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Sie fliegen ohne Flügel: Wie Forscher den Spinnenflug im Weltall nutzen können

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Wenn im Ozean durch vulkanische Aktivität Inseln entstehen, dann sind Spinnen häufig unter den ersten Spezies, die sich auf dem neu entstandenen Land ansiedeln. Die abgelegenen und in allen Richtungen von Wasser umgebenen Orte erreichen die achtbeinigen Tiere mithilfe des Windes: Aus ihrem Hinterleib können sie bei geeigneten Windverhältnissen eine Vielzahl feinster Spinnfäden gleichzeitig in die Höhe schleudern, die aufgefächert wie ein dreieckiges Segel wirken.

Dieses trägt die Tiere davon und erlaubt es ihnen, Entfernungen von einigen hundert Kilometern zu überbrücken und dabei Flughöhen von mehreren tausend Metern zu erreichen. Auch mehrere in Deutschland heimische Spinnenarten können sich auf diese Weise in die Lüfte erheben, darunter Krabbenspinnen (Thomisidae), Baldachinspinnen (Linyphiidae), Wolfsspinnen (Lycosidae) und junge Radnetzspinnen (Araneidae).

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Passiver Flug dient dem Überleben

Der Aerodynamiker Moonsung Cho forscht an der Universität Rostock zur Fortbewegung von Tieren. Er sagt: Spinnen nutzen den passiven Flug aus unterschiedlichen Gründen, die unter anderem von ihrem Entwicklungsstadium abhängen. „Unmittelbar nach dem Schlüpfen herrscht beispielsweise eine große Konkurrenz um Nahrung – bei zahlreichen Jungtieren auf engem Raum kann es sogar zu Kannibalismus kommen“, erläutert Cho.

Um ihre Chancen auf das Überleben zu erhöhen, sind die Tiere demnach auf eine schnelle räumliche Ausbreitung angewiesen. Erwachsene Spinnen nutzen ihr Flugvermögen Cho zufolge beispielsweise, um neue Kolonien zu gründen oder neue Jagdreviere zu erschließen. „In all diesen Fällen ist das gezielte Nutzen von Luftströmen eine sehr effiziente Methode zur Fortbewegung“, sagt der Forscher.

Spinnen prüfen Windgeschwindigkeit

Für Moonsung Cho ist der passive Flug eine hoch entwickelte Verhaltensweise der Spinnen. Er hat unter anderem das Flugverhalten von Krabbenspinnen erforscht und beobachtet, dass die Tiere vor dem Abheben mithilfe ihrer Vorderbeine zunächst die Windgeschwindigkeit überprüfen.

Ergänzende Messungen in einem Windtunnel im Labor zeigten, dass Spinnen in der Regel nur dann abheben, wenn die Windgeschwindigkeit weniger als drei Meter pro Sekunde beträgt.

Tiptoe- und Rafting-Takeoff

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Beim Abheben nutzen die Tiere den Erkenntnissen zufolge zwei verschiedene Techniken: Beim sogenannten Tiptoe-Takeoff tippeln sie auf den Spitzen ihrer Beine an eine erhöht gelegene Stelle, richten den Hinterleib nach der Windrichtung aus, schießen ihre Fäden in den Himmel und heben ab. Beim Rafting-Takeoff seilen sie sich zunächst an einem dicken Faden ab und schießen zusätzliche Fäden aus einer hängenden Position heraus in den Wind.

Feine Fäden für eine bessere Effizienz beim Flug

Cho und seine Kollegen fanden außerdem heraus, dass die Krabbenspinnen ihre „Segel“ nicht aus stabilen Sicherheitsfäden konstruieren, sondern aus deutlich feinerer Spinnenseide, die beispielsweise auch beim Einwickeln von Beutetieren zum Einsatz kommt. Aus dieser Seide erzeugen die Tiere demnach pro Flug zwischen 50 und 60 einzelne Fäden mit einem mittleren Durchmesser von etwa 200 Nanometern.

Das sorgt beim Flug für eine bessere Effizienz, sagt Cho: „Für ein Maximum an aerodynamischer Kraft sind 50 bis 60 feine Fäden deutlich vorteilhafter als ein bis zwei dickere Sicherheitsfäden mit Stärken zwischen einem und zehn Mikrometern.“

Forscher sehen großes Potenzial in künstlicher Spinnenseide

Chos Erkenntnisse dürften unter anderem in der Industrie mit großem Interesse verfolgt werden. Denn im Einsatz künstlicher Spinnenseide sehen Forscher ein großes Potenzial. Neben der Biomedizin – etwa im Bereich der Wundabdeckung oder bei der Herstellung künstlicher Sehnen – gelten auch die Bereiche Kosmetik, und Textilherstellung als vielversprechende Einsatzfelder.

„Das Rohmaterial für Spinnenseide ist bereits gut erforscht“, erklärt Cho. „Es gibt aber noch viele Fragen zur Herstellung unterschiedlich dicker künstlicher Spinnenfäden. Eine elegante Lösung könnte der Spinnmechanismus der Flugfäden sein.“

Erforschung der Atmosphären fremder Planeten

Erkenntnisse zum passiven Spinnenflug könnten dem Forscher zufolge darüber hinaus bei der Erforschung der Atmosphären fremder Planeten zum Einsatz kommen, beispielsweise beim Schwebeflug meteorologischer Sonden in den schwierigen atmosphärischen Bedingungen der Planeten Jupiter und Saturn.

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