Kerosinablässe: Rheinland-Pfalz bekommt besonders viel Fueldumping ab | The Weather Channel
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Kerosinablässe: Rheinland-Pfalz bekommt besonders viel Fueldumping ab

ARCHIV - 01.02.2020, Hessen, Frankfurt/Main: Eine Maschine der Fluggesellschaft Lufthansa startet bei regennasser Startbahn vom Flughafen Frankfurt (FRA) aus. Das Fernweh ist grofl, weil das Leben gerade ¸berwiegend Zuhause stattfindet. (zu dpa: ´Ab jetzt wird es wieder heller - sieben Hoffnungsschimmer zum dunkelsten Tag des Jahresª) Foto: Andreas Arnold/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Bekommen die Menschen meist gar nicht mit: Kerosinablass von Flugzeugen - allein in der zweiten Maihälfte waren es 30 Tonnen über dem Bundesland Rheinland-Pfalz.
(dpa)

Mal ist es ein technisches Problem, mal ein medizinischer Notfall oder ein Vogelschlag: Immer wieder kommt es vor, dass Flugzeuge Kerosin ablassen - und das tonnenweise. Im März waren es 80 Tonnen Treibstoff, die über dem südlichen Rheinland-Pfalz und dem Saarland aus dem Tank eines Fliegers flossen. Und in der zweiten Maihälfte gingen 30 Tonnen Kerosin aus einem Flugzeug in den Himmel über dem westlichen Teil des Landes sowie Südhessen, wie aus einer Liste des Luftfahrt-Bundesamtes in Braunschweig hervorgeht.

Unbedenklich für Mensch und Natur?

In Rheinland-Pfalz beunruhigen Kerosinablässe immer wieder Teile der Bevölkerung und Politiker. Nach dem jüngsten Fall, bei dem Treibstoff auch über der Eifel abgelassen wurde, fordert der Fraktionschef der Freien Wähler, Jürgen Streit, im Mainzer Landtag mehr Messstellen im ländlichen Raum. "Der erneute Fall zeigt, wie dringend es ist, weitere Messstellen einzurichten, um der Bevölkerung die nachweisbare Sicherheit zu geben, dass ein solcher Kerosinablass für Mensch und Natur unbedenklich ist."

Überproportionales Fueldumping in Rheinland-Pfalz

Rheinland-Pfalz ist im deutschen Luftraum vom sogenannten Fueldumping häufiger betroffen als andere Bundesländer. "Überproportional häufig", schreibt das Umweltministerium in Mainz. So fielen 2021 von insgesamt 25 Treibstoffablässen 8 auf Rheinland-Pfalz. Und von den bislang in diesem Jahr gemeldeten zehn Fällen waren zwei dort zu verorten. Häufig betroffen sind auch das nördliche Bayern und Hessen.

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Das liege an der geografischen Nähe zum Frankfurter Flughafen, sagt die Sprecherin der Deutschen Flugsicherung, Kristina Kelek, in Langen. Denn die großen Maschinen, die überhaupt für einen Treibstoffschnellablass in Frage kämen, könnten dort starten und landen. "Die fliegen nicht von Memmingen oder Erfurt ab, sondern von den großen Drehkreuzen", zu denen auch Hamburg und München gehörten.

Kerosin wird nur im Notfall abgelassen

Wenn ein Flugzeug Kerosin ablasse, handele es sich immer um einen Notfall, sagt Kelek. Die Maßnahme werde erforderlich, wenn ein Flugzeug - voll betankt etwa für einen Langstreckenflug - kurz nach dem Start außerplanmäßig landen müsse: Der Pilot muss dann Treibstoff ablassen, um das Gewicht der Maschine zu verringern. Nur dann könne das Flugzeug sicher landen, erklärt Kelek.

