Atmosphären-Gedächtnis steuert Monsun | Weather.com
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Atmosphärisches Gedächtnis: Forscher entdecken Mechanismus für Monsunregen

Der Monsun folgt nicht nur der Sonne: Die Atmosphäre kann Feuchtigkeit speichern – und so den Regen ein- oder ausschalten. Dieses verborgene Gedächtnis ist fragil und betrifft das Leben von Milliarden Menschen.

Die Atmosphäre hat ein physikalisches Erinnerungsvermögen, was den Monsunregen im Frühjahr einschaltet und im Herbst wieder aus. Das haben Forschende der Potsdam Institut für Klimaforschung herausgefunden.
Die Atmosphäre hat ein physikalisches Erinnerungsvermögen, was den Monsunregen im Frühjahr einschaltet und im Herbst wieder aus. Das haben Forschende der Potsdam Institut für Klimaforschung herausgefunden.

In Indien, Bangladesch, China, Indonesien, Ostafrika und dem brasilianischen Amazonasgebiet bestimmt der Monsun über Leben und Ernte. Milliarden Menschen sind auf den verlässlichen Rhythmus des Regens angewiesen – er bringt Wasser für Felder, Strom für Haushalte und Stabilität für ganze Volkswirtschaften. Doch wovon wird dieser Rhythmus gesteuert?

Eine neue Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) zeigt: Die Atmosphäre kann ein Gedächtnis ausbilden. Sie speichert Feuchtigkeit über Wochen hinweg – und entscheidet darüber, ob Regen fällt oder nicht.

Der Schalter im Himmel

Bisher gingen Klimamodelle davon aus, dass der Monsun dem Lauf der Sonne folgt: Je mehr Energie auf die Erdoberfläche trifft, desto wahrscheinlicher wird Regen. Doch diese Kausalität greift zu kurz. „Die Atmosphäre kann sich an vorherige Zustände erinnern“, sagt Anja Katzenberger, Atmosphärenphysikerin am PIK und Hauptautorin der Studie, die kürzlich in der Fachzeitschrift PNAS veröffentlicht wurde. „Sie sammelt Wasserdampf – und dieses unsichtbare Reservoir bestimmt, wann der Monsun beginnt.“

Im Frühjahr, nach langen Trockenzeiten, muss sich die Atmosphäre erst aufladen. Das dauert Tage, manchmal Wochen. Ist genug Feuchtigkeit gespeichert, kippt das System – und der Regen setzt plötzlich ein. Im Herbst funktioniert das Prinzip umgekehrt: Die Luft ist noch gesättigt vom Sommer, also bleibt der Regen, auch wenn die Sonnenkraft bereits nachlässt.

Komplexes Phänomen Bistabilität

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Diese sogenannte Bistabilität ist das zentrale Ergebnis der Studie. Die Atmosphäre kann bei gleichen äußeren Bedingungen zwei völlig verschiedene Zustände einnehmen – je nachdem, wie ihre „Vorgeschichte“ aussieht. Das erklärt, warum der Monsun mitunter überraschend früh oder auffallend spät kommt, obwohl sich Sonnenstand und Temperatur kaum verändert haben.

Für ihre Analyse nutzten die Forschenden eine Kombination aus Langzeitdaten aus Indien, China und anderen Monsunregionen sowie ein dreidimensionales Klimamodell, das an der Princeton University entwickelt wurde. In einem virtuellen „Monsunplaneten“ trennten sie gezielt atmosphärische Prozesse von anderen Einflussfaktoren wie Ozeanströmen. Die Simulationen zeigten: Sobald der Wasserdampfgehalt in der Atmosphäre über etwa 35 Kilogramm pro Quadratmeter steigt, setzt der Monsun ein. Fällt er darunter, endet er – abrupt.

Chance auf ein Frühwarnsystem

Diese Entdeckung bringt nicht nur ein besseres Verständnis des Monsuns, sondern auch einen möglichen Weg zur Vorhersage. „Der Monsun überschreitet jedes Jahr seinen Kipppunkt – und kehrt dann zurück“, sagt Anders Levermann, Koautor der Studie und Leiter der Komplexitätsforschung am PIK. „Wenn wir diese Schwelle zuverlässig messen können, ließe sich daraus ein Frühwarnsystem entwickeln.“

Doch der innere Rhythmus ist empfindlich. Luftverschmutzung, veränderte Landnutzung oder die globale Erwärmung könnten das Gleichgewicht stören. Und wenn das Monsunsystem aus dem Takt gerät, trifft das nicht nur Asien oder Südamerika – es hat Auswirkungen auf das globale Klima und auf Gesellschaften weltweit.

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