Nord- und Ostsee werden wärmer – das hat drastische Folgen | Weather.com

Nord- und Ostsee werden wärmer – das hat drastische Folgen

Der Anstieg der Meerestemperatur hat nicht nur Auswirkungen auf die Ökosysteme. Foto: Satellitenbild des Nordatlantik/Noaa

In den vergangenen Jahrzehnten sind die Wassertemperaturen in Nord- und Ostsee kontinuierlich gestiegen. Die Nordsee hat sich zwischen 1969 und 2017 unter Berücksichtigung der mittleren Oberflächentemperatur im Schnitt um 1,3 Grad Celsius erwärmt, im westlichen Teil der Ostsee lag der Anstieg seit 1982 bei 0,6 Grad pro Dekade. Die Zahlen stammen aus einer Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf eine schriftliche Frage der Grünen-Bundestagsfraktion.

Den steten Temperaturanstieg bestätigt auch Professor Dr. Hermann Bange vom Kieler GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Bange ist wissenschaftlicher Koordinator der Zeitserienstation Boknis Eck am Eingang der Eckernförder Bucht in der südwestlichen Ostsee. Seit 1957 werden dort Wassertemperaturen sowie zahlreiche weitere Umweltparameter aufgezeichnet.

Für Laien klinge 0,6 Grad pro Jahrzehnt möglicherweise zunächst nach nicht viel. „Für ein Ökosystem, das präzise auf einen bestimmten Temperaturbereich eingespielt ist, ist das jedoch eine ganze Menge“, sagt Bange. „Wir beobachten eine stete Verschiebung, in die immer gleiche Richtung – das ist eine besorgniserregende Entwicklung.“

Weniger Sauerstoff, weniger Nährstoffe

Im Zuge des Treibhauseffekts nimmt die Wärmeenergie in der Erdatmosphäre zu. Dadurch erwärmen sich auch die oberen Wasserschichten der Meere. Es entstehen unterschiedlich warme Wasserschichten, wobei die Temperatur mit zunehmender Tiefe abnimmt. „An der Oberfläche entsteht ein Wärmedeckel, der den Wasseraustausch zwischen den oberen und unteren Schichten hemmt“, erläutert Bange. So kann kaum noch frischer Sauerstoff in tiefere Wasserschichten gelangen.

Einerseits begünstigt das die Bildung sogenannter sauerstoffarmer Zonen. In diesen enthält das Wasser so wenig Sauerstoff, dass davon abhängige Organismen dort keine Überlebenschancen haben. Andererseits hemmt diese temperaturbedingte Schichtung, die für das Ökosystem lebenswichtige Vermischung zwischen den tieferen und oberen Wasserschichten.

Mikroorganismen bauen in den tieferen Wasserschichten unter hohem Sauerstoffverbrauch abgestorbenes organisches Material ab und generieren dabei gleichzeitig Nährstoffe. Diese benötigt das Ökosystem an der Oberfläche für die Produktion neuer Biomasse durch Phytoplankton. Je weniger Vermischung zwischen den tieferen und oberen Wasserschichten stattfindet, desto weniger Nährstoffe stehen also für das Phytoplankton in den oberen Wasserschichten zur Verfügung, auf dem wiederum wesentliche Teile der Nahrungskette beruhen.

Auswirkungen auf Fischbestände

Auf die Veränderungen reagieren viele Organismen in der See äußerst empfindlich, bestätigt der Küstenfischer Söhnke Thaden aus dem niedersächsischen Fedderwardersiel, der seinen Familienbetrieb in fünfter Generation führt.

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Aus vielen Teilen der Nordsee seien dort einst heimische Fischarten verschwunden, weil sie keine Nahrungsgrundlage mehr haben. Gleichzeitig seien andere Arten eingewandert. Thaden zufolge war in der Vergangenheit der Kabeljau der Brotfisch der deutschen Nordseefischer. Heute gehe die Art vor allem seinen Kollegen in Dänemark in die Netze. „Dafür fangen wir hier jetzt jede Menge Steinbutt – wenn mein Vater früher ein Exemplar fing, dann war das eine Sensation, die sich sofort über Funk an alle Kutter verbreitete.“

Darüber hinaus gehören Wolfsbarsch und Streifenbarbe heute im Gegensatz zu früher zu den Arten, die Thaden mit seinem Kutter häufig fängt. Auch auf die Nordseekrabben, die der Fischer ebenfalls aus dem Meer holt, wirken sich die wandelnden Fischbestände aus – die Krebstiere profitieren vom Rückgang des Kabeljaus, auf dessen Speiseplan sie stehen.

Flexibel bleiben

Obwohl er die ökologischen Veränderungen durchaus mit Sorge beobachtet, befürchtet Thaden keine Gefahr für die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Fischerei. Für seinen Sohn, der nach der kürzlich bestandenen Gesellenprüfung zum Fischwirt ebenfalls im Familienbetrieb tätig ist, sieht er auch eine Zukunft.

„In unserem Beruf leben wir von der Natur und wir haben gelernt, von ihr zu nehmen, wenn sie gibt“, sagt der Fischer. Ebenfalls wichtig für den Erfolg seien außerdem eine gewisse Flexibilität im Hinblick auf die Fangmöglichkeiten sowie die Bereitschaft, neue Märkte zu erschließen.

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