Erdähnlicher Saturnmond: Seen auf Titan offenbaren Überraschendes | The Weather Channel
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Astronomie

Erdähnlicher Saturnmond: Seen auf Titan offenbaren Überraschendes

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Titan, der größte Mond des Ringplaneten Saturn, gilt Planetologen zufolge als erdähnlichste Welt im Sonnensystem. Jetzt fanden US-Forscher bei der Analyse von Daten der Raumsonde Cassini der US-Raumfahrtbehörde Nasa heraus, dass sich beide Himmelskörper in einem weiteren Aspekt gleichen: Die Seen auf Titan sind nicht nur sehr sehr tief, sondern liegen zum Teil auf Erhebungen oder Hochplateaus. Dies deutet darauf hin, dass sie Bestandteil von Karstlandschaften sind, wie sie auch auf der Erde vorkommen.

Seen aus Methan bedecken 1,6 Millionen Quadratkilometer

Dass die Sonde, die 2004 im Saturnsystem ankam, auf der Oberfläche des mit 5150 Kilometer Durchmesser zweitgrößten Monds des Sonnensystems mit Flüssigkeit gefüllte Seen entdeckte, war für die Planetenforscher eine faustdicke Überraschung. Insgesamt bedecken die Gewässer eine Fläche von 1,6 Millionen Quadratkilometer.

Wobei Gewässer eigentlich der falsche Ausdruck ist. Denn die Seen sind nicht mit Wasser gefüllt, sondern mit flüssigen Kohlenwasserstoffen. Hauptbestandteil ist Methan, das sich bei der Tieftemperatur von durchschnittlich minus 180 Grad Celsius, die auf der Titan-Oberfläche herrscht, verflüssigt. Hinzu kommen Ethan und Propan, die mehr Kohlenstoffatome enthalten und deshalb schwerer sind als Methan.

Auf Saturnmond besteht Flüssigkeitskreislauf

Die Entdeckung zeigte, dass es an der Oberfläche des Trabanten einen Flüssigkeitskreislauf gibt, der mit dem hydrologischen Zyklus auf unserem Planeten vergleichbar ist – nur dass statt Wasser Kohlenwasserstoffe abregnen und im Untergrund versickern oder wieder verdunsten. Die Seen des Saturnmondes sind ein integraler Bestandteil dieses Zyklus.

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Bislang aber glaubten die Forscher, sie seien nur wenige Meter tief, oder teilweise auch nur ein paar Millimeter. Im letzteren Fall handelt es sich eher um flache Pfützen, die jahreszeitlich bedingt vollkommen austrocknen können.

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Seen unterscheiden sich je nach geografischer Lage

In einer Studie, die im Fachjournal „Nature Astronomy“ erschien, zeichnet eine Forschergruppe jetzt ein neues Bild: Abhängig von ihrer geographischen Position unterscheiden sich die Seen deutlich. Dies ergab sich aus Radardaten, die Cassini im April 2017 bei seinem letzten Vorbeiflug an Titan gewann.

Demnach sind die Seen auf dessen Nordhalbkugel viel größer als in der südlichen Hemisphäre, und sie bestehen aus nahezu reinem Methan. Von den größeren Gewässern war dies bekannt, doch jetzt wurde dies auch für die kleinen Seen bestätigt.

Im Gegensatz dazu sind früher untersuchte Seen am Südpol wie der Ontario Lacus mit einem Gemisch aus Methan und Ethan gefüllt. Dieser ist als größter See auf der Südhalbkugel des Trabanten nur wenig kleiner als sein irdischer Namensvetter, der nordamerikanische Ontario-See.

Noch größere Unterscheide zwischen Ost und West

Verblüffender noch erscheinen die Unterschiede zwischen den westlichen und östlichen Seen auf der nördlichen Hemisphäre. Im Osten erstrecken sich große Wasserkörper in Tiefländern mit Inseln darin und tiefen Tälern an den Rändern.

Demgegenüber sind die Gewässer im Westen klein – sie weisen nur wenige Dutzend Kilometer Durchmesser auf – und liegen meist auf hohen Felsstöcken, die mehrere hundert Meter über ihre Umgebung aufragen. Insgesamt liegen sie deutlich über dem Niveau, das dem irdischen Meeresspiegel entspricht. Vor allem aber sind sie großenteils über 100 Meter tief.

„Es zählt zu den Merkwürdigkeiten Titans, dass die Hydrologie auf seiner einen Seite völlig verschieden von der anderen Seite ist“, konstatiert Studienmitautor Jonathan Lunine von der Cornell University in Ithaca (US-Staat New York). „Es ist, als ob man auf den Nordpol der Erde schaut und sieht, dass die Gewässer in Nordamerika völlig anders sind als die in Asien.“

Mondseen entstanden vermutlich ähnlich wie Juessee im Südharz

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Die Studienautoren vermuten, dass die tiefen Seen über geologisch lange Zeiträume durch Niederschläge entstanden. Der Regen wusch allmählich die Oberfläche aus und spülte das „Gestein" aus festem Eis und gefrorenen Kohlenwasserstoffen in der Umgebung weg.

