Tödliche Gefahr: Wie Windräder sicherer für Fledermäuse werden könnten | Weather.com

Tödliche Gefahr: Wie Windräder sicherer für Fledermäuse werden könnten

Niedersachsen, Hameln: Zwei Große Abendsegler, eine vorrangig in Wäldern lebende Fledermausart, schlafen in einem Fledermaus-Ansiedelungskasten. Der Fledermaus-Experte beobachtet einen Rückgang der Population im Weserbergland.
( Swen Pförtner/dpa)

Hunderte Nistkästen hängen in den Hamelner Wäldern. Vögel sucht man in den meisten von ihnen allerdings vergebens: Sie werden von Fledermäusen bewohnt. Zumindest war das in der Vergangenheit so. Inzwischen sind viele der Fledermausunterschlupfe verwaist. Schuld könnten auch Windkraftanlagen sein.

F​ledermauspopulation schwindet

Vor etwa 15 Jahren habe der Rückgang der Fledermauspopulationen begonnen, sagt Rainer Marcek. Er ist als Fledermausregionalbetreuer für den Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) im Raum Hameln im Einsatz.

Mit am stärksten betroffen ist die Art des Großen Abendseglers, sagt Marcek. "Das war früher eine 08/15-Art."

Aber auch bei anderen Arten wie der Zweifarb- oder der Rauhautfledermaus gehen demnach die Bestände zurück. Das Phänomen gebe es nicht nur in Hameln oder Niedersachsen: Zwischen 250 000 und 300 000 Fledermäuse sterben laut Rainer Marcek jährlich in Deutschland.

"Nicht zuletzt hat die Bundesrepublik bei ihrem Bericht an die Europäische Union die Bestandsentwicklung des Großen Abendseglers als negativ eingeschätzt", sagt auch der Vorsitzende des Bundesverbandes Fledermauskunde, Markus Melber.

Marcek geht regelmäßig die rund 300 Kästen ab, die er rund um die Rattenfängerstadt aufgehängt hat. Für ihn sind sie vor allem eine Möglichkeit, um Fledermäuse nachzuweisen. Natürliche Unterschlupfe gäbe es eigentlich genug. Mit einer Taschenlampe leuchtet er in die Kästen hinein und schaut, ob ihm kleine Fledermausaugen entgegen blinzeln.

"Früher waren teilweise 15 Fledermäuse oder mehr in einem Nistkasten", sagt er. Inzwischen blickt ihn - wenn überhaupt - meist nur noch ein Augenpaar an.

W​indkraftanlagen als ein Grund

Bereits seit einigen Jahren sehen Tierschützer einen Grund für die Populationsrückgänge in Windkraftanlagen. Grundlage dieser These sind vor allem Berichte einzelner Fachleute, die Fledermäuse beobachten.

Doch trotz noch fehlender statistischer Zahlen sei die Gefährdung durch Windräder bereits eine ziemliche Gewissheit, sagt Marcus Fritze vom Fachverein Fledermauswarte, der mit der Universität Greifswald an der Zusammenführung belastbarer Daten arbeitet.

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Die verwirbelte Luft der Rotorblätter und die dadurch entstehenden Luftdruckveränderungen führen bei den kleinen Flugtieren zu sogenannten Barotraumata: Dadurch zerreißen innere Organe der Tiere.

Die Windkraft als solche deshalb zu verteufeln, sei aber keineswegs der richtige Weg, meint Marcek. Schließlich seien sie nur ein Grund. Weniger Nahrung durch das Insektensterben oder der Rückgang der Wälder und der deshalb schrumpfende Lebensraum seien weitere Gründe.

V​erbesserungsideen

Allerdings: Für das Problem mit den Windrädern gibt es bereits Lösungen. So können moderne Anlagen bei bestimmten Witterungsbedingungen über eine Steuerung einfach abgeschaltet werden. Etwa bei wenig Wind, wenn die Fledermäuse hauptsächlich unterwegs sind. Über das sogenannte Gondelmonitoring können mittels Ultraschallsensoren zudem Fledermäuse geortet werden.

V​iele Windräder haben noch keine Abschaltfunktion

Laut Melber besitzen derzeit allerdings zwei Drittel der Windräder noch keine Abschaltfunktion. Das müsse sich ändern. Nach niedersächsischer Rechtsprechung kann derzeit eine entsprechende Steuerung bei Windkraftanlagen nachträglich verfügt werden, wenn sich herausstellt, dass sie an einem für Fledermäuse wichtigen Standort stehen und die Tiere gefährden.

Generell müsse bereits beim Bau eines Windrades stärker darauf geachtet werden, ob an dem Standort Fledermäuse heimisch sind, meint Fledermausbetreuer Marcek. Anlagen in Wäldern hält er generell für keine gute Idee. Es müsse zudem häufiger kontrolliert werden, ob die Abschaltsteuerungen funktionieren, meint Melber.

F​ledermäuse besetzen eine wichtige Nische

Auch das Gondelmonitoring kann nachträglich verfügt werden. Es kann laut den Fledermausexperten vor allem beim Schutz von Arten helfen, die im Herbst in Winterquartiere ziehen. Die Sensoren könnten herannahende Schwärme erkennen und die Windkraftanlagen für den Vorbeiflug der Tiere kurzzeitig ausstellen.

Es gehe nicht um ein "entweder - oder", betont Marcek. Klimaschutz sei wichtig, Tierschutz allerdings ebenso. Fledermäuse würden eine wichtige Nische in der Natur besetzen, sagt der Fledermausbetreuer. Ihr Schutz sei daher wichtig: "Sie sind die einzigen Tiere, die nachts Insekten jagen."

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