Schwammstädte wie Stockholm sollen Hitze trotzen | Weather.com
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Städte als Wasserspeicher: Mehr Schwammstädte sollen Hitze trotzen

Weniger Betonflächen, mehr Brunnen und viel Grün: Damit Städte künftig der Hitze und Dürre, aber auch Starkregen besser trotzen können, müssen sie zu Schwammstädten mit blau-grüner Infrastruktur umgebaut werden. Wie das gelingen kann.

Stockholm ist ein Beispiel für eine Schwammstadt (Getty Images)
Stockholm ist ein Beispiel für eine Schwammstadt
(Getty Images)

Wenn sich Delegationen von kommunalen Verantwortlichen in letzter Zeit auf den Weg nach Kopenhagen, Wien oder Stockholm gemacht haben, dann nicht, um dort klassisches Sightseeing zu machen. „Sie lassen sich vor allem zeigen, was diese Städte bereits alles umgesetzt haben, um zu einer Schwammstadt zu werden“, sagt Professor Dr. Norbert Gebbeken, Präsident bei der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau. Die drei Städte haben mittlerweile eine Art Vorbildcharakter, wenn es darum geht, mehr blau-grüne Infrastruktur zu schaffen und ihre Stadt nach dem Schwammstadtprinzip zu gestalten.

Konzepte eng miteinander verzahnt

Was das genau bedeutet, steckt im Namen: Bei einer Schwammstadt soll eine Stadt geschaffen werden, die das Wasser – insbesondere bei Starkregenereignissen – wie ein Schwamm aufnimmt und zeitverzögert auch wieder abgeben kann. „Blau-grüne Infrastruktur bedeutet, dass wir von dem Grauen weggehen und unsere Städte begrünen und mehr Wasserflächen – also blau – schaffen“, erklärt Gebbeken. Die beiden Konzepte sind eng miteinander verzahnt und haben das gemeinsame Ziel, die Städte zu kühlen, sie nachhaltiger zu gestalten, Wasser sinnvoller einzusetzen und gegebenenfalls auch zurückzuhalten.

Durch Verdunstung 10 Grad kühler

Warum beide Konzepte so wichtig sind, liegt für Gebbeken auf der Hand: „Die größte Naturgefahr für die Menschen ist die Hitze“, sagt er. „Es gibt derzeit pro Jahr etwa 3200 bis 8000 Hitzetode und es werden noch deutlich mehr werden. Hinzu kommen Starkregenereignisse und Sturzfluten, die auch Menschenleben fordern und nicht zuletzt auch hohe Sach- und Umweltschäden anrichten. Die einzige Antwort auf diese Herausforderung ist es, die Städte durch blau-grüne Infrastruktur zu kühlen und sie zu Schwammstädten umzubauen.“

Untersuchungen hätten gezeigt, dass durch die so entstehende Verdunstungskühle die Städte um bis zu 10 Grad heruntergekühlt werden könnten. „Und es gibt einen schönen Nebeneffekt bei Schwammstädten: Wir beeinflussen die Biodiversität ganz erheblich“, sagt der promovierte Ingenieur.

Schafe auf dem Dach

Beispiele für die Konzepte gibt es viele. Gebbeken zählt einige auf: „Zur grünen Infrastruktur gehört unter anderem, zugepflasterte Flächen zu öffnen und zu begrünen, damit die Flächen versickerungsfähig sind. Wo es Wege und Straßen mit Pflastersteinen braucht, müssen offene Stellen geschaffen werden, damit dort etwa Rasen wachsen kann.“

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Eine weitere Maßnahme sei, bei Neubauten den grünen Aspekt mitzudenken. Dazu gehört, den abgegrabenen Humus nicht mehr auf Deponien zu bringen, sondern diesen erst zu lagern und dann auf den Dächern aufzubringen – und so die Dächer zu begrünen. Bei extensiver Begrünung ist die Substratschicht etwas niedriger und es werden Pflanzen gewählt, die wenig Pflege brauchen. Bei der intensiven Begrünung ist die Substratschicht höher und erlaubt so auch den Anbau von Stauden, Sträuchern und sogar Bäumen. „Die Gründächer können bis zu 80 Liter Wasser pro Quadratmeter in kurzer Zeit aufnehmen und haben einen erheblichen Einfluss auf den Wasserrückhalt“, erklärt Gebbeken. „In München gibt es sogar ein Gebäude, auf dem Schafe grasen.“

Inwieweit bei Neubauten Dachbegrünung und Co. vorgeschrieben sind, kann die Kommune in den Bebauungsplänen vorschreiben. Eine weitere Möglichkeit zur Stadtbegrünung sind urbane Gärten, bei denen Viertelbewohner die Flächen gemeinsam nutzen und Gemüse, Obst, Kräuter und Blumen anpflanzen und ernten. Auch vertikale Gärten an Hauswänden gehören zu den grünen Maßnahmen.

Mehr Stadtbäche an die Oberfläche holen

Bei der blauen Infrastruktur geht es vor allem darum, das Mikroklima in Städten zu verbessern, indem grundsätzlich mehr Wasser in der Fläche angelegt und gleichzeitig mehr Wasser gespeichert wird. „Dazu können beispielsweise Stadtbäche, die derzeit unterirdisch durch die Stadt fließen, wieder an die Oberfläche gebracht werden. Solche Bäche und Kanäle könnte man dann auch statt Poller als Terrorschutz nutzen“, erklärt Gebbeken.

„Hinzu kommen neue Teiche und Seen sowie öffentliche Brunnen. Auch Wasserzerstäubungsanlagen können helfen, Stadt und Menschen abzukühlen.“ Damit bei Starkregenereignissen die Wassermassen nicht unkontrolliert abfließen und womöglich die städtischen Entwässerungssysteme überlasten, sei auch der Einsatz von unterirdischen Speichern und sogenannten Baumrigolen sinnvoll, so der Ingenieur. Die Rigolen werden um Bäume gebaut, speichern Wasser und geben dieses langsam an die Baumwurzeln ab.

Spielplätze mit Versickerungsmulden

Auch Multifunktionsflächen gehören zur blau-grünen Infrastruktur. „Beispielsweise können Spielplätze, die sonst ebenerdig sind, mit Versickerungsmulden gestaltet werden, die bei Starkregen große Wassermassen aufnehmen können“, sagt der Kammerpräsident. „Das Wasser kann dann langsam versickern und nach ein paar Tagen kann der Platz wieder als Spielplatz genutzt werden.“

Gebbeken weiß, dass die Schwammstadt-Maßnahmen anfangs nicht immer auf Gegenliebe stoßen. „Wenn man einen Parkplatz gegen einen Baum tauscht, gibt es fast jedes Mal einen Aufschrei“, sagt er. „Auch Pläne, große Plätze aufzureißen und zu begrünen werden oft kritisiert – besonders, wenn sie unter Denkmalschutz stehen. Insofern brauchen die Umbaumaßnahem auch Zeit und man muss der Bevölkerung den Mehrwert erklären.“ Dennoch seien solche Umbauten alternativlos, betont er. Den meisten gefalle ein begrünter Platz am Ende doch sehr gut.

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