Gekommen, um zu bleiben: Invasive Arten breiten sich in Deutschland aus | Weather.com
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Gekommen, um zu bleiben: Invasive Arten breiten sich in Deutschland aus

ARCHIV - 31.05.2021, Baden-Württemberg, Rheinstetten: An einem Tümpel in Baden-Württemberg wird ein lebender Kalikokrebs gezeigt. Die Kalikokrebse sind eine Bedrohung für Gewässer im Südwesten bis Rheinland-Pfalz und nach Hessen geworden. (zu dpa «Globalisierung in der Natur - Invasive Arten auch in Rheinland-Pfalz») Foto: Uli Deck/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Der nordamerikanische Kalikokrebs gehört zu den Arten, die auch in Rheinland-Pfalz besonders viel Schaden hinterlassen
(Uli Deck/dpa)

Dem Bundesamt für Naturschutz zufolge haben sich in Deutschland in den vergangenen 500 Jahren rund 900 gebietsfremde Tier- und Pflanzenarten in der Natur dauerhaft etabliert. Dazu kommen rund 1640 gebietsfremde Pflanzen-, 38 Pilz- und 460 Tierarten, die bislang nur vereinzelt nachgewiesen wurden. Einige setzen heimischen Arten zu - auch in Rheinland-Pfalz.

"Vielen wärmeliebenden Arten gelingt es über das Oberrheingebiet, der wärmsten Region Deutschlands, sich bei uns anzusiedeln", sagt Astrid Kleber vom Rheinland-Pfalz Kompetenzzentrum für Klimawandelfolgen im pfälzischen Trippstadt. In den vergangenen Jahrzehnten habe sich etwa die Asiatische Tigermücke erst in Baden-Württemberg und seit 2017 in Rheinland-Pfalz etabliert. «Die Art stellt ein Gesundheitsrisiko dar - sie kann sehr gefährliche Krankheitserreger übertragen», sagt Kleber.

Hochallergene Beifuß-Ambrosie auf dem Vormarsch

Unter den Pflanzenarten stehe in Rheinland-Pfalz unter anderem die Beifuß-Ambrosie unter Beobachtung, schildert die Biologin. "Auch sie profitiert von steigenden Temperaturen, die ihr erlauben, zur Samenreife zu gelangen. Diese Art stellt ein hohes Gesundheitsrisiko dar, da ihre Pollen hochgradig allergen sind", sagt Kleber. Vorkommen konzentrierten sich bisher auf den Süden von Rheinland-Pfalz.» Eine EU-Verordnung liste gebietsfremde Arten auf, deren weitere Ausbreitung möglichst verhindert werden soll. "Von den 32 bereits in der EU etablierten Arten kommen 27 in Rheinland-Pfalz vor."

Nicht heimische Tier- und Pflanzenarten, die im heimischen Ökosystem Schaden anrichten, werden dem rheinland-pfälzischen Umweltministerium zufolge als invasive Arten bezeichnet. "Sind sie erst mal verbreitet, ist es schwer, sie zu bekämpfen", erklärt eine Sprecherin. Einen allgemeinen Maßnahmenkatalog gebe es nicht - dafür seien die Arten zu unterschiedlich. Über Maßnahmen werde nach Einzelfall entschieden.

Mangel an natürlichen Feinden erleichtert schnellere Ausbreitung

Bekämpft wird etwa die Asiatische Tigermücke. "In Deutschland wurde sie erstmals 2007 an einem Rastplatz an der A5 bei Bad Bellingen nachgewiesen", sagt Dirk Reichle von der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (Kabs). Seitdem häuften sich die Funde, insbesondere in Südwestdeutschland. "In den folgenden Jahren kamen weitere Populationen hinzu, besonders in der klimatisch begünstigten Oberrheinebene", schildert Reichle. Obwohl aus dem Süden, könne die Art im Ei-Stadium problemlos überwintern.

ARCHIV - 23.10.2020, Rheinland-Pfalz, Speyer: Dirk Reichle, Wissenschaftlicher Direktor der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (Kabs), steht am Rheinufer (zu dpa «Globalisierung in der Natur - Invasive Arten auch in Rheinland-Pfalz»). Foto: Uwe Anspach/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Dirk Reichle, Wissenschaftlicher Direktor der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (Kabs), steht am Rheinufer
(Uwe Anspach/dpa)

Natürliche Feinde, die speziell Tigermücken fressen, gebe es nicht. "Die Ausbreitung zu erschweren, ist sehr schwierig und nur durch eine frühzeitige Bekämpfung zu verhindern", betont der Wissenschaftliche Kabs-Direktor in Speyer. Hier sei man auf die Bevölkerung angewiesen, da sich die Brutstätten häufig auf Privatgelände befänden. Ein weiterer Einwanderer sei der Japanische Buschmoskito. "Die Art kommt nahezu flächendeckend am Oberrhein vor." Daneben sei der Koreanische Buschmoskito in Wiesbaden nachgewiesen worden.

