Klimawandel: Welche Tiere bedroht sind – und welche sich anpassen | Weather.com
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Welche Tiere durch den Klimawandel bedroht sind – und welche sich anpassen

Vor allem spezialisierte und kälteangepasste Tierarten geraten in Deutschland unter Druck. Doch es gibt Möglichkeiten, ihre Vielfalt zu bewahren.

Artenschutz in Not: Der Klimawandel stellt Flora und Fauna vor große Herausforderungen.
Artenschutz in Not: Der Klimawandel stellt Flora und Fauna vor große Herausforderungen.
(GettyImages)

Der Klimawandel beeinflusst nicht nur das Wetter, sondern verändert auch die Tierwelt in Deutschland. „Dabei wirkt er sich sowohl direkt als auch indirekt auf Tierarten aus“, sagt Dr. Andreas Krüß, Ökologe und Abteilungsleiter beim Bundesamt für Naturschutz (BfN). Direkte Folgen entstehen laut Krüß durch steigende Temperaturen, häufigere Trockenperioden und zunehmend extreme Wetterlagen.

Indirekte Auswirkungen ergeben sich etwa durch Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen, wie den Ausbau von Windkraftanlagen, der Vögel und Fledermäuse gefährden kann oder die Nutzung von Grünland für den Ausbau der Photovoltaik mit Auswirkungen auf Flora und Fauna.

Strategien im Umgang mit dem Klimawandel

Wie Tiere auf den Klimawandel reagieren, hänge stark von ihren Eigenschaften ab. Grundsätzlich lassen sich laut Krüß zwei Reaktionsmuster unterscheiden:

  1. Anpassung im bestehenden Lebensraum: Tiere verändern ihr Verhalten, ihre Fortpflanzung oder entwickeln über Generationen hinweg genetische Anpassungen. Insbesondere Arten, die nicht sehr schnell dem Klimawandel folgen und sich geeignetere Lebensräume suchen können, müssen die Möglichkeiten im vorhandenen Lebensraum nutzen – durch Anpassung an höhere Temperaturen und größere Trockenheit, die Nutzung geeigneter kleiner Refugien innerhalb der größeren Lebensräume oder frühere Brutzeiten.
  2. Räumliches Ausweichen: Arten ziehen oder wandern – wenn möglich – in kühlere oder feuchtere Gebiete. Der Alpensalamander etwa besiedelt zunehmend höhere und damit kühlere Lagen. Auch die Fledermausart Großer Abendsegler hat ihren Überwinterungsort weiter in den Norden verlagert.

Wenn Anpassung oder Ausweichen nicht oder nicht mehr möglich sind, kann es sehr schnell zu einem Rückgang oder Aussterben kommen. Ein Beispiel ist die Moosjungfer, eine Libellenart, die auf kühle, feuchte Moorlandschaften angewiesen ist – und deren Lebensraum und damit auch Population drastisch geschrumpft ist.

Entscheidende Grundlage für den Fortbestand einer Art sei ihre genetische Vielfalt, betont Krüß: „Bei einem großen Genpool steigen die Chancen, dass ausreichend viele Individuen mit Klimaveränderungen besser zurechtkommen als andere und so den Fortbestand ihrer Art sichern können.“ Verkleinere sich die Population, sinke auch ihre genetische Vielfalt und damit die Möglichkeit der Anpassung – ein Teufelskreis.

Welche Tiere besonders gefährdet sind – und welche profitieren

Aktuell besonders bedroht sind laut Krüß Gebirgs- und Kältearten wie das Alpenschneehuhn, feuchtigkeitsliebende Amphibien wie die Gelbbauchunke sowie Langstreckenzieher wie der Trauerschnäpper, deren Zugverhalten kaum flexibel ist.

„Vor allem Arten mit hohen und sehr spezifischen Ansprüchen an ihren Lebensraum – sogenannte Spezialisten – sind stärker bedroht als Generalisten wie die Wanderratte, die weltweit in unterschiedlichsten Lebensräumen zurechtkommt“, erklärt er. Mobile Arten seien zudem im Vorteil gegenüber sessilen, also ortsgebundenen, Arten.

