Deutschland exportiert tonnenweise Plastikmüll – Das will Ministerin beenden | The Weather Channel
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Deutschland exportiert tonnenweise Plastikmüll – Das will Ministerin beenden

ARCHIV - 18.09.2019, Indonesien, Jakarta: Ein Zollbeamter verschließt einen Container mit Plastikmüll am Hafen von Tanjung Priok. Deutschlands Plastikmüll-Ausfuhren in andere Staaten sind deutlich gesunken. (Symbolbild zu «Menge von exportiertem Plastikmüll sinkt um ein Drittel») Foto: Achmad Ibrahim/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Endstation Jakarta: Importierter Plastikmüll (Archivbild)
( Achmad Ibrahim/AP/dpa )

Deutsche Firmen haben 2021 rund 697.000 Tonnen Kunststoff-Abfall ins Ausland transportiert. Das sind ein Drittel (32 Prozent) weniger als 2020, wie der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE) in Berlin mitteilte. Es geht zum Beispiel um Industriefolien, Produktionsabfälle und Lebensmittel-Verpackungen. Auf Basis einer Branchenschätzung von 2019 fallen jedes Jahr in Deutschland etwa sechs Millionen Tonnen getrennt gesammelte Kunststoffabfälle an.

Stärkere Importrestriktionen

Die Exportzahlen für die Monate Januar bis Oktober stammen vom Statistischen Bundesamt, die Monate November und Dezember sind Schätzwerte des BDE.

BDE-Chef Peter Kurth wertet den Rückgang der Exportmenge positiv. Es zeige sich, dass die Inlandsnachfrage nach den Rohstoffen gestiegen sei. Der Branchenvertreter gab aber zu bedenken, dass auch stärkere Importrestriktionen asiatischer Staaten und die Corona-Pandemie samt unterbrochener Lieferketten eine Rolle gespielt haben dürften. „2021 war ein Ausnahmejahr.“ Der Rückgang sei aber so deutlich, dass man hieraus einen Trend ableiten könne, zumal schon im vergangenen Jahr die Exportmenge gesunken sei, so Kurth - damals um neun Prozent.

Umsatz gleich geblieben

Bemerkenswert ist zudem, dass der mit den Plastikexporten gemachte Umsatz trotz des Mengeneinbruchs mit 259 Millionen Euro fast gleich geblieben ist: Nur ein Mini-Minus von einem Prozent weisen die Statistiker aus. Eine mögliche Schlussfolgerung: Die Preise insgesamt und die Qualität des Exportguts stiegen an.

Kunststoff wird weiterverarbeitet - eigentlich

In Deutschland anfallender Plastikabfall muss gesetzlich verwertet werden. Er wird zu Kunststoff-Granulaten verarbeitet oder endet als Brennmasse in Kraftwerken. Die Granulate werden zur Herstellung neuer Produkte genutzt, etwa Polyester-Kleidung, Mülltüten oder Straßen-Poller. Das kann auch im Ausland geschehen – allerdings wird der Abfall dort teils zum Problem.

Müll in China teils nicht recycelt

So war es zum Teil auch in China, das lange Hauptabnehmer deutschen Plastikmülls war. Generell war die Qualität des Abfalls, den China aus aller Welt importiert hatte, mitunter gering und er wurde nur teilweise ordnungsgemäß recycelt. Da Teile als Müll in der Umwelt blieben, verschärfte China die Importregeln.

Deutscher Müll in Wildnis Malaysias illegal deponiert

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Daraufhin verlagerten sich die Müllströme in andere asiatische Staaten, ab 2018 war Malaysia der abnehmerstärkste Importeur von deutschem Plastikmüll. Auch Indien, Indonesien und Vietnam bekamen größere Mengen. Das hatte negative Folgen. So sorgte zum Beispiel deutscher Plastikmüll für Aufsehen, der in der Wildnis von Malaysia illegal deponiert worden war. Wer in solchen Fällen der Schuldige ist, ist schwer auszumachen, weil die Handelskette mit mehreren Zwischenhändlern bisweilen schwer nachzuverfolgen ist.