Das ist mit der Entstehung irdischer Karstseen vergleichbar, die es unter anderem in Deutschland, Frankreich und Slowenien gibt. Beispiele sind der Juessee und der Bauerngraben im Biosphärenreservat Karstlandschaft Südharz. Hier löste Wasser den anstehenden Fels aus Kalkstein.

„Titan wird immer mysteriöser“

Ein Farbmosaik der Raumsonde Cassini
(NASA/JPL-Caltech/University of Arizona/University of Idaho)

Zudem sammelte sich das herabregnende Methan in Senken, die aber keine sichtbaren Abflüsse aufweisen. Dies lässt vermuten, dass der Stoff im Boden versickert und in Flüssigkeitsreservoirs tief unter der Oberfläche landet. „Wann immer wir etwas auf Titan entdecken, wird der Mond mysteriöser“, erklärt Studienhauptautor und Cassini-Radarspezialist Marco Mastrogiuseppe vom California Institute of Technology in Pasadena. „Diese Messungen helfen uns, einige Schlüsselfragen zu beantworten. Wir verstehen die Hydrologie Titans jetzt viel besser.“

Studie beschreibt wie sich Seen auf Titan verändern

Dazu trägt auch eine weitere in „Nature Astronomy“ veröffentlichte Studie bei. Sie beschreibt anhand von Radar- und Infrarotaufnahmen, wie sich die Seenlandschaft auf dem Trabanten mit der Zeit verändert. Die Daten enthüllen die Existenz vieler so genannter temporärer Gewässer, die sich im Winter bilden und im Frühjahr wieder verdampften.

Diese Prozesse dauern indes deutlich länger als auf der Erde, da der Saturn – und mit ihm Titan – die Sonne in jeweils dreißig Jahren umläuft. Entsprechend lange halten die Jahreszeiten auf dem Mond an.

Ändern sich Seen mit der Jahreszeit?

Bei einigen Seen am Südpol, darunter der Ontario Lacus, ließen bereits frühere Beobachtungen einen Rückzug der Küstenlinien im Verlauf des Sommers erkennen. Der neuen Untersuchung zufolge treten ähnliche Effekte auch am Nordpol Titans auf, wo erheblich mehr und auch größere Seen existieren. Drei von ihnen verschwanden innerhalb von sieben Jahren sogar völlig.

„Die beste Erklärung ist, dass es ein saisonal bedingter Wandel ist“, glaubt die Planetologin Shannon MacKenzie von der John Hopkins University in Laurel (US-Staat Maryland). „Eine Möglichkeit wäre, dass diese vorübergehenden Merkmale flache Wasserkörper waren, die im Lauf der Jahreszeiten verdampften und im Untergrund versickerten.“

Woher kommt das Methan auf Titan?

Cassinis Mission endete 2017, als die Nasa-Ingenieure die Sonde zum Absturz auf Saturn brachten, wo die Sonde in der dichte Atmosphäre verglühte. Noch immer aber liefern die Daten, die sie zur Erde sandte, neue Erkenntnisse über die Himmelskörper im System des Ringplaneten.

Sie könnten den Forschern auch helfen, ein Rätsel zu lösen, das sie schon lange beschäftigt: Niemand weiß, wieso Titans Oberfläche und Atmosphäre noch große Mengen an Methan enthalten. Denn der Kohlenwasserstoff wird durch die UV-Strahlung der Sonne gespalten. Würde nicht aus einer noch unbekannten Quelle frisches Methan nachgeliefert, müsste der Stoff auf Titan längst verschwunden sein.

Forscher glauben auf Titan könnte Leben entstehen

Manche Astrobiologen glauben, dass Methanbakterien die gesuchte Quelle sind. Sie könnten in den Seen an der Oberfläche leben, oder in den unterirdischen Karsthöhlen. Eine internationale Forschergruppe fand überdies heraus, dass es in dem Gebräu größere Mengen an Acetylen geben müsse. Die Substanz könnte hoch spezialisierten Mikroorganismen als Nahrung dienen.

Die Voraussetzungen für die Entstehung von Leben auf der Eiswelt wären also gegeben. „Auch wenn Stoffwechsel und Evolution in der Kälte langsam verlaufen, könnten sich im Lauf von Jahrmilliarden interessante Organismen entwickeln“, sagt der Astrophysiker Chris Impey von der University of Arizona. Ließe sich ihre Existenz beweisen, wäre dies laut Impey ein weiterer Schritt in der kopernikanischen Revolution: Dann hätten wir Gewissheit, dass wir in einem biologischen Universum leben.

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