Klimawandel und steigende Meeresspiegel bedrohen Ägyptens Kornkammer | Weather.com
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Klimawandel und steigende Meeresspiegel bedrohen Ägyptens Kornkammer

Im Nildelta sind die Folgen des Klimawandels für ägyptische Bauern bereits spürbar: Einsickerndes Salz frisst Wurzeln weg, verkrustet Felder - und macht sie unbenutzbar. Foto: Nariman El-Mofty/AP/dpa
Im Nil-Delta sind die Folgen des Klimawandels für ägyptische Bauern bereits spürbar: Einsickerndes Salz frisst Wurzeln weg, verkrustet Felder - und macht sie unbenutzbar.
(Nariman El-Mofty/AP/dpa)

Sajed Abuel-Ess hat schon erlebt, dass das Salzwasser seine Ernte verkümmern hat lassen. Jetzt sorgt sich der Landwirt in Ägyptens Nildelta, dass es den Mango-Bäumen auf seinem Land nicht weit vom Mittelmeer entfernt ähnlich ergehen wird - obwohl er umgerechnet Zehntausende Euro ausgegeben hat, um das zu verhindern. „Wenn es steigt, werden die Bäume sterben“, sagt Abuel-Ess und blickt dabei in Richtung des Meerwassers.

Hier, in dieser Gegend, sind die Folgen des Klimawandels schon seit Langem für die Bauern sichtbar, zeigen sich in dem einsickernden Salz, das Wurzeln wegfrisst und ihre Felder verkrustet, sie nutzlos macht. Sie zahlen ein Vermögen für Lastwagen-Ladungen mit Erde, um ihre Anbauflächen aufzuschütten, so anzuheben, dass das durch steigende Meeresspiegel in den Boden gedrückte Salz ihre Pflanzen vielleicht nicht erreicht. Aber es wird immer schlimmer.

Nil-Delta ist ein Hotspot des Klimawandels

Auch Busfahrer können die Veränderungen sehen: jeden Winter sind mittlerweile Teile der wichtigen Fernstraße entlang der ägyptischen Küste überflutet, berichten sie.

Das Nildelta - da, wo der Fluss ins Mittelmeer mündet - ist einer der drei verwundbarsten Hotspots für die Auswirkungen des Klimawandels auf der Welt, wie es in einem Bericht des UN-Weltklimarates im Jahr 2007 hieß. Da liegt es auf der Hand, dass die ägyptische Regierung die Bedrohung des Gebietes ansprechen wird, wenn das Land vom 6. bis 18. November Gastgeber des UN-Klimagipfels COP27 ist.

40 Prozent der ägyptischen Bevölkerung ist Nil-Delta beheimatet

Das Delta umfasst etwa 240 Quadratkilometer, beginnt just nördlich der Hauptstadt Kairo, wo sich der Nil auffächert. Die Flussarme haben auf ihrem Weg ins Meer Schlamm abgelagert und damit den reichen fruchtbaren Boden geschaffen, der das Gebiet seit dem Altertum zur Kornkammer für die Herrschenden gemacht hat.

Es ist dicht bevölkert, beheimatet etwa 40 Prozent der 104 Millionen Einwohner Ägyptens und macht den UN zufolge etwa die Hälfte der Wirtschaft des Landes aus. Agrarwirtschaft und Fischerei entlang der zwei Arme des Nils, Rosetta im Westen und Damietta im Osten, helfen, das Land zu ernähren und liefern Produkte für den Export.

Aber all das ist zunehmend durch den Klimawandel gefährdet. Ein Viertel des Deltas befindet sich auf der Höhe oder unterhalb des Meeresspiegels. Steigt dieser zwischen 0,5 und einem Meter an, was laut einem der Worst-Case-Szenarien des Weltklimarates bis 2100 geschehen könnte, würde das die Küstenlinie um einige Kilometer nach innen verschieben, große Gebiete überschwemmen und mehr Boden durch Salz unfruchtbar machen. Das hat eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern kürzlich in einem Bericht vor Augen gehalten.

