresströmung gilt, und machte ihn auch breiter. Zudem verstärkte Wärme aus dem tropischen Atlantik die sogenannte Walker-Zirkulation – ein Strömungskreislauf der Luft über dem äquatorialen Pazifik –, die ihrerseits die pazifischen Passatwinde antreibt.

Weltweite Auswirkungen

Schneller fließende Meeresströmungen dürften sich weltweit auswirken. So könnten stärkere tropische Ströme mehr warmes Wasser in die gemäßigten Breiten transportieren. Eine Veränderung der Wettermuster dort wäre eine mögliche Folge.

Weiter kann wärmeres Wasser weniger Kohlendioxid lösen, folglich verbliebe ein größerer Teil des Treibhausgases in der Atmosphäre, wo es zur weiteren Erwärmung der Erde beiträgt.

„Andererseits könnte die Beschleunigung die Speicherung von Hitze im Ozean verstärken, weil sie so große Tiefen erreicht“, erklärt Studienhauptautor Hu. „Dies würde die Erwärmung an Land bremsen.“

Offene Fragen

Einiges bleibt trotz der neuen Einsichten aber noch unklar. So ist ungewiss, wie sich die nordatlantische Umwälzströmung verändert, zu der auch der Golfstrom gehört. Sie transportiert Wärme aus den Tropen bis nach Nordeuropa und sorgt dort für ein relativ mildes Klima.

In jüngerer Vergangenheit hat sich diese Strömung abgeschwächt. Die Studie von Wu und seinen Kollegen gibt keine Auskunft, ob sie sich infolge des globalen Trends künftig wieder beschleunigt.

Natürliche Schwankung als Ursache?

Könnte hinter dem Trend aber nicht auch eine natürliche Schwankung stecken? Schließlich werden Meerestemperaturen und -strömungen von zyklischen Klimaphänomenen wie El Niño oder der Pazifischen Dekadische Oszillation beeinflusst. Der Klimatologe Gerrit Lohmann vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven möchte das nicht ausschließen.

In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die pazifischen Winde aufgrund einer Abkühlung des Wassers vor dem westlichen Nordamerika verstärkt, was auf eine natürliche Schwankung des Meereszustands hindeute, argumentiert er. Auch Hu gesteht zu, dass die natürliche Variabilität bis ein Drittel zu den höheren Windgeschwindigkeiten beitrage.

Trend weitaus stärker als eine natürliche Variabilität

Insgesamt aber, betonen die Studienautoren, ließen sich die jetzt festgestellten Veränderungen nicht allein durch solche natürlichen Schwankungen erklären. Denn der Trend sei in den letzten beiden Jahrzehnten weit stärker als die natürliche Variabilität.

„Die multidekadische Veränderung in den Windfeldern und der globalen Meereszirkulation ist höchstwahrscheinlich ein Ergebnis der Kombination zunehmender Treibhausgas-Emissionen und einer natürlichen dekadischen Variabilität“, schreiben sie. Zudem stimme das räumliche Muster der Windgeschwindigkeiten in den meisten Meeresbecken mit denen des Ozeanverhaltens überein.

Dies spräche dafür, dass der erhöhte Energieeintrag durch den Wind dazu beigetragen hat, die globale Zirkulation zu beschleunigen.

Intensive Beobachtungen noch nötig

Ob sich dieser Trend auch künftig weiter fortsetzen wird, ist allerdings noch offen. „Intensive Beobachtungen der tiefen Ozeanzirkulation sind daher dringend notwendig, nicht nur, um vergangene Bedingungen zu verstehen, sondern auch, um Unsicherheiten in den Projektionen der künftigen Zirkulation zu verringern", resümieren Hu und seine Kollegen.

Womöglich können neue Daten der Argo-Bojen die Studienergebnisse noch in diesem Jahr bestätigen.

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