Hochwasser in den USA: Kreative Lösungen gegen steigenden Meeresspiegel

Renaturierte Moore, Austernriffe und innovative Schutzbauten sollen Strände, Städte sowie Lebensräume sichern und Klimafolgen abmildern.

Mitarbeiter arbeiten am Wildschutzzaun auf dem Gelände Pond A2W des South Bay Salt Pond Restoration Project in Mountain View, Kalifornien.(AP Photo/Godofredo A. Vásquez)
Mitarbeiter arbeiten am Wildschutzzaun auf dem Gelände Pond A2W des South Bay Salt Pond Restoration Project in Mountain View, Kalifornien.
(AP Photo/Godofredo A. Vásquez)

In der Bucht von San Francisco verwandeln sich vor über einem Jahrhundert angelegte Salzteiche wieder in Marschland. In New York und New Jersey sind die vom Sturm Sandy verwüsteten Strände umfassend saniert. In Alabama schützt eine wiederaufgebaute Landzunge eine historische Ortschaft und bietet Lebensraum für Wildtiere. Küstengemeinden in den USA wehren sich mit kreativen Mitteln gegen den steigenden Meeresspiegel und stärkere Sturmfluten, die an den Küsten nagen, das Salzwasser ins Landesinnere drücken und Ökosysteme bedrohen.

Der voranschreitende Klimawandel mit kräftigeren und zerstörerischeren Stürmen macht die Arbeiten dringlicher, wie Forschende erklären. "Je früher wir diese Küsten widerstandsfähiger machen können, desto besser", sagt Doug George, geologischer Ozeanograph der US-Wetter- und Ozeanographiebehörde NOAA.

Golfküste - anfällig für Hurrikane

In den USA ist wohl keine Region anfälliger als die hurrikangefährdete Golfküste. Allein der US-Bundesstaat Louisiana verlor in den vergangenen 100 Jahren laut der Geologie-Behörde USGS mehr als 5180 Quadratkilometer Küstenlinie – mehr als jeder andere Bundesstaat der USA. In der Vergangenheit bauten Sedimente des Mississippis und anderer Flüsse Land wieder auf und stabilisierten das uferschützende Marschland. Diese Funktion wurde jedoch durch den Bau von Kanälen und Deichen gestört.

Neue Küstenschutzbehörde nach Hurrikan Katrina

Besonders deutlich wurde das, als Hurrikan Katrina im Jahr 2005 Hochwasserschutzmauern und Deiche durchbrach. 80 Prozent der Stadt New Orleans wurden überschwemmt, fast 1400 Menschen kamen ums Leben. Danach gründete der Bundesstaat eine Behörde für den Küstenschutz, die Coastal Protection and Restoration Authority, um die Risiken durch Sturmfluten zu verringern und Landverluste einzudämmen.

Rund 18 Milliarden Dollar wurden in den vergangenen 20 Jahren investiert. Das meiste Geld floss in die Sicherung von Deichen, Hochwasserschutzmauern und anderer Bauwerke, wie die Behörde mitteilte. Aber auch die Renaturierung von Sümpfen und Flussläufen war Teil der Arbeiten. Im Rahmen eines Projekts in Louisiana sollen die Chandeleur Islands mit eingepumptem Sand stabilisiert werden. Das werde Sturmfluten dämpfen und Meeresschildkröten und anderen Wildtieren zugutekommen, sagte Katie Freer-Leonards, die die Entwicklung des Küstenmasterplans 2029 des Bundesstaates leitet.

"Bremssysteme" gegen Küstenerosion

Die Behörde lässt auch einen Kanal graben, um Wasser und Sedimente des Mississippi in einen Teil des Maurepas-Sumpfgebiets fließen zu lassen, ein etwa 560 Quadratkilometer großes, bewaldetes Feuchtgebiet nordwestlich von New Orleans. Wegen der vielen Deiche liege das Gebiet seit über einem Jahrhundert im Sterben, sagt Projektmanager Brad Miller.

