Sind Papierstrohhalme tatsächlich nachhaltiger? Nicht unbedingt

Strohhalme und Einweg-Geschirr aus Papier werden als die nachhaltigere Variante zum Plastikpendant skizziert - doch das ist nicht zwangsläufig der Fall.

Seit dem 3. Juli 2021 sind sie in der EU verboten: Trinkhalme aus Plastik. Diese wurden in den vergangenen Jahren durch Alternativen ersetzt. Doch diese sind nicht unbedingt nachhaltiger, wie eine Studie eindrucksvoll zeigt.

Statt der verbotenen Strohhalme aus Plastik gibt es in vielen Restaurants inzwischen Exemplare aus Papier. Die allerdings können für Umwelt und Gesundheit ebenfalls schädlich sein, warnt ein Forschungsteam in der Fachzeitschrift "Food Additives & Contaminants: Part A". Viele vermeintlich umweltfreundliche Trinkhalme aus Papier oder Bambus enthalten demnach langlebige und potenziell giftige Chemikalien, sogenannte PFAS. Der Verkauf von Plastik-Trinkhalmen ist seit 3. Juli 2021 in der EU verboten.

G​efährliche Substanzen in fast allen Strohhalmen nachgewiesen

Die Gruppe um Thimo Groffen von der Universität Antwerpen hatte Trinkhalme von 39 in Belgien erhältlichen Marken untersucht. In 18 von 20 getesteten Papier-Halmen wurden PFAS nachgewiesen. Auch in vier von fünf Bambus-Halmen, drei von vier Plastik-Halmen und sogar in zwei von fünf Glas-Trinkhalmen wiesen die Wissenschaftler solche Substanzen in unterschiedlicher Menge nach. Lediglich in Halmen aus Edelstahl waren keine PFAS zu finden.

P​apier nicht zwangsläufig nachhaltiger

PFAS - per- und polyfluorierte Alkylverbindungen - werden unter anderem verwendet, um Papier-Halme vor Durchnässung zu schützen. "Strohhalme aus pflanzlichen Materialien wie Papier und Bambus werden oft als nachhaltiger und umweltfreundlicher beworben als solche aus Kunststoff", sagte Groffen. "Das Vorhandensein von PFAS in diesen Strohhalmen bedeutet jedoch, dass das nicht unbedingt stimmt."

Die PFAS fanden die Forschenden mit Hilfe eines speziellen Massenspektrometrie-Verfahrens, unter anderem handelte es sich um Trifluoressigsäure und Trifluormethansulfonsäure. "Beide Chemikalien sind gut wasserlöslich, so dass die Gefahr besteht, dass sie vom Strohhalm in das Getränk übergehen", erläutern die Forscher. Ob und in welchem Umfang diese und andere PFAS aus den Trinkhalmen vom Menschen aufgenommen werden, muss noch genauer untersucht werden.

A​uch Papierbecher betroffen

Mit Papierbechern als Ersatz für Einweg-Plastikbecher hat sich ein Forschungsteam der Universität Göteborg beschäftigt. Da Papier weder fett- noch wasserbeständig ist, muss es bei Verwendung als Verpackungsmaterial für Lebensmittel mit einer Oberflächenbeschichtung versehen werden.

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Das Team um Bethanie Carney Almroth setzte bei der im Fachjournal «Environmental Pollution» vorgestellten Studie Mückenlarven der Art Chironomus riparius Wasser und Sediment aus, in dem ein bis vier Wochen lang Teile von Bechern sowie Deckeln dafür aus Polypropylen oder Polystyrol sowie Polylactid und Papier gelegen hatten. "Alle Becher wirkten sich negativ auf das Wachstum der Mückenlarven aus", sagte Carney Almroth. Der Effekt war umso größer, je länger das Material im Wasser oder Sediment gelegen hatte.

W​egwerfprodukte können nicht nachhaltig sein

"Auch Papierverpackungen stellen im Vergleich zu anderen Materialien ein potenzielles Gesundheitsrisiko dar, und sie werden immer häufiger verwendet", betonte die Wissenschaftlerin. Nach dem Zweiten Weltkrieg seien Wegwerfprodukte auf den Markt gekommen und in großen Kampagnen beworben worden - von diesem falschen Weg müsse die Menschheit nun wieder weg. Es gelte, sich vom Wegwerf-Lebensstil zu verabschieden - für die Umwelt und für die eigene Gesundheit.

P​FAS sind kaum abbaubar

Weil zahlreiche PFAS sehr beständig und kaum abbaubar sind, werden sie auch Ewigkeitschemikalien genannt. In der Umwelt reichern sie sich immer mehr an. PFAS werden mit verschiedenen Gesundheitsproblemen in Verbindung gebracht, darunter geringeres Geburtsgewicht von Säuglingen, Schilddrüsenerkrankungen, erhöhte Cholesterinwerte, Leberschäden, Nieren- und Hodenkrebs.

V​erbot von vielen PFAS bereits aktiv

Einige PFAS sind bereits weitgehend verboten, weil sie als gefährlich gelten. "Von den relativ wenigen gut untersuchten PFAS gelten die meisten als mittel- bis hochtoxisch, vor allem für die Entwicklung von Kindern", heißt es von der Europäischen Umweltagentur (EEA). Von den allermeisten PFAS weiß man noch gar nicht, wie sie auf Mensch und Umwelt wirken. Viele Fachleute gehen davon aus, dass zumindest ein Teil negative Eigenschaften hat.

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