Nach weiteren Verschärfungen werden Niederlande Import-Spitzenreiter

Auch andere asiatische Staaten wurden restriktiver bei Abfallimporten. Der neuen Statistik zufolge hat sich das Bild nun wesentlich verändert. Malaysia ist im vergangenen Jahr von Platz 1 auf Platz 4 der stärksten Importeure deutschen Plastikmülls abgerutscht. Die Menge schrumpfte von 170.000 Tonnen auf 46.000 Tonnen. Hongkong, Indonesien und Vietnam sind aus den Top 10 rausgerutscht. Neuer Spitzenreiter sind die Niederlande mit einer Kunststoff-Importmenge aus Deutschland von 136.000 Tonnen im vergangenen Jahr, das waren 12 Prozent weniger als 2020.

Deutschland importiert auch Müll

Ausfuhren in EU-Nachbarstaaten wie die Niederlande gelten als weniger kritisch, weil die Recycling-Standards dort ähnlich hoch sind. Die Türkei wiederum ist in dem neuen Ranking auf Platz 2, es ging also einen Platz nach oben - und dies trotz einer um ein Viertel geschrumpften Menge von 99.000 Tonnen. Bei Polen stieg die Menge um ein Fünftel auf 79.000 Tonnen, damit kam der Staat auf Platz 3 des Müllrankings. Das Thema Abfallhandel ist übrigens keine Einbahnstraße: Deutschland importierte im vergangenen Jahr den Angaben zufolge 446.000 Tonnen Kunststoffabfall, das waren neun Prozent weniger als 2020.

Bundesministerin Lemke will Praxis unterbinden

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) will den Export von Plastikmüll ins Ausland weitgehend unterbinden. „Ich setze mich auf EU-Ebene für ein weitgehendes Exportverbot ein“, sagte die Ministerin dem „Tagesspiegel“ (Sonntag). Das lasse sich sinnvollerweise aber nur im Rahmen des EU-Binnenmarkts regulieren, damit es in der Praxis nicht immer wieder unterlaufen werde. „Außerdem will ich schon bald mit den Bundesländern besprechen, wie wir den Vollzug der bestehenden Regeln verbessern können.“ Im Koalitionsvertrag der neuen Regierung aus SPD, Grünen und FDP ist vorgesehen, das der Export von Abfällen europarechtlich nur noch in „zertifizierten Recyclinganlagen“ möglich sein soll.

Abfallausfuhren kritisch beäugt

Umweltschützer sehen das Thema Abfallausfuhren sehr kritisch. Sie warnen vor Umweltschäden, wenn der Müll in ärmeren Staaten landet und sein weiterer Verbleib kaum kontrolliert wird. So werde die Türkei nun zu einer „traurigen Nummer 2 der deutschen Plastikmüll-Exporte“, sagt Greenpeace-Expertin Viola Wohlgemuth. Dort seien in der Vergangenheit immer wieder nicht-recycelbare Abfälle gelandet. „Die Belastung ist nun so groß, dass die Türkei 2021 ein Importverbot für bestimmte Plastikabfälle, zum Beispiel den Import von gemischten sowie mechanisch sortierten Kunststoffen, erlassen hat.“ Die Verbotsvorgaben seien aber zu schwach, Importe von Müll aus Deutschland blieben in der Türkei ein Problem, sagt Wohlgemuth.

Auch Abfallwirtschaft für Verarbeiten im eigenen Land

„Es ist unser Müll, der weltweit die Umwelt belastet - und unsere Verantwortung, dass dies nicht mehr passiert“, sagt die Umweltschützerin und fordert schärfere Regeln. Deutsche Firmen, von denen illegal exportierter Müll stammt, müssten diesen zurücknehmen.

In Teilen der Abfallwirtschaft lösen die Exporte auf andere Kontinente ebenfalls Unbehagen aus. „Deutschland und Europa sollten in der Lage sein, ihren Kunststoffabfall selbst zu verwerten“, sagt der Chef des Grünen Punktes, Michael Wiener. Das würde Arbeitsplätze schaffen. „Weitere Investitionen in die Recyclinginfrastruktur sind dringend notwendig.“

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