Klimawandel führt zu Entkoppelung von Lebensrhythmen

„Eine große Herausforderung für heimische Tierarten ist zudem die klimawandelbedingte Entkopplung von Lebensrhythmen“, sagt Krüß. Wenn sich etwa Insekten aufgrund früherer Frühlingstemperaturen früher entwickeln, Langstreckenzieher bei den Zugvögeln aber später aus dem Winterquartier zurückkehren, fehle zur Brutzeit die notwendige Nahrung für ihre Jungen. Andere Vogelarten, die gar nicht mehr ziehen oder früher zurückkehren, können hingegen von diesem frühen Angebot profitieren. Andersherum entstehe ein Problem, wenn Zugvögel wegen früher einsetzender Hitze und Dürre in den Winterquartieren früher aus diesen wieder gen Norden ziehen, hier aber mit plötzlichen Wintereinbrüchen oder Wetterextremen konfrontiert werden.

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Tiere mit enger Bindung an bestimmte Pflanzen seien ebenso betroffen: „So verschieben sich die Vegetationsperioden nicht immer synchron mit der Phänologie der auf die Pflanzen angewiesen Tierarten. Das ist zum Beispiel beim Tagpfauenauge der Fall“, so Krüß, Diese Schmertterlingsart erwache inzwischen häufig früher als sonst aus seiner Winterstarre. Es fehle ihm dann an Nahrung und Wirtspflanzen, um seine Eier abzulegen. Passen Arten zeitlich oder räumlich nicht mehr zusammenpassen gerate das ökologische Zusammenspiel zunehmend aus dem Gleichgewicht.

Warum natürliche Anpassung heute schwerer ist

Mit dem Klimawandel breiten sich zunehmend wärmeliebende Arten aus südlicheren Regionen auch in Deutschland aus – etwa die Gottesanbeterin. „Wanderbewegungen und klimatische Anpassung der Arten hat es immer schon gegeben, das ist natürliche Anpassung“, erklärt Krüß. „Aber früher fand dieser Prozess über sehr lange Zeiträume statt – und zu einer Zeit, in der die Landschaft noch viel mehr naturnahe und natürliche Lebensräume vorzuweisen hatte.“

Heute dagegen seien viele Lebensräume stark zerschnitten. Das mache es vor allem wenig mobilen Arten schwer, neue geeignete Gebiete zu erreichen. „Es gibt zwar immer noch ausreichend gute Schutzgebiete, die „Juwelen des Naturschutzes“, aber der Druck auf diese Flächen sowie die Einträge von außen werde immer größer und zwischen den Schutzgebieten würden intensiv genutzte Agrarflächen, für viele Arten ein unüberwindbares Hindernis darstellen. „Es fehlt eine gute Vernetzung der Schutzgebiete“, sagt Krüß.

Neue Arten setzen heimische unter Druck

Und noch etwas sei heute anders: Über den globalen Handel gelangten auch gebietsfremde und mitunter invasive Arten hierher, die heimische Tiere verdrängen könnten – durch Konkurrenz, Hybridisierung oder die Veränderung ganzer Lebensgemeinschaften. „Anspruchslose Arten können sich schnell anpassen und ausbreiten“, warnt Krüß. Das erhöhe den Druck auf spezialisierte Arten zusätzlich.

Gleichzeitig verändere sich das Artenspektrum insgesamt. „Im globalen Rahmen sehen wir eine zunehmende Homogenisierung der Arten“, so Krüß. Das Problem: Wenn spezialisierte Arten verdrängt werden, gehe wertvolle Biodiversität verloren. „Die Natur wird gleichförmiger.“

Fünf Maßnahmen, die bedrohten Arten helfen

Der Ökologe stellt klar: Ohne Gegenmaßnahmen drohe für bis zu 15 Prozent der heimischen Arten ein starker Rückgang, oder gar ihr Verschwinden. Die Folge sei ein Verlust an ökologischer Stabilität. „Denn Vielfalt ist die Versicherung der Ökosysteme“, sagt Krüß.

Das betreffe auch Menschen hierzulande: „Wir sind abhängig von den Serviceleistungen der Natur – etwa der Bestäubung durch Insekten“, betont er. Jede Art erfülle eine wichtige Funktion im Ökosystem und verdiene Schutz. Für den Erhalt der biologischen Vielfalt braucht es daher laut Krüß konkrete Maßnahmen:

  1. Erhalt und Pflege naturnaher Lebensräume
  2. Schaffung von Biotopverbundsystemen, etwa durch Hecken oder Gewässernetze
  3. Rückbau von Barrieren für wandernde Arten
  4. Reduktion des Pestizideinsatzes und Förderung ökologischer Landwirtschaft
  5. Wiederherstellung von Mooren und Flussauen

„Mit jeder Art, die wir verlieren, verlieren wir ein Stück Resilienz und Zukunftsfähigkeit unserer Umwelt“, so sein abschließender Appell.

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