Bauern können ein Großteil der Früchte nicht mehr anbauen

Die Nachrichtenagentur AP hat mit Dutzenden Bauern, Fischern und anderen Einwohnern in mehreren Dörfern und Städten an der Mittelmeerküste gesprochen. Sie sagen, dass sie die Auswirkungen des Klimawandels seit Jahren spüren, insbesondere in der Form steigender Meeresspiegel. Hamdi Salah, ein 26-jähriger Bauer nahe der Stadt Rosetta im westlichen Delta, schildert, dass man einst eine Vielzahl von Feldfrüchten angebaut habe, Tomaten, Auberginen, Kürbisse und anderes Gemüse. Jetzt seien es überwiegend Mangos und Zitrusfrüchte, denn diese Bäume könnten das Salz besser verkraften.

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„Wir haben andere Früchte wie Äpfel versucht, aber Salzwasser hat auch hier die Wurzeln getötet“, sagt der junge Ägypter.

„Du siehst die Bäume vor deinen Augen sterben“

Die Familie von Abuel-Ess hat seit Generationen Landwirtschaft in Rosetta betrieben, er und sein Bruder bewirtschaften zwei Felder mit Mangos und Zitrusfrüchten, jeweils gut zwei Hektar. Vor zehn Jahren haben sie ihr Land wegen des versalzten Bodens aufgeschüttet, ein Feld um einen Meter gehoben, das zweite um zwei Meter. Es kostete sie umgerechnet gut 100.000 Euro nach heutigen Preisen, wie Sajeds Bruder, Saber Abuel-Ess, sagt. Das Aufschütten zusammen mit einem vom Staat gebauten Abflusssystem zur Reduzierung des Salzes verschaffte ihnen etwas Zeit. „Es war teuer, aber es gab keine Alternative“, so der 36-jährige Sajed.

Auf der anderen Seite des Flusses bedeckt getrocknetes Salz ehemaliges Anbauland nahe der Stadt Mutubas. Landwirte haben hier auf angehobenen Feldern ebenfalls Mangos angebaut. Für Uf al-Sughbi ist es schon der dritte Versuch, zwei Mal scheiterte er am Salz im Boden. „Du siehst die Bäume vor deinen Augen sterben“, sagt der 47-Jährige.

Barrieren sollen steigenden Meeresspiegel fernhalten

Im Osten des Deltas sind Betonbarrieren direkt außerhalb der Stadt Port Said errichtet worden, um das ansteigende Wasser zurückzuhalten. Sie seien hässlich, sagt der 61-jährige Abdel-Waschab Ramadan, der sich noch gut an früher erinnert, als er seine Sommerurlaube an den schönen Stränden mit ihrem weißen Sand verbrachte. Jetzt spielen seine Enkelkinder im schlammigen seichten Wasser an den Barrieren - die nur begrenzt helfen. Sie reichten nicht aus, um in jüngsten Wintern zu verhindern, dass Restaurants und Cafés am Strand von Ras al-Bar überflutet wurden. Viele machen jetzt während der Wintermonate dicht.

Die Betonwälle und Abflusssysteme sind Teil der Bemühungen der Regierung, das Delta vor den Auswirkungen des Klimawandels zu schützen. Insgesamt wurden die Barrieren auf einer Strecke von 120 Kilometern an der etwa 990 Kilometer langen ägyptischen Mittelmeerküste errichtet, wie der frühere Minister für Wasserressourcen und Bewässerung, Mohamed Abdel-Atti, im Januar sagte.

Aber das alles sind natürlich nur kleine Schritte im Angesicht eines immensen globalen Problems. „Obwohl Ägypten (nur) 0,6 Prozent der weltweiten Kohlendioxid-Emissionen produziert, ist es eines der anfälligsten Länder für die Folgen des Klimawandels“, sagt Mohammed Abdel Monem, ein Berater der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation. „Und der Agrarsektor sowie die Nahrungsmittelproduktion sind am meisten betroffen.“

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