Bäume überstehen Hitzestress: Versuchswald zeigt, wie Wälder dem Klimawandel trotzen | The Weather Channel
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Bäume überstehen Hitzestress: Versuchswald zeigt, wie Wälder dem Klimawandel trotzen

04.08.2022, Sachsen-Anhalt, Hasselfelde: Revierleiter a.D. Werner Gutbier steht inmitten des Öko-Kamps in Hasselfelde. Das Freiluftlabor  Öko-Kamp am Tännichen ist ein sogenannter Versuchswald. Hier wird gezeigt, wie sich unterschiedliche Baumarten entwickeln. (zu dpa «Ein Versuchswald zeigt, wie der Klimawandel wirkt») Foto: Matthias Bein/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Der Klimawandel macht den Wäldern im Land zu schaffen. Bäume sterben ab, es stellt sich die Frage, wie die Wälder der Zukunft aussehen sollen. Im Öko-Kamp bei Hasselfelde gibt es Antworten. Dort hat Revierförster Werner Gutbier vor 30 Jahren einen kleinen Versuchswald angelegt.
(dpa)

Sattes Grün, eine frische Brise, aufgeregtes Vogelgezwitscher. Wenn Werner Gutbier das Tor zu seinem Öko-Kamp aufschließt, betritt er ein kleines Paradies. Unter den schattigen Bäumen bleibt die Hitze des Sommers erträglich. Gutbier war einst Revierförster in Hasselfelde. Vor 30 Jahren war an der Stelle, wo heute der Öko-Kamp Tännichen ist, eine Wiese. Der heute 84-jährige hatte zuvor in anderen Revieren als Förster gearbeitet und fand in seinem neuen Harzrevier vor allem Fichten und wenige Buchen vor.

„Ich wollte sehen, ob unter den Bedingungen auch etwas anderes wächst“, erinnert er sich an den Beginn des Öko-Kamps. Öko steht dabei sowohl für Ökologie als auch für Ökonomie, denn für den Förster war der Wald immer auch ein Ort der Holzgewinnung. Kamp bezeichnet ein Areal, auf dem Förster Bäume ziehen. Anfang der 1990er-Jahre pflanzte Gutbier zusammen mit seinen Mitarbeitern die ersten Setzlinge. Fichten, Kiefern, Buchen. Aber auch exotische Arten wie Kaukasus-Fichte oder Korea-Tanne. 80 Baum- und 20 Straucharten brachten Gutbier und seine Mitarbeiter auf die Wiese bei Hasselfelde im Harz.

Dürre setzt besonders den Hauptbaumarten zu

30 Jahre später haben sich einige Reihen gelichtet. Der typische Harzbaum, die Fichte, ist komplett verschwunden. Mit ihm elf weitere Baumarten, darunter die Kiefer und etliche Tannen. Trockenheit und Borkenkäfer haben ihnen zu schaffen gemacht. „Die Bäume sind alle abgestorben“, berichtet Gutbier.

In Sachsen-Anhalts Wäldern liegen die Extremwetterschäden nach Angaben des Forstministeriums weiterhin auf hohem Niveau. Allein im ersten Halbjahr dieses Jahres sind auf 2200 Hektar neue Blößen, also baumfreie Stellen, entstanden, wie eine Sprecherin auf Anfrage mitteilte. 1,5 Millionen Festmeter Holz wurden geschlagen. Am stärksten betroffen sind der Harz beziehungsweise das Hügelland und das östliche Sachsen-Anhalt mit seinen sandigen Böden. Für das Baumsterben sind vor allem Dürre-, Insekten- und Pilzschäden verantwortlich. Betroffen ist nicht nur die Fichte als typischer Flachwurzler, sondern alle Hauptbaumarten.

