„Waldsterben 2.0“: So schlecht geht es den Bäumen in Deutschland | Weather.com

„Waldsterben 2.0“: So schlecht geht es den Bäumen in Deutschland

Aerial view of dead trees - forest dieback - Waldsterben, Germany
Wenn deutsche Wälder nicht fit für den Klimawandel gemacht werden, stehen ihre Überlebenschancen schlecht
(GettyImages)

Wie erkennt man den Zustand eines Waldes? Der promovierte Forstwissenschaftler Ralf Straußberger bringt es anschaulich auf den Punkt. „Rot ist tot“, sagt der Waldexperte, der beim BUND Naturschutz Bayern als Wald- und Jagdreferent arbeitet. „Sterbende Kiefern oder Fichten erkennt man vor allem an den lichten Baumkronen. Haben diese sich rot gefärbt, ist der Baum abgestorben – dann kann er auch nicht mehr gerettet werden.“

Besonders den Nadelbaumarten Kiefer und Fichte gehe es deutschlandweit sehr schlecht. Stark betroffen seien unter anderem Waldregionen in Nordbayern, Thüringen, Sachsen und Brandenburg – aber grundsätzlich gebe es in ganz Deutschland ein „Waldsterben 2.0“. Das erste Waldsterben fand in den 1980er-Jahren statt, gestoppt wurde es damals unter anderem durch die Reduzierung von Luftschadstoffen.

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Vier von fünf Bäumen haben lichte Kronen

Der aktuelle Waldzustandsbericht 2020, der im Februar vorgestellt wurde, deckt sich mit der Einschätzung von Straußberger. Im Jahr 2020 hatten vier von fünf Bäumen lichte Kronen – 89 Prozent aller Buchen, 80 Prozent aller Eichen und Kiefern sowie 79 Prozent der Fichten. Unter deutlich lichten Kronen litten im vergangenen Jahr 37 Prozent aller Bäume; vor 20 Jahren waren mit 23 Prozent noch deutlich weniger Bäume betroffen.

Nicht nur nach oben schauen

Für Straußberger zeigt sich der schlechte Zustand der Wälder aber nicht nur bei einem Blick in die Spitzen. „Auch wer nach unten schaut, sieht das Waldsterben“, sagt er. „Denn auch die ausbleibende Verjüngung der Wälder ist ein großes Problem.“ Schuld daran sei vor allem ein zu hoher Rehwildbestand. „Die Tiere fressen die kleinen Pflanzen in vielen Wäldern ratzekahl ab. So kann nichts mehr nachwachsen.“ Zwar hätten einige Jäger ihren Wald recht gut im Blick aber grundsätzlich würden seit Jahren zu wenig Rehe geschossen.

„Wenn Sie vor einem Wald viele Rehe sehen, mag das vielleicht schön anzuschauen sein, aber dann wissen Sie: in dem Wald wächst keine Tanne mehr nach“, sagt der Waldexperte. Seiner Meinung nach müsste der Abschuss um den Faktor zwei bis drei erhöht werden. „Dann sind die Rehe noch längst nicht ausgerottet aber der Wald kann wieder wachsen – von alleine und auch ohne Umzäunung der jungen Pflanzen“.

Borkenkäfer fliegen auf Bäume im Wasserstress

Neben dem gefräßigen Rehwild macht ein weiteres Tier dem Wald zunehmend zu schaffen: der Borkenkäfer. „Die Käfer fliegen auf die Fichten, die ohnehin schon Wasserstress haben – der Baum kann kein Harz zur Verteidigung produzieren und die Käfer bringen die Bäume letztlich um. Fällt die Rinde ab, ist der Baum abgestorben“, sagt Straußberger. Dass viele Bäume im Hitze- und Dürrestress sind, liegt nach Ansicht des Waldexperten auch daran, dass viele Wälder naturfern aufgeforstet wurden und nicht gut gegen die Klimakrise aufgestellt sind.

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„Das hat schon vor einigen hundert Jahren begonnen, als damit gestartet wurde, Fichten- und Kiefern als Rohstoffquelle – vor allem als Holzlieferant – nachzusähen“, erklärt er. „Gerade aber diese Baumarten sind eher in Skandinavien verbreitet, wo es deutlich kühler ist. Und wir marschieren ja eher in wärmere als kühlere Phasen.“

Zusätzliche Wärme erreicht die Wälder intensiver, wenn zu stark ausgelichtet wird, sprich, zu viele Bäume gefällt werden. „Wenn Löcher in einen Wald gehackt werden, dann wird eine Art Freilandklima geschaffen und die Temperaturen steigen dort um bis zu fünf Grad“, warnt der Forstwissenschaftler.

Wälder fit für den Klimawandel machen

Um den Wald zu retten, gibt es für Straußberger mehrere Ansätze: „Die Politik muss endlich beim Klimaschutz handeln und den CO2-Ausstoß drastisch reduzieren“, sagt er. Auf der anderen Seite sollten mehr naturnahe Wälder entstehen und kultiviert werden. Weg von der Monokultur hin zu Laubmischwäldern und beispielsweise mehr Eichen, Buchen und Tannen, die die wärmeren Temperaturen auch besser verkraften.

„Dafür gibt es schon ein paar guten Waldumbauprojekte – etwa im Fichtelgebirge“, sagt er. „Was hier aber sehr wichtig ist, dass auch die Jäger mitmachen und den Wildbestand dezimieren. Denn wenn die Tiere die Jungpflanzen aufessen, bringen alle Umbauprojekte nichts.“

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