Ausmaß der Eisschmelze entspricht den schlimmsten UN-Szenarien | The Weather Channel
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Klima

Ausmaß der Eisschmelze entspricht den schlimmsten UN-Szenarien

ARCHIV - 29.01.2020, Antarktis, ---: Ein Eisberg im südlichen Ozean, während der chinesische Eisbrecher «Xuelong 2» vorbeifährt. Außergewöhnliche Wärme in der Antarktis hat Forscher aus Australien Alarm schlagen lassen. Angesichts einer erstmals an der Casey Forschungsstation in der Ostantarktis gemessen Hitzewelle, warnten die Experten vor drastischen Schäden für die antarktischen Lebewesen sowie für die Ökosysteme der Erde. Hitzewellen seien bislang selten in der Antarktis gemessen worden - gewöhnlich bezeichnen Forscher damit eine Aneinanderreihung von mindestens drei Tagen mit extrem hohen Temperaturen. Foto: Liu Shiping/XinHua/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Ein Eisberg im südlichen Ozean, - das Eisschild der Antarktis schmilzt so schnell wie in Worst-Case-Szenarien der Vereinten Nationen.
(Liu Shiping/XinHua/dpa)

Die Eisschilde Grönlands und der Antarktis enthalten genug gefrorenes Wasser, um Ozeane 65 Meter anzuheben. Forschern zufolge entspricht ihre Schmelze den UNO-Szenarien für den schlimmsten Fall eines Meeresspiegelanstiegs.

Die Massenverluste von 2007 bis 2017 aufgrund von Schmelzwasser und bröckelndem Eis stimmten fast perfekt mit den extremsten Prognosen des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimawandel (IPCC) überein, berichtet „Sciencealert.com“. Demnach würden die beiden Eisschilde die globalen Ozeane bis 2100 um bis zu 40 Zentimeter steigen lassen. Entsprechendes berichteten die Klimaforscher in „Nature Climate Change“.

Verheerende Auswirkungen

Ein solcher Anstieg könne weltweit verheerende Auswirkungen nach sich ziehen: Die Gefahr zerstörerischer Sturmfluten würde erhöht und Küstenregionen, in denen Hunderte von Millionen Menschen leben, wären wiederholt schweren Überschwemmungen ausgesetzt.

Wenn sich das Szenario verwirklichte, stiegen die Pegel fast dreimal so hoch wie in mittelfristigen Projektionen aus dem letzten großen Sachstandsbericht des IPCC für 2014, der einen Anstieg des Meeresspiegels um 70 Zentimeter durch Zufluss aus allen Quellen, einschließlich der Gebirgsgletscher und der Ausdehnung des Meerwassers bei Erwärmung, vorhersagt.

Ausmaß der Schmelze nicht berücksichtigt

Ungeachtet dieser deutlichen Diskrepanz hat ein Sonderbericht des IPCC über die gefrorenen Regionen der Erde im vergangenen Jahr die gleichen Prognosen vom Ende des Jahrhunderts für Grönland beibehalten und bei der Antarktis nur eine kleine Anpassung vorgenommen. Demnach steige der Wasserspiegel durch ihre Schmelze geringfügig stärker im Szenario der höchsten Treibhausgasemissionen.

"Brauchen neues Worst-Case-Szenario"

"Wir brauchen ein neues Worst-Case-Szenario für die Eisschilde, weil sie bereits mit einer Geschwindigkeit schmelzen, die unserem derzeitigen Worst Case entspricht", sagte der Hauptautor Thomas Slater, Forscher am Zentrum für Polarbeobachtung und Modellierung an der Universität Leeds der Nachrichtenagentur AFP.

Szenarien des Meeresspiegel-Anstiegs seien von entscheidender Bedeutung bei der Planung von Klimapolitik und Anpassungsstrategien, erläuterte er. "Wenn wir den künftigen Anstieg des Meeresspiegels unterschätzen, könnten diese Maßnahmen unzureichend sein und die Küstengemeinden verwundbar machen."

Flutgefahr für 50 Millionen Menschen

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Nach IPCC-Prognosen bedeutet eine starke Eisschild-Schmelze, dass bis Mitte des Jahrhunderts rund 50 Millionen Menschen weltweit jährlichen Küstenüberflutungen ausgesetzt seien.

Ein Gesamtanstieg des Meeresspiegels um mindestens einen Meter würde Berechnungen zufolge Ausgaben von mehr als 70 Milliarden Dollar pro Jahr für Dämme und andere Schutzvorrichtungen gegen Überschwemmungen erfordern.

Grund für Unterschied in Prognosen

Warum gehen die Klimamodelle, die den UN-Projektionen für den Meeresspiegel zugrunde liegen, von einer geringeren Eisschild-Schmelze aus als die jüngsten Analysen? Laut "Sciencealert.com" liegt ein Grund darin, dass die Modelle zwar gut geeignet seien, um die langfristigen Auswirkungen der allmählichen globalen Erwärmung zu beschreiben. Allerdings ließen sie kurzfristige Schwankungen der Wettermuster unberücksichtigt, die ihrerseits stark vom Klimawandel beeinflusst werden.

"Im Fall von Grönland wird nun ein Großteil des Eisverlusts durch Oberflächenschmelze in heißen Sommern verursacht - Prozesse, die in den AR5-Simulationen nicht erfasst wurden", erklärt Slater. Dabei bezieht er sich auf den IPCC-Bericht 2014, den fünften seit 1992. "Wir müssen diese Prozesse besser verstehen, um unsere Vorhersagen zum Anstieg des Meeresspiegels zu verbessern."

Mehr Schmelze als Neuschnee

Bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts akkumulierten die Eisschilde der Westantarktis und Grönlands im Allgemeinen so viel Masse, wie sie abgaben. Mit anderen Worten, der Abfluss wurde durch Neuschnee kompensiert. Aber in den vergangenen zwei Jahrzehnten hat die zunehmende Geschwindigkeit der globalen Erwärmung dieses Gleichgewicht beendet.

Grönland verlor 2019 Rekordmenge an Eis

Im vergangenen Jahr verlor Grönland eine Rekordmenge von 532 Milliarden Tonnen Eis - das entspricht sechs olympischen Becken mit kaltem, frischem Wasser, das jede Sekunde in den Atlantik fließt. Dieser Abfluss war den Angaben zufolge 2019 für 40 Prozent des Meeresspiegelanstiegs verantwortlich.

Slater zufolge wird eine neue Generation von Klimamodellen, die besser widerspiegelt, wie Eisschilde, Ozeane und Atmosphäre zusammenwirken, Grundlage für den nächsten großen Bericht des IPCC bilden. Er soll im kommenden Jahr fertig gestellt werden.

Weitere Analyse: Verlust von Eis stieg um 60 Prozent

In einer anderen Studie, die Anfang dieses Monats in „The Cryosphere“, einer Zeitschrift der European Geosciences Union, veröffentlicht wurde, berechneten Slater und Kollegen, dass die Eismassen der Erde - einschließlich der Gebirgsgletscher, der arktischen Eiskappe und beider Eisschilde - zwischen 1994 und 2017 fast 28 Billionen Tonnen Masse verloren haben.

Weniger als die Hälfte dieser Menge habe zum Anstieg des Meeresspiegels beigetragen. Ein Grund: Die arktische Eiskappe zum Beispiel bildet sich im Ozean und erhöht daher nicht den Meeresspiegel, wenn sie schmilzt. Die Eisverlustrate, so fanden die Forscher heraus, nahm in diesem Zeitraum um fast 60 Prozent zu.

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