Tödliche Gefahr: Viele Störche fressen und verbauen Plastik | The Weather Channel
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Tödliche Gefahr: Viele Störche fressen und verbauen Plastik

05.11.2020, Baden-Württemberg, Muggensturm: Storchenbetreuer Stefan Eisenbarth zeigt Unrat, den er in einem Storchennest (im Hintergrund zu sehen) gefunden hat. Was ein Storch nicht verdauen kann, würgt er in großen Klumpen wieder hoch. Eine Karlsruher Studentin hat viele solcher sogenannten Gewölle untersucht und dabei Alarmierendes gefunden.   (zu dpa: «Viel Plastikmüll im Gewölle von Störchen») Foto: Uli Deck/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Storchenbetreuer Stefan Eisenbarth zeigt Unrat, den er in einem Storchennest gefunden hat.
(Uli Deck/dpa)

Ein orange-rosa schimmernder Kringel auf der Erde - ein Regenwurm? Mit einem Happs steckt er im Schnabel des Storches. Der Vogel schluckt seine Beute direkt oder bringt sie zu seinen Jungen, die im Nest auf Futter warten. Hat der Storch Pech, dann hat er allerdings gerade ein Haushaltsgummi vom Boden aufgelesen.

Studentin untersucht Gewölle von Störchen

Nach dem Fressen speit ein Storch in großen Klumpen wieder aus, was er nicht verdauen kann. Die 28 Jahre alte Studentin Franziska Fritz hat viele dieser Klumpen - sogenannte Speiballen oder Gewölle - auseinandergenommen, um zu sehen, was die Störche in ihrer Gegend an unverdaulichen Dingen gefressen haben.

Schnüre und Gummis können gefährlich werden

„Von weicher Nahrung, etwa Nacktschnecken, bleibt hinterher nichts mehr übrig“, erklärt Fritz, die in Karlsruhe Biodiversität und Umweltbildung studiert. In einigen Gewöllen fand sie Skelettreste kleiner Tiere, Panzerteile von Insekten oder Krebsen, Erde und Gras. In anderen jedoch auch Schnüre, Gummis in verschiedenen Formen und Farben und Scherben aus Hartplastik. „Das könnte beim Hochwürgen gefährlich sein“, sagt Fritz.

Plastik in jedem dritten Klumpen

Die 28-Jährige hat gut 170 Gewölle aus verschiedenen Storchennestern zwischen Iffezheim im Kreis Rastatt und Altlußheim im Rhein-Neckar-Kreis untersucht. In rund jedem dritten der ausgewürgten Klumpen fand sie Plastikteile. Wie ein Gewölle zeigte, hatte ein Storch auch mal vier oder fünf Gummibänder auf einmal ausgewürgt.

Jungstorch stirbt an Luftballon im Magen

Offenbar gelingt es den Vögeln nicht immer, gefressenen Müll wieder auszuspeien. Storchenbetreuer Stefan Eisenbarth fand im Juni in einem Rheinstettener Horst einen toten Jungstorch mit einem Luftballon im Magen. „Der hat den Luftballon gefressen, konnte ihn aber nicht mehr herauswürgen und ist da dran verendet“, sagt Eisenbarth.

Storchenbetreuer reinigen Nester von Plastik

Seit Jahren reinigt der Storchenbetreuer ehrenamtlich Storchennester, und sieht, wie viel Plastikmüll sich die Vögel in ihre Nester holen - als Nistmaterial oder vermeintliches Fressen. „Dass die Vögel so viele der gefundenen Kunststoffteile auch