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Chancenlos: Deutschlands einzige frei lebende Wisent-Herde

ARCHIV - 04.07.2023, Nordrhein-Westfalen, Siegen: Wisente gehen durch die Wisent-Wildnis im Sauerland. Nach langem Streit um Deutschlands einzige freilebende Wisent-Herde hatte der Tr‰gerverein die Abwicklung des Artenschutzprojekts verk¸ndet. Die f¸r ´herrenlosª erkl‰rte Herde w‰chst aber weiter und richtet unver‰ndert Sch‰den an B‰umen an. Ein Runder Tisch sucht Perspektiven f¸r das Projekt. (Zu dpa/lnw: Wisente-Herde im Sauerland - Suche nach Perspektiven f¸r Artenschutzprojekt") (zu dpa: ´D¸stere Aussichten f¸r Deutschlands einzige frei lebende Wisent-Herdeª) Foto: Oliver Berg/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Nach langem Streit um Deutschlands einzige freilebende Wisent-Herde hat der Trägerverein die Abwicklung des Artenschutzprojekts verkündet. Die für herrenlos erklärte Herde wächst aber weiter und richtet unverändert Schäden an Bäumen an.
(Oliver Berg/dpa )

Sie ist Deutschlands einzige frei lebende Wisent-Herde, doch die Chancen für eine Fortführung des einst europaweit beachteten Artenschutzprojektes stehen schlecht. Nach langem lähmendem Streit und einer Lösungssuche an einem Runden Tisch zuletzt im vergangenen Herbst zeichnet sich auch weiterhin keine Perspektive ab, die Voraussetzungen für eine Rettung haben sich noch verschlechtert.

Herde besteht aus 4​0 Tieren

Die 40 Tiere der Herde befänden sich aktuell "in einem neu errichteten, rund 25 Hektar großen Managementgatter auf dem Gebiet der Stadt Bad Berleburg, sodass die Freisetzungsphase zurzeit beendet ist", sagte ein Sprecher des Kreises Siegen-Wittgenstein. 

Streit um H​erdenverkleinerung

Nach langem Patt hatten die früheren Umweltminister Ursula Heinen-Esser (CDU) und Johannes Remmel (Grüne) am Runden Tisch empfohlen, die herumziehende Herde schnellstmöglich einzufangen und auf 20 bis 25 Tiere zu verkleinern sowie die übrigen Tiere an andere Orte in Europa zu transportieren. Damit sei bisher nicht begonnen worden, da eine sehr aufwendige Vorbereitung nötig sei, hieß es bei der Kreisverwaltung. "Derzeit läuft auch noch die Abstimmung mit interessierten anderen Projekten im In- und Ausland." Mit den dortigen Projektträgern sei vereinbart, "mögliche Zielprojekte noch nicht konkret öffentlich" zu benennen. Klar ist aber zumindest: "Die Tiere weisen alle eine sehr gute körperliche Konstitution auf." 

N​ur noch 7200 Tiere freilebend in Europa

Die Kolosse sind europaweit geschützt. Die Umweltschutzorganisation WWF war im Herbst 2023 von einem Bestand von europaweit rund 7200 frei lebenden Wisenten in Europa ausgegangen. Eine zunächst achtköpfige Herde war im Rahmen des Artenschutzprojektes vor mehr als zehn Jahren im Wittgensteiner Land im Rothaargebirge freigesetzt worden, auf Grundlage eines Vertrags zwischen dem Trägerverein Wisent-Welt-Wittgenstein, dem Kreis Siegen-Wittgenstein und der Bezirksregierung Arnsberg von 2013. Die Herde wanderte jedoch und verursachte große Schäden an Bäumen. Streitigkeiten wurden teilweise auch vor Gericht ausgefochten. Im Herbst 2022 erklärte der Trägerverein die Tiere für "herrenlos" - und sich selbst damit für nicht mehr zuständig. Der Verein meldete auch Insolvenz an, weil Waldbauern ihm gegenüber Forderungen von 250.000 Euro jährlich angekündigt hatten. 

K​ündigung stellt Artenschutzprojekt vors Aus..

Inzwischen kommt erschwerend hinzu: Die Wittgenstein-Berleburg’sche Rentkammer als Eigentümerin der Grundstücke, über die sich das bisherige Projektgebiet im Kreis Siegen-Wittgenstein erstrecken sollte, hat nun laut Kreissprecher zufolge mitgeteilt, dass ihre Eigentumsflächen für eine Fortführung des Projekts nicht mehr zur Verfügung stehen. Den Vertrag habe die Grundstückseigentümerin rechtmäßig gekündigt - und das bedeute, "dass das Projekt innerhalb von sechs Monaten – oder in einem anderen, einvernehmlich von den Vertragsparteien zu definierenden Zeitraum – abzuwickeln, also zu beenden ist."

...da kein neue Fläche zu finden ist

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Der Kreis Siegen-Wittgenstein werde sich weiter bemühen, einen neuen Projektträger zu finden, es zeichne sich aber nicht ab, dass man Partner gewinnen könne. Es sei bisher auch niemand in Aussicht, der sich an einer vom Runden Tisch angedachten Stiftung finanziell beteiligen wolle. "Somit konnte bislang auch die zukünftige Finanzierung des Freisetzungsprojektes mit einem Finanzbedarf von mindestens 500.000 Euro jährlich nicht sichergestellt werden", berichtete der Kreissprecher.

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Der Kreis und das Land NRW hatten sich von dem Rückzug des Trägervereins verärgert gezeigt. Schon damals drohte das Aus, dann wurde der Runde Tisch ins Leben gerufen. Nach dieser Runde hatte das NRW-Umweltministerium betont, es werde die Suche nach einer rechtssicheren und artenschutzfachlich basierten Lösung unterstützen. Jetzt hieß es lediglich, bei dem Wisent-Projekt handele es sich um ein "von einem privaten Verein initiiertes und getragenes Projekt". Von den beteiligten Akteuren würden aktuell "die offenen rechtlichen, finanziellen und artenschutzfachlichen Fragen geklärt".

W​aldbauern klagen über hohe Schäden durch Wisente

Nach Angaben des Waldbauernvereins NRW sind die von der Herde verursachten Schäden längst nicht alle beglichen worden. So habe man etwa das konkrete Beispiel eines Waldbauern mit einem gutachterlich bestätigten Schaden in Höhe von 38 000 Euro benannt und die Daten an Johannes Remmel geschickt. Dieser habe im Vorfeld zugesagt, sich um den Fall zu kümmern, tatsächlich habe es aber über die vergangenen Monate hinweg keinerlei Reaktion gegeben, kritisierte Vorstandsmitglied Theo-Josef Nagel. 

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