In Alabama errichtete die Naturschutzorganisation The Nature Conservancy im Fischerdorf Bayou La Batre Wellenbrecher vor der Küste, pumpte anschließend Sedimente hinein und errichtete Wälle, die inzwischen mit Vegetation bedeckt sind. Dadurch entstand eine Art "Bremssystem", das zum Schutz der Gemeinde vor Erosion beitrage, sagt die Leiterin der Küstenprogramme der Alabama Nature Conservancy, Judy Haner. Die Organisation legte außerdem kilometerlange Austernriffe an und kaufte Landflächen abseits der Küste, um Lebensräume für Tiere zu schaffen, die vor dem eindringenden Meerwasser fliehen.

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Solche Bemühungen werden nicht alle Landverluste verhindern, räumt die Wissenschaftlerin Denise Reed ein, die am Masterplan für Louisianas Küste arbeitet. Aber sie könnten der Region Zeit verschaffen.

Pazifikküste - gefährdet durch Atmosphärische Flüsse

An der Westküste blicken Ortschaften nicht nur mit Bangen auf den Anstieg des Meeresspiegels, sondern fürchten auch Starkregen, der von sogenannten Atmosphärischen Flüssen ausgelöst wird - feuchtigkeitsgesättigter Luft, die in kurzer Zeit enorme Regenmengen abladen kann. Entlang der gesamten Küste werden Marschland und Flussmündungen, die für Landwirtschaft und Industrie trockengelegt wurden, wieder vernässt, zum Schutz der Lebensräume und der Küsten.

Die Wiederherstellung von Lebensräumen und nicht der Klimawandel war das Hauptanliegen, als vor etwa 20 Jahren mit der Planung zur Wiedervernässung des Marschlandes am südlichen Ende der Bucht von San Francisco begonnen wurde. Das Gebiet war durch die Anlage von Teichen zur Meersalzgewinnung zerstört worden.

Doch während sich die Teiche auf natürliche Weise mit Sedimenten füllen und Sumpfpflanzen zurückkehren, "erkennen wir, dass ... Sümpfe Wellenenergie, Sturmfluten und die Kraft von Fluten absorbieren", erklärt Dave Halsing, leitender Projektmanager des Küstenschutzes in Kalifornien. Dieser Effekt schützt Deiche, Land und damit Menschen entlang der Küste.

Auch an der Küste Alaskas und auf Hawaii laufen Projekte, bei denen die einheimische Bevölkerung alte Felsenbecken wiederaufbaut, die ursprünglich zum Fischfang gedacht waren, aber auch vor Sturmfluten schützen.

Atlantikküste

In der Region erinnert man sich noch gut an den Hurrikan Sandy, der sich im Herbst 2012 mit anderen Stürmen vereinte und über eine Rekordlänge von 1600 Kilometern enorme Mengen Meerwasser in die Küstengemeinden drückte. Künftige Sturmfluten könnten noch mehr Schäden anrichten, weil der Meeresspiegel in einigen Gebieten innerhalb von 50 Jahren um bis zu einen Meter ansteigen könnte, sagte Donald E. Cresitello, Ingenieur und leitender Küstenplaner beim Pionierkorps des Heeres der USA.

Das Korps hat Strände, Dünen und künstliche Strukturen von Massachusetts bis Virginia wiederhergestellt und wendet sich nun Gebieten im Landesinneren zu, die zunehmend anfällig für stärkere Sturmfluten sind. "Wenn ein Fluss an die Küste gelangt, kann die Sturmflut je nach Sturm einfach den Fluss hinaufschwappen", erklärt Cresitello.

Dort lebten und arbeiteten viele Menschen, sagt George von der NOAA. Daher sei der Schutz dieser Gebiete auch für die amerikanische Wirtschaft von Bedeutung. Aber es sei auch wichtig, die kulturellen Errungenschaften mehrerer Generationen zu bewahren. Den Menschen sollte so etwas nicht egal sein, denn es gehe um ihre gesamte Lebensweise.

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