Rumänien zählt über 10.000 Braunbären | Weather.com

Karpaten: Bären rücken Menschen auf den Pelz

Neue Zählung zeigt: In Rumänien leben mehr als doppelt so viele Bären wie für das ökologische Gleichgewicht verträglich.

Rumänien, Karpaten: Ein Bär läuft am Rande der Bergstraße Transfagarasan in den Karpaten. Der Transfagarasan ist einer der gefährlichsten Bären-Brennpunkte in Rumänien.
Ein Bär läuft am Rande der Bergstraße Transfagarasan in den Karpaten. Der Transfagarasan ist einer der gefährlichsten Bären-Brennpunkte in Rumänien
(Kathrin Lauer/dpa )

Plötzlich bewegt sich etwas im Dickicht, die Autofahrer sind entzückt: Ein kleiner Braunbär läuft die Bergstraße Transfagarasan entlang - bei herrlichem Sommerwetter in den rumänischen Karpaten. Hundert Meter weiter gibt es eine Parkbucht; man kann dort stehenbleiben, um das wilde Tier zu fotografieren. Der von Natur aus eher menschenscheue Bär ist Sekunden später auch da. Er hofft auf Futter von den Touristen, genau wie viele seiner Artgenossen.

Wie viele Bären gibt es in Rumänien?

Laut einer neuen Studie im Auftrag des Umweltministeriums leben in Rumänien zwischen 10.419 und 12.770 Braunbären – mehr als doppelt so viele wie bisher angenommen. Ökologen halten nur etwa 5.000 Tiere für verträglich mit dem natürlichen Gleichgewicht. In keinem anderen europäischen Land außerhalb Russlands gibt es mehr Bären.

Jäger halten das 2016 eingeführte Abschuss-Verbot für die Ursache der rasanten Vermehrung, Tierschützer wiederum prangern das Füttern durch den Menschen an. Mittlerweile dürfen Bären wieder offiziell abgeschossen werden - jährlich gibt es dazu erlaubte Quoten von mehreren Hundert. Schon seit Jahrzehnten spricht man in Rumänien von einer Bären-Plage, etwa im zentralrumänischen Siebenbürgen: In Brasov suchen sie regelmäßig in den Mülltonnen nach Essbarem. Mitten in Sibiu kletterte ein junger Bär 2016 sogar von einem Hausdach zum anderen.

Warum kommen Bären so oft in Menschennähe?

Viele Tiere haben gelernt, dass Touristen ihnen Futter zuwerfen. Trotz zahlreicher Warnschilder halten Autofahrer an Straßen wie der Transfagarasan in den Karpaten an, um Bären zu fotografieren oder zu füttern. Die Tiere verlieren dadurch ihre Scheu.

Welche Gefahr geht von den Tieren aus?

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Bären wirken harmlos, können aber tödlich sein. Männchen töten oft fremden Nachwuchs, um die Weibchen schneller wieder paarungsbereit zu machen. Darum flüchten Bärinnen mit ihren Jungen oft in die Nähe von Straßen oder Siedlungen. In den Karpaten kam erst kürzlich ein Italiener ums Leben, nachdem er eine Bärin gefüttert und ihr den Rücken zugewandt hatte, um ein gemeinsames Selfie zu machen. Das Tier griff an und zerrte ihn in eine Schlucht, wo der Mann schließlich tot aufgefunden wurde. Was er wohl nicht gewusst hatte: Das Zuwenden des Rückens kann den Jagdinstinkt des Bären auslösen. Bärenangriffe sind in Rumänien häufig - meistens auf Wanderer und Hirten.

Gibt es ähnliche Probleme in anderen Ländern?

Auch im Nordwesten Griechenlands und im Norden Italiens häufen sich Begegnungen zwischen Menschen und Bären. So wurden zuletzt im Juni zwei griechische Wanderer von einem Bären angegriffen. Einer der Männer wurde dabei von einem Hieb des Tieres einen Steilhang hinuntergestoßen und starb durch den Sturz. Es wird vermutet, dass der Hund der Wanderer den Zwischenfall ausgelöst hat, weil er den Bären gereizt habe. Häufiger als Bärenangriffe gibt es allerdings Unfälle, bei denen die Tiere selbst verletzt werden - etwa, wenn sie die Autobahn überqueren.

Besorgte Griechen greifen zur Waffe

Dennoch haben die Bewohner Angst, denn mittlerweile wandern die Bären auf Futtersuche in besiedelte Gegenden bis zur nordwestlichen Stadt Kastoria - angezogen von Abfall und Obstgärten, berichtet die Tierschutzorganisation Arcturos. "Ich gehe immer erst auf den Balkon, um zu schauen, ob meine Bärin da ist, bevor ich aus dem Haus gehe", sagt eine Einwohnerin im Dorf Mavrochori. Manch einer greift sogar zur Waffe: Mindestens sieben Bären wurden laut Arcturos seit dem Vorjahr von Privatleuten erschossen.

Problembären im italienischen Trentino

In Italien bereiten den Bewohnern vor allem in den Alpen südlich von Südtirol, etwa in den Brenta-Dolomiten, rund 100 wilde Braunbären Sorgen: 2023 wurde dort ein 26-jähriger Italiener beim Joggen in den Bergen von einer Bärin tödlich verletzt. Es war der erste bestätigte Bärenangriff mit Todesfolge im Land. Insgesamt wurden in der Region seit 2014 sieben Angriffe von Bären auf Menschen dokumentiert. Laut Bericht der Provinz Trient streifen die Bären hier durch gut 3,4 Millionen Hektar Wald - fast so groß wie Baden-Württemberg. Dennoch nähern sie sich auch Äckern und Bauernhöfen, angezogen von Nutztieren, Bienenstöcken und Weingärten. 2024 betrug der durch wildernde Bären gemeldete Schaden rund 145.000 Euro

Welche Maßnahmen helfen gegen die Bärenplage?

In der Stadt Baile Tusnad in den Karpaten wurden bärensichere Mülltonnen aufgestellt und Obstbäume entfernt. Touristen dürfen keine Bären mehr von Hotels aus füttern. Förster berichten, dass diese Maßnahmen die Zahl der Vorfälle deutlich reduziert haben. Das Umweltministerium plant, Bußgelder für Bärenfütterung auf bis zu 1.200 Euro zu verdoppeln.

Wie kann man sich im Notfall schützen?

Experten raten, sich nicht umzudrehen oder wegzulaufen, sondern langsam mit dem Gesicht zum Tier zurückzuweichen. Pfefferspray kann helfen, da der Geruch für Bären unangenehm ist. Noch besser: Beim Wandern laut sprechen oder singen. Der Bär taucht dann gar nicht erst auf.

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