Andere Bäume kommen wesentlich besser klar. Der Mammutbaum etwa. Gewaltig wächst er in den Himmel. „Wir haben mehrere Mammutbäume hier“, sagt Gutbier. „Der Mammutbaum trotzt dem Wind, der Trockenheit und dem Borkenkäfer.“ Wie die Küstentanne stammt der Mammutbaum aus Nordamerika. Beide Arten kommen mit den neuen Bedingungen gut zurecht. „Die Küstentanne wächst schnell. Sie ist der dickste Baum hier und damit auch für die Wirtschaft interessant.“

Welche Baumarten dem Klimawandel trotzen

Sollten die Forstarbeiter künftig also Küstentannen anbauen? Die Sache hat einen Haken: Junge Küstentannen sind ein Leckerbissen für Rot- und Rehwild. Die Bäume müssen eingezäunt werden, und dieser Aufwand kann angesichts der dünnen Personaldecke in den Forstbetrieben kaum geleistet werden.

04.08.2022, Sachsen-Anhalt, Hasselfelde: Eine europäische Lärche wächst im Öko-Kamp in Hasselfelde. Das Freiluftlabor Öko-Kamp am Tännichen ist ein sogenannter Versuchswald. Hier wird gezeigt, wie sich unterschiedliche Baumarten entwickeln. (zu dpa «Ein Versuchswald zeigt, wie der Klimawandel wirkt») Foto: Matthias Bein/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Eine europäische Lärche wächst im Öko-Kamp in Hasselfelde. Sie gehört zu jenen Baumarten, die mit Klimawandel gut zurecht kommen
(Matthias Bein/dpa)

Ein anderer Baum hat Gutbier überrascht. Vögel haben ihn wohl mitgebracht. „Das ist die Aspe, Espe oder Zitterpappel“, sagt der Forstmann. „Auch sie ist gut gewachsen, verjüngt sich schnell, kommt gut mit den Nährstoffen im Boden klar und kein Sturm, kein Borkenkäfer können ihr etwas anhaben.“ Bislang baue man die Aspe im Ostharz nicht an. „Das sollten wir in Zukunft ändern“, sagt Gutbier und verweist auf entsprechende Aktivitäten im Westharz.

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Gefragt nach den Baumarten, die mit den neuen klimatischen Bedingungen gut zurechtkommen, zählt Gutbier einige heimische Arten auf: Europäische Lärche, Bergahorn, Rotbuche. Von den fremden Arten schwört der Vater des Öko-Kamps vor allem auf Küstentanne und Mammutbaum.

„Die Zeit der Monokulturen ist vorbei.“

Seine Erfahrungen im Öko-Kamp hat Gutbier genau dokumentiert. Der kürzlich verstorbene Forstwissenschaftler Horst Kurth begleitete das Projekt wissenschaftlich. Dessen Enkel Clemens Kurth arbeitete als Student an der Dokumentation mit. Heute ist er selbst Revierförster in Niedersachsen und denkt gern an die Arbeit vor gut 15 Jahren zurück. „Sicher hat der Öko-Kamp nicht denselben wissenschaftlichen Wert wie eine Dauerversuchsfläche“, schätzt er ein. „Das Potenzial wäre zweifellos da; man könnte viele Erkenntnisse gewinnen.“ Dafür müsste die wissenschaftliche Begleitung fortgesetzt werden.

Kurth sähe gern, dass sich junge Forstwissenschaftler mit dem Öko-Kamp befassen, vielleicht im Rahmen einer Masterarbeit. Er selbst erinnert sich, mit welcher Begeisterung sein Großvater und Werner Gutbier beobachteten und dokumentierten, was in dem grünen Areal passiert.

Leider wurde der Öko-Kamp Kurth zufolge nach der Dokumentation 2006 recht stiefmütterlich behandelt. „Das ist bitter und tut weh“, findet er, will aber seinen sachsen-anhaltischen Kollegen keine Vorwürfe machen: „Wenn ich sehe, welche riesigen Reviere die Förster in Sachsen-Anhalt mit wie wenigen Arbeitskräften betreuen müssen, beneide ich sie wirklich nicht. Der Kamp ist ein Nice to have, aber kein Muss. Die Kapazitäten sind einfach nicht da.“ Eines könne man am Öko-Kamp aber seiner Ansicht nach gut ablesen: „Die Zeit der Monokulturen ist vorbei.“

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