Diskussion um Messstellennetze

Kritik kommt von der Bürgerinitiative gegen Fluglärm, Bodenlärm und Umweltverschmutzung. "Die meisten Flugzeugtypen können durchaus mit Überlast landen", teilt der Verein in Kaiserslautern mit. Das habe aber zur Folge, dass das Flugzeug einige Tage durchgecheckt werden müsse und nicht zur Verfügung stehe. "Die wirtschaftlichen Folgen sind daher wesentlich höher als der Verlust des Treibstoffs." Zudem sei interessant, dass Kerosin nie in der Umgebung von Flughäfen abgelassen werde - sondern sonstwo. "Dabei wird doch immer wieder beteuert, dass nichts unten ankommt", meint die Bürgerinitiative.

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Die rheinland-pfälzische Umweltministerin Katrin Eder (Grüne) hält das Messstellennetz im Land für ausreichend. Ein weiterer Ausbau brächte "keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn" und sei nicht erforderlich, teilt sie auf Anfrage mit. An neun Standorten würden Immissionskonzentrationen von Kohlenwasserstoffen erfasst. Daneben gebe es landesweit 22 Benzol-Messstellen.

Ministerium: "Werte unauffällig und typisch für ländlichen Raum"

Laut Ministerium waren die gemessenen Werte an Kohlenwasserstoffen in der Vergangenheit - auch in Zeiträumen erfolgter Treibstoffablässe durch Flugzeuge - "unauffällig und typisch für den ländlichen Raum" gewesen. Drei Messstationen (Pfälzerwald-Hortenkopf, Hunsrück-Leisel, Westpfalz-Dunzweiler) seien in möglichen Überflug- und Ablassgebieten mit speziellen Messgeräten bestückt, die auch durch Flugzeuge abgelassenes Kerosin kontinuierlich registrieren könnten.

Streit fordert flächendeckend Belege ein. "In der Eifel zum Beispiel gibt es keine einzige Messstelle", sagt er. "Die Alternative wäre, Deutschland in Raster einzuteilen und den Kerosinabwurf in einer gerechten Verteilung über Deutschland zu steuern. Aber solange es nur über dünn besiedeltem Gebiet geschieht, werde ich den Eindruck nicht los, dass es nicht so ungefährlich ist, wie man vorgibt", meint er.

Flugzeug muss mindestens 1.800 Meter hoch sein

Dass der Kerosinablass über nicht dicht besiedeltem Gebiet wie der Pfalz empfohlen werde, hinge damit zusammen, dass man den Piloten einen Raum geben wolle, sich sicher über verschiedene Höhen zu bewegen, sagt die Sprecherin der Flugsicherung. "Es geht darum, möglichen Hindernissen aus dem Weg zu gehen." Es sei aber auch schon vorgekommen, dass eine Maschine sich direkt nach dem Start in Frankfurt noch über dem Airport des Treibstoffs entledigen musste.

Dafür vorgeschrieben sei eine Höhe von mindestens 1.800 Metern (6.000 Fuß). In der Regel aber erfolge dies in Höhen zwischen vier und acht Kilometern. Zudem muss während des Ablassens und für 15 Minuten danach der Luftraum frei von Verkehr bleiben - so die Empfehlung.

Auswirkungen auf die Umwelt umstritten

Auch das Umweltbundesamt sieht Kerosinablässe für Menschen und Umwelt unkritisch. Untersuchungen hätten "nach derzeitigem Wissensstand keine kritischen Umweltauswirkungen von Treibstoffschnellablässen auf Boden, Grundwasser, Luft und menschliche Gesundheit" ergeben, heißt es in einem Ende 2020 erschienenen Bericht. Allerdings wäre es "aus dem Vorsorgeprinzip heraus sinnvoll", eine Vorschrift zum Wechsel von "Ablassgebieten" aufzunehmen und die Höhe auf 10.000 Fuß (gut 3.000 Meter) zu erhöhen.

Angesichts der hohen Energiepreise könne man sicher sein, dass ein Pilot sich nur in einer Notsituation zu einem Ablass entscheide, heißt es von der Flugsicherung. "So etwas ist auf jeden Fall richtig teuer", sagt die Sprecherin. Auch in Frankfurt-Hahn können große Maschinen landen. Und: Es gebe auch Maschinen zum Beispiel aus Brüssel, Luxemburg oder München, die wegen Notfällen Frankfurt ansteuerten - und vorher Kerosin abließen.

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