Indien: Smartwatch soll Hitze-Hilfe erleichtern | Weather.com
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Mit der Smartwatch gegen die Hitze: Studie testet neuen Ansatz in Indien

Arme Regionen sind von der Erderwärmung besonders stark betroffen. Ein globales Forschungsprojekt soll den Menschen nun ermöglichen, mit den steigenden Temperaturen besser zurechtzukommen.

2. April 2025: Ein Mann trägt reflektierende Farbe auf das Dach eines Hauses in Ahmedabad, Indien, auf, um die Hitze im Haus zu reduzieren (AP Photo/Ajit Solanki)
2. April 2025: Ein Mann trägt reflektierende Farbe auf das Dach eines Hauses in Ahmedabad, Indien, auf, um die Hitze im Haus zu reduzieren
(AP Photo/Ajit Solanki)

Es ist kurz nach zehn Uhr am Vormittag, und am Rand der westindischen Stadt Ahmedabad herrscht schon glühende Hitze. Sapnaben Chunara hat gerade ihre morgendlichen Aufgaben erledigt und ruht sich im Schatten eines Baums aus. Die 30-jährige Mutter von drei Kindern verbringt den Großteil des Tages im Freien. Denn in ihrem Haus mit Blechdach im armen Viertel Vanzara Vas, in dem etwa 800 Familien leben, ist es noch heißer als draußen.

Früher waren Temperaturen über 40 Grad in der Region die Ausnahme. Heute dagegen wird es regelmäßig so heiß. In diesem Jahr begann die Hitzeperiode zudem drei Wochen eher als in früheren Jahren. Schon Anfang April wurden 43 Grad gemessen. "Manchmal wird es so heiß, dass ich nicht klar denken kann", sagt Chunara. Sie trägt am Handgelenk eine schwarze Smartwatch, die sich auffällig von ihrem farbenfrohen Schmuck und Sari abhebt.

Kühldächer auf dem Prüfstand

Chunara ist eine von 204 Bewohnerinnen und Bewohnern von Vanzara Vas, die für eine einjährige Studie mit den Smartwatches ausgestattet wurden. Die Untersuchung befasst sich mit den Auswirkungen von Hitze auf anfällige Gemeinden weltweit. Die Uhren messen die Herzfrequenz und überwachen den Schlaf. Zudem wird bei den Teilnehmenden einmal pro Woche der Blutdruck überprüft.

Einige Hausdächer wurden mit reflektierender Farbe gestrichen, um die Innentemperaturen zu senken. Die Ergebnisse sollen mit denen in Häusern ohne diese sogenannten Kühldächer verglichen werden. In Kombination mit den Smartwatches wollen die Forschenden so Erkenntnisse darüber gewinnen, wie sehr Kühldächer einkommensschwachen Haushalten in der Sommerhitze helfen. Sollte sich die Maßnahme als erfolgreich erweisen, könnten alle Dächer in Ahmedabad gestrichen werden – und womöglich in vielen weiteren Regionen der Welt.

Viele Hitzetote in Ahmedabad

Chunara, deren Haus kein Kühldach erhalten hat, ist nach eigenen Worten froh, mit dem Tragen der Uhr teilnehmen zu können. Sie ist zuversichtlich, dass von den Ergebnissen auch ihre Familie profitieren wird. "Vielleicht streichen sie mein Dach dann auch, und vielleicht können sie etwas tun, dass uns allen in diesem Gebiet hilft, besser mit der Hitze zurechtzukommen", sagt sie.

2. April 2025: Felddatenerfasserin Manisha Parmar, links, überprüft die Temperatur von Shantaben Vanzara in Ahmedabad, Indien (AP Photo/Ajit Solanki)
2. April 2025: Felddatenerfasserin Manisha Parmar, links, überprüft die Temperatur von Shantaben Vanzara in Ahmedabad, Indien
(AP Photo/Ajit Solanki)

Städte wie Ahmedabad haben zwar schon immer heiße Sommer erlebt. Aber nun nähern sie sich einem Schwellenwert, bei dem schon ein Aufenthalt im Freien von wenigen Stunden fatal sein kann. Im Sommer 2010 starben in der Stadt über 1.300 Menschen mehr als statistisch zu erwarten gewesen wäre – die meisten von ihnen laut Experten wahrscheinlich wegen der Hitze.

"Das ist sehr besorgniserregend"

Die vor allem durch die Verbrennung fossiler Treibstoffe verursachte Erderwärmung bedeutet für bereits heiße Regionen eine weitere Verschlimmerung. Einer Studie aus dem Jahr 2023 zufolge würde sich bei einem anhaltenden globalen Temperaturanstieg von knapp unter zwei Grad die Zahl der Hitzetoten weltweit um schätzungsweise 370 Prozent erhöhen. Die meisten Fälle sind in Süd- und Südostasien sowie in Afrika zu erwarten.

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"Das ist sehr besorgniserregend, und es zeigt auch die Hitze-Kluft" zwischen Arm und Reich, sagt der Klimaexperte Abhiyant Tiwari von der Umweltschutzorganisation NRDC India, der an den Forschungen in Ahmedabad beteiligt ist.

Zwei Jahre infolge mit Hitzerekorden

Nach der Tragödie von 2010 entwickelten die städtischen Behörden mit Hilfe von Gesundheits- und Klimaexperten einen Aktionsplan. Dieser soll dafür sorgen, dass die Bevölkerung rechtzeitig vor gefährlich hohen Temperaturen gewarnt wird und sich die Krankenhäuser auf entsprechende Fälle vorbereiten können. Der Plan wurde für ganz Indien und andere Teil Südasiens übernommen.

Die vergangenen zwei Jahren waren die weltweit heißesten überhaupt. Forschende hoffen, mit ihrer Arbeit zu einem besseren Schutz für die Hauptleidtragenden beitragen zu können.

"Klimawandel und Hitze machen den Menschen zu schaffen"

Die Studie in Ahmedabad ist Teil eines globalen Forschungsprojekts in armen, besonders anfälligen Vierteln in vier Städten weltweit. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler messen die Auswirkungen heißer Temperaturen über Smartwatches und andere Geräte auch im westafrikanischen Burkina Faso, auf der pazifischen Insel Niue bei Neuseeland sowie in der Sonara-Wüste in Mexiko.

Mehr als 1,1 Milliarden Menschen – etwa ein Achtel der Weltbevölkerung – leben in informellen Siedlungen und Armenvierteln, die besonders gefährdet sind, wie Projektleiterin Aditi Bunker sagt. Die Expertin für Umweltgesundheit forscht an der University von Auckland in Neuseeland sowie an der Universität Heidelberg. "Klimawandel und Hitze machen den Menschen zu schaffen. Und jetzt lautet die Frage: Was tun wir dagegen?", sagt sie mit Blick auf das Ziel der Studie.

Wenigstens ein paar Stunden schlafen

In Vanzara Vas nehmen Bewohnerinnen wie Chunara und ihre Nachbarin Shantaben Vanzara jede Hilfe dankbar an. Die Hitze habe ihre Diabetes-Erkrankung verschlimmert, sagt Vanzara. Doch die Studie habe ihrer Familie bereits Erleichterung verschafft.

Seit das Dach gestrichen wurde, könnten sie nachts wenigstens ein paar Stunden schlafen. Früher seien die Temperaturen berechenbar gewesen, sagt Chunara: "Jetzt wissen wir nicht, was wann passieren wird. Das Einzige, was wir sicher wissen, ist, dass die Hitze jedes Jahr schlimmer wird."

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