Fische und Kamele statt Rinder: Hirten in Kenia steigen nach Dürre um | Weather.com
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Fische und Kamele statt Rinder: Hirten in Kenia steigen nach Dürre um

15.10.2022, Kenia, Samburu: Ein Esel, der aufgrund der D¸rre gestorben ist, liegt in der N‰he des Dorfes Kom im Bezirk Samburu. Generationen von Ostafrikanern haben das Grundwasser in der W¸ste genutzt um in der trockenen Umgebung zu ¸berleben. Die D¸rreperioden in der Region verschlimmern sich aufgrund des Klimawandels. Foto: Brian Inganga/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Aufgrund einer langanhaltenden Dürre starben in Kenia viele Rinder und andere Nutztiere. Langsam satteln die Einwohner um.
(Brian Inganga/AP/dpa)

Das Fleisch, die Milch und das Blut von Rindern waren lange Grundnahrungsmittel für die Massai, die wohl bekannteste Volksgruppe Kenias. Doch der Klimawandel zwingt sie nun, ein ihnen bislang weitgehend unbekanntes Lebensmittel in Betracht zu ziehen: Fisch.

Bei einer einjährigen Dürre waren zuletzt Millionen Nutztiere verendet. Ältere Massai hoffen noch darauf, dass es sich um ein vorübergehendes Problem handelt und sie ihr traditionelles Leben als Hirten wieder aufnehmen können. Andere gewöhnen sich langsam an das Fischessen.

F​ische galten lange als "Schlangen"

Wegen ihrer Form wurden Fische hier lange der Schlangen-Familie zugeordnet und galten daher als nicht essbar. Ihr Geruch wurde von den Massai als merkwürdig und unangenehm wahrgenommen. "Wir haben nie in der Nähe von Seen und Meeren gelebt, deshalb war Fisch uns sehr fremd", sagt der Vorsitzende des Ältestenrats, Kelena ole Nchoi. "Wir sind damit aufgewachsen, dass unsere Ältesten Kühe und Ziegen gegessen haben."

Bei den Massai und anderen Hirtenvölkern in Kenia und weiteren Ländern Ostafrikas wie den Samburu, Somali und Borana gelten Rinder auch als Statussymbol, Quelle des Wohlstands und Element wichtiger kultureller Ereignisse, etwa als Teil der Aussteuer bei Hochzeiten.

Doch die lange Trockenheit in weiten Teilen Ostafrikas hinterließ Kadaver ausgemergelter Rinder auf weiten, ausgetrockneten Flächen. In Kenia starben 2,6 Millionen Nutztiere im geschätzten Wert von 226 Milliarden Kenia-Schilling (rund 1,6 Milliarden Euro), wie die Behörden des Landes Anfang 2023 bekanntgaben.

Z​ur Fischzucht ermutigt

Unterdessen ließen die zunehmende Urbanisation und das Bevölkerungswachstum die freien Weideflächen schrumpfen. Viehhirtinnen und -hirten müssen sich auf anderen Wegen ihr Überleben sichern. Im Bezirk Kajiado in der Nähe der Hauptstadt Nairobi unterstützt die lokale Regierung Fischzucht-Projekte für Hirtenvölker – und ermutigt die Menschen auch zum Verzehr des Fischs.

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Wie viele andere Massai-Frauen hat Charity Oltinki früher Perlenschmuck gefertigt, und ihr Mann war für die Viehherde der Familie zuständig. Doch durch die Dürre verloren sie fast 100 Kühe, von ihren 300 Schafen überlebten nur 50. "Das Land war kahl, die Kühe hatten nichts mehr zum Grasen", sagte Oltinki. "Deshalb habe ich beschlossen, ein Stück Land stillzulegen, um Fische zu züchten und zu sehen, wie es läuft."

Die Bezirksregierung stellte ihr Teichfolien, die ersten jungen Buntbarsche und etwas Futter zur Verfügung. Mit den Ersparnissen aus ihrer Mitgliedschaft in einer Genossenschaft sicherte sich Oltinki einen Kredit für den Bau eines Brunnens – denn Wasser ist nach wie vor knapp. Nach sechs Monaten konnte sie die ersten mehrere Hundert Fische verkaufen, die größten davon für bis zu 300 Kenia-Schilling (2,10 Euro).

K​amele sind einfacher zu züchten

Ihre Liebe für Rinder teilen die Massai mit der Volksgruppe der Samburu, die im Norden von Kenia lebt. Auch deren Mitglieder sahen sich durch die Dürre gezwungen, nach Alternativen Ausschau zu halten. Abdulahi Mohamud aus der Ortschaft Lekiji etwa verlor seine 30 Rinder und versucht es nun mit Tieren, die besser mit Trockenheit zurechtkommen: Er hütet jetzt 20 Kamele. "Kamele sind leichter aufzuziehen, weil sie sich vor allem von Sträuchern ernähren und unter raueren Bedingungen überleben können", erklärt der 65-Jährige. "Rinder sterben alle, wenn die Weiden austrocknen."

Ein kleines Kamel koste zwar zwischen 80.000 und 100.000 Kenia-Schilling, während eine Kuh bereits für 20.000 bis 40.000 zu haben sei, sagt Mohamud. Aufgrund ihrer Widerstandsfähigkeit seien die Kamele aber die Investition wert.

Auf einer großen Weidefläche in der Nähe hütet die 26-jährige Musalia Piti die 60 Kamele ihres Vaters. Die Familie büßte während der Dürre 50 Rinder ein und beschloss, in Kamele zu investieren. Sobald sie für eine traditionelle Zeremonie eine Kuh benötigen, können sie ein Kamel verkaufen. Denn Rinder sind als Brautpreis nach wie vor sehr gefragt, wie der 59-jährige Samburu Lesian Ole Sempere erklärt: "Man muss alles Notwendige tun, um für Heiratszeremonien Kühe zu finden, auch wenn unsere Herden heute kleiner sind."

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