Gefährdetes Weltkulturerbe: Mauretanische Stadt versinkt im Sand | Weather.com
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Gefährdetes Weltkulturerbe: Mauretanische Stadt versinkt im Sand

Gefährdetes Weltkulturerbe: Mauretanische Stadt versinkt im SandGefährdetes Weltkulturerbe: Mauretanische Stadt versinkt im Sand

A hut is surrounded by sand in Chinguetti, Mauritania on Feb. 4, 2025. (AP Photo/Khaled Moulay)
Ein Teufelskreis: Durch globale Erwärmung und Trockenheit gibt es mehr Sandstürme, die Wanderdünen bilden, welche die westmauretanische Stadt Chinguetti auffressen.
(AP Photo/Khaled Moulay)

Seit Jahrzehnten zieht es Dichter, Gelehrte und Theologen nach Chinguetti. Denn der historische Handelsposten in Mauretanien beherbergt mehr als ein Dutzend Bibliotheken mit Tausenden Manuskripten. Doch nun droht das einstige Zentrum mehrerer durch die Sahara verlaufender Handelsrouten vom Wüstensand verschluckt zu werden. Flugsand bedeckt seit langem den Kern der Stadt aus dem achten Jahrhundert und weitet sich nun auf Wohngebiete am Rand aus.

Wanderdünen begraben Häuser

Angesichts der globalen Erwärmung und zunehmender Trockenheit werden Sandstürme häufiger. Sie befördern Wanderdünen auf die Straßen von Chinguetti und in die Häuser der Menschen, die zum Teil komplett begraben werden. Baumpflanz-Projekte sollen den Sand fernhalten, konnten den Trend aber bislang nicht umkehren.

In Mauretanien ist kaum Landwirtschaft möglich

Chinguetti ist eine von vier Unesco-Welterbestätten im westafrikanischen Mauretanien, dessen Land nur zu 0,5 Prozent als landwirtschaftlich nutzbar gilt. In Afrika - dem Kontinent, der am wenigsten zu den Emissionen aus fossilen Brennstoffen weltweit beiträgt – sind laut Weltbank lediglich Somalia und Eswatini noch stärker als Mauretanien den Folgen des Klimawandels ausgesetzt.

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Für die Menschen in Mauretanien gehört Chinguetti zu den heiligsten Städten des Islams. In den Stein- und Lehmhäusern, Moscheen und Bibliotheken dort lagern einige der ältesten Korantexte und Manuskripte Westafrikas, die sich mit Themen von Recht bis Mathematik beschäftigen.

Naturkatastrophe in Zeitlupe

Gemeindevorsteher Melainine Med El Wely sorgt sich um die Zukunft der Oase von Chinguetti. Es sei, wie eine Naturkatastrophe in Zeitlupe zu sehen, sagt er: "Die Stadt ist von einem Meer aus Sand umgeben, das von Minute zu Minute näher rückt. Ich erinnere mich, dass an manchen Stellen, an denen ich heute entlanggehe, in meiner Kindheit noch die Dächer von Häusern waren." Einmal sei ein Kamel durch ein sandbedecktes Dach eingebrochen und in ein ehemaliges Wohnzimmer gestürzt. "Wir sind überzeugt, dass die Wüstenbildung unser Schicksal ist", sagt El Wely. "Doch zum Glück gibt es noch Leute, die glauben, dass man sich dagegen wehren kann."

S​andwanderung spielt wichtige Rolle für die Wüstenbildung

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Wissenschaftlichen Studien zufolge spielt die Wanderung von Sand eine wichtige Rolle für die Wüstenbildung. Wüsten wie die Sahara dehnen sich in nie dagewesenem Tempo aus, und Wanderdünen verwandeln Vegetationslandschaften in "Sandmeere". Was die Wissenschaft noch vor fünf bis zehn Jahren für das schlimmste Szenario gehalten habe, erscheine heute deutlich wahrscheinlicher, sagt der Geowissenschaftler Andreas Baas vom Londoner King's College.

W​üstenbildung fördert Zwangsmigration

Mehr als drei Viertel der Erdoberfläche sind in den vergangenen Jahrzehnten trockener geworden, wie aus einem Bericht der Vereinten Nationen zur Wüstenbildung aus dem vergangenen Jahr hervorgeht. Die Trockenheit gefährdet die Überlebensfähigkeit von Pflanzen, Menschen und Tieren. Sie raubt Böden wichtige Feuchtigkeit, vernichtet Ernten und kann Sandstürme und Waldbrände verursachen. "Der menschengemachte Klimawandel ist der Verursacher; er ist bekannt dafür, den Planeten zu erwärmen und trocknet auch mehr und mehr Land aus", heißt es in dem UN-Bericht. "Trockenheitsbedingte Wasserknappheit verursacht Krankheit und Tod und führt weltweit zu massiver Zwangsmigration."

B​öden veröden in einst fruchtbaren Regionen

Forschende und politische Entscheidungsträger sorgen sich vor allem um verödende Böden in einst fruchtbaren Regionen und weniger um Gebiete tief in der Sahara. Dennoch zeigen sich an Orten wie Chinguetti viele Folgen des Klimawandels, vor denen Fachleute gewarnt haben: Bäume verdorren, Brunnen trocknen aus und Lebensgrundlagen gehen verloren.

Dattelbauern wie der 50-jährige Salima Ould Salem haben immer mehr Schwierigkeiten, ihre Palmen zu bewässern. Die Familien aus seiner Nachbarschaft sind nach und nach weggezogen. Sand blockiert den Eingang zu seinem Haus und hat einige umliegende Häuser ganz unter sich begraben. Verlassen will Salem Chinguetti dennoch nicht. "Wir bleiben lieber hier", sagt er. "Wenn ich gehe, wird mein Haus verschwinden."

S​and wird per Handarbeit abtransportiert

Früher hatten Akazien, Gummibäume und Palmen die Nachbarschaft vor Wanderdünen geschützt, doch sie sind sukzessive verwelkt oder gefällt worden. Bewohnerinnen und Bewohner transportieren den Sand heute mit Maultieren und Karren ab, da die Straßen der Altstadt zu eng sind für Autos oder Bulldozer. Wenn sich der Sand hoch genug auftürmt, bauen manche neue Mauern auf bestehende Häuser.

2​5 Liter Regen im ganzen Jahr

Der pensionierte Lehrer Mohamed Lemine Bahane zeichnet seit Jahren die Sand- und Regenmengen in Chinguetti auf. In den vergangenen zehn Jahren seien jährlich im Durchschnitt nur 25 Liter Regen pro Quadratmeter gefallen, sagt er. Der beste Schutz gegen die Sandmassen wäre es seiner Ansicht nach, in den Wohnvierteln und rund um die Stadt mehr Bäume zu pflanzen. Solche "grünen Gürtel" sind für ganz Afrika als "Große Grüne Mauer" sowie auch auf lokaler Ebene in Orten wie Chinguetti angeregt worden.

Die mauretanischen Ministerien für Umwelt und für Landwirtschaft sowie europäisch finanzierte Nichtregierungsorganisationen lancierten Baumpflanz-Projekte, um die Bibliotheken und Manuskripte der Stadt vor dem Wüstensand zu schützen. Trotz einiger Neubepflanzungen gibt es aber bislang kaum Anzeichen für Erfolge. Bis die Wurzeln tief genug in die Erde wachsen, um an das Grundwasser zu gelangen, kann es Jahre dauern.

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