"Oberrheingebiet ist ein Einfallstor für Arten aus Südeuropa"

Kleber zufolge gelangen viele gebietsfremde Arten durch den globalen Warenverkehr nach Rheinland-Pfalz. "Das Oberrheingebiet ist ein besonderes Einfallstor für Arten aus Südeuropa, die sich zunehmend durch den Klimawandel bei uns etablieren können", sagt die Biologin.

Ob sie dabei Arten verdrängen oder die Ökosysteme verändern, hänge von vielen Faktoren ab. Hingegen könnten andere einwandernde Arten eine Bereicherung sein - beispielsweise werden gebietsfremde Baumarten mit höherer Trockenheits- und Hitzeresistenz zum Erhalt von Stadtgrün und zur Unterstützung der Baumartenvielfalt eingeführt.

Nordamerikanische Krebse werden zur "Problem-Art"

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Der nordamerikanische Kalikokrebs gehört zu den Arten, die auch in Rheinland-Pfalz besonders viel Schaden hinterlassen. "Der Kalikokrebs frisst alles leer", sagt Biologin Anne Schrimpf von der Universität Koblenz-Landau. Als Angelköder sei der Kalikokrebs bei Baden-Baden wohl schon vor Jahrzehnten in den Rhein gelangt und habe sich verbreitet. "Einzelne Tiere haben es schon bis in die Niederlande geschafft." In Rheinland-Pfalz ist die Art vor allem in der Pfalz zu finden - das geht aus Daten des Landesamts für Umwelt (Mainz) hervor.

Für Flora und Fauna ist der Kalikokrebs eine Katastrophe. Zu seiner Speisekarte gehörten Fisch- und Froscheier sowie Insekten, erklärt Schrimpf. "Amphibien und Fische können sich nicht vermehren, weil die Brut weggefressen wird." Zudem fresse der Kalikokrebs für die Wasserqualität wichtige Pflanzen. Auch der aus Nordamerika stammende Signalkrebs ist Schrimpf zufolge eine "Problem-Art". Inzwischen sei die Art "sehr massiv in Rheinland-Pfalz vertreten" und einer der Überträger der Krebspest. Der Signalkrebs sei dagegen resistent - dies seien die in Europa heimischen Flusskrebsarten aber nicht.

Europäische seltene Krebsarten leiden unter dem Klimawandel

In einem von der EU geförderten grenzüberschreitenden Artenschutzprojekt werde derzeit versucht, den europäischen Steinkrebs in der Oberrheinregion (Pfälzer Wald und Nordvogesen) zu retten, schildert die Biologin. "Leider konnten bisher keine der in ganz Europa seltenen Steinkrebse mehr in der Pfalz nachgewiesen werden." Dass Steinkrebse stark unter dem Klimawandel leiden, zeigten auch Untersuchungen etwa in Baden-Württemberg. Steinkrebse leben an kühlen Oberläufen und in kleineren Bächen. Warme Sommer lassen diese vermehrt austrocknen, immer mehr Steinkrebspopulationen verschwinden.

Schrimpf und ihre Kollegen geben jedoch nicht auf. Dabei sollen Analysen von Wasserproben helfen, mit denen die DNA der Steinkrebse gefunden werden soll. Ziel sei es, die letzten Steinkrebse der Pfalz in Zusammenarbeit mit erfahrenen Flusskrebszüchtern zu vermehren und an anderen Stellen wieder auszusetzen. "Auf der französischen Seite", erinnert Schrimpf, "hatten die Kollegen damit bereits Erfolge."

Ansiedeln neuer Arten ist "immer ein Spiel mit dem Feuer"

Wenn Tiere in nicht heimischen Gebieten Fuß fassen, ist dafür nach Einschätzung des Biologen Christian Dietzen von der Gesellschaft für Naturschutz und Ornithologie in Mainz oft der Mensch verantwortlich. So sei zum Beispiel die Kanadagans nach Europa eingeschleppt worden - "Um sich an dem schönen Anblick zu erfreuen." Pelztierzüchter hätten den Waschbären angesiedelt, um sein Fell nutzen zu können. Dietzen sieht das Einbringen kritisch. "Das ist immer ein Spiel mit dem Feuer", sagt der Biologe. "Man weiß nie, wie es sich entwickelt."

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