Bazaar
Forscher lösen Rätsel um Entstehung von Tornados | Weather.com
Advertisement
Advertisement

Wetterphänomene

Tödliche Twister: Forscher lösen Rätsel um Entstehung von Tornados

Tornado near Simla, CO, USA on June 4, 2015.
Tornados entstehen aus Superzellen, den stärksten bekannten Gewitterzellen
(GettyImages)

Lange haben Forscher darüber gerätselt, wie die gefürchteten Tornados entstehen. Amerikanischen Meteorologen ist der Durchbruch gelungen – eine Portion Forscherglück verhalf dabei.

Wenn kalte Polarluft und feuchtwarme Luftmassen aufeinandertreffen, bilden sich Gewitterwolken, die sich durch die Corioliskraft – sie resultiert aus der Erdrotation – spiralförmig in den Himmel schrauben. Im Innern dieser Wolkenspirale entsteht häufig ein zweiter, engerer und schneller rotierender Wirbel, der bis zum Boden reicht – bekannt als Tornado. Besonders häufig tritt das Wetterphänomen im Mittleren Westen und im Süden der USA auf.

Bislang galt als gewiss, dass die Twister in den Wolken entstehen und sich dann zum Boden hin absenken. Diese Abfolge erwarten wohl die meisten Menschen auch intuitiv. Eine neue Studie zeigt jedoch, dass sich Tornados in Wahrheit auch von unten nach oben bilden.

Geburt von 5 Twistern aufgezeichnet

In der Meteorologie war dieser Prozess lange umstritten, denn es lagen kaum einschlägige Daten vor. Die Wirbelstürme entstehen nämlich sehr schnell, in nur 30 bis 90 Sekunden. „Das begrenzt die Möglichkeiten, diesen Prozess zu erforschen, denn man schafft es kaum, zur rechten Zeit am richtigen Ort zu sein, um zu beobachten, wie der Twister geboren wird“, sagt die Meteorologin und Hauptautorin Jana Houser von der Ohio University.

Dieser Umstand machte auch Houser und ihren Kollegen zu schaffen. Doch die Gruppe hatte Forscherglück: Mit einem Dopplerradar, das auf einem Lkw montiert war, konnte sie im Jahr 2019 die Entstehung von fünf Tornados von Beginn an verfolgen. Das Gerät liefert Daten im Takt von jeweils 16 Sekunden und misst so die zeitliche und räumliche Entwicklung der Stürme.

Monstertornado von El Reno: Rotation begann nur 20 Meter über dem Boden

Als besonders bedeutsam erwies sich dabei ein extrem heftiger Tornado, der im Mai 2013 in der Gegend von El Reno im US-Bundesstaat Oklahoma zahlreiche Gebäude zerstörte. Acht Menschen verloren dabei ihr Leben. Es war der größte bisher bekannte Tornado, mit einem Wirbeldurchmesser von rund 4,2 Kilometer. Zeitweise fegte er mit einer Geschwindigkeit von über 88 Stundenkilometer über das Land und legte dabei auf einer zackigen Bahn 26 Kilometer zurück.

Wie sich zeigte, begann die Rotation der Luftmassen nur 20 Meter über dem Boden. Nur 60 Sekunden später hatte die rotierende Luftsäule eine Höhe von 3,5 Kilometern erreicht. Die maximale Windgeschwindigkeit darin betrug 475 Kilometer pro Stunde.

Von diesem Sturm lagen auch zahlreiche Fotos und Videos privater Sturmjäger vor, die Houser und ihre Kollegen in ihre Analyse einbezogen. Sie bestätigten, dass sich der Trichter nahe am Boden gebildet hatte, noch bevor das Radar ihn erfasste.

Ein Tornado schlägt aus der Reihe

Advertisement

Als tragische Ironie des Schicksals waren auch der Ingenieur und Sturmjäger Tim Samaras, der in den USA durch die Sendung „Verrückt nach Tornados“ (englisch: Storm Chasers) bekannt war, sowie sein Sohn Paul sowie der Meteorologe und Carl Young dem Sturm unter den Todesopfern. Von ihnen stammten viele der Daten, die zur Enträtselung der Tornados beitrugen.

Drei weitere der in der Studie betrachteten Stürme zeigten ein ähnliches Entstehungsmuster. Nicht aber der fünfte Tornado, der bereits im Mai 2011 ebenfalls die Region von El Reno heimgesucht hatte. Bei ihm startete die Rotation der Luft gleichzeitig in verschiedenen Höhen. Aber auch in diesem Fall senkte sich der Sturmwirbel nicht von oben nach unten.

„Rotierende Winde auf mehreren Höhenstufen gleichzeitig“

Der Atmosphärenforscher Leigh Orf von der University of Wisconsin, der nicht an der Studie beteiligt war, zieht daraus eine eigene Schlussfolgerung. „Offenbar gibt es unterschiedliche Arten der Entstehung von Tornados“, erklärte Orf dem Wissenschaftsportal „ScienceNews“. Dies zeige der Sturm von 2011, der „ungewöhnlich, selten, eigenartig und bizarr“ gewesen sei. „Mit Simulationen haben wir Housers Ergebnis bestätigt, dass er rasch rotierende Winde auf mehreren Höhenstufen gleichzeitig entwickelte“, so Orf. „Ich würde ihn nicht als Indikator für das typische Verhalten eines Tornados betrachten.“

Bislang galt für die Wirbelstürme, dass sie typischerweise zwischen wenigen Sekunden und über einer Stunde bestehen, im Durchschnitt jedoch unter zehn Minuten. Nur etwa zwei Prozent blasen sich zu „Todestornados" auf. Diese können einen Landstreifen verwüsten, der nur einige hundert Meter breit und bis zu 160 Kilometer lang ist.

Tornados bilden sich häufiger in Gruppen aus

Weitere neue Studien zeigen auch, dass die Zerstörungskraft der Wirbelstürme zunimmt. Eine davon stellte der Geophysiker James Elsner von der Florida State University ebenfalls beim AGU-Jahrestreffen vor.

Die Studie beruht auf einer statistischen Analyse von 28.000 Tornados, die in den Jahren von 1994 bis 2016 die USA heimgesucht hatten. Elsners Erhebung zufolge nahm deren jährliche Zahl in dieser Zeit nicht zu, doch sie traten häufiger in größeren Gruppen auf, und sie lebten länger als noch vor einigen Jahrzehnten.

Wärmere Meerestemperaturen liefern Tornados mehr Energie

Dafür stieg die von den Wirbelstürmen freigesetzte Energie – gemessen in Gigawatt – im Untersuchungszeitraum um rund 5,5 Prozent pro Jahr. Zugleich gab es mehr besonders intensive und damit zerstörerische Stürme. „Diese Veränderungen hängen mit den höheren Meerestemperaturen im Golf von Mexiko und in der Karibik zusammen“, erläutert Elsner. „Weil die Atmosphäre aufgrund der globalen Erwärmung mehr Feuchtigkeit enthält und auch stark aufgeheizt wird, ist es nicht verwunderlich, dass die Tornados stärker zuschlagen.“

Deshalb sei es wichtig, möglichst viel über sie herauszufinden und auch zu wissen, wie sie genau entstehen, ergänzt Elsners Kollege Orf. Nur so ließen sich bessere Vorhersagen erstellen, die den Menschen helfen, den tödlichen Sturmwirbeln zu entgehen.

Advertisement
Hidden Weather Icon Masks
Hidden Weather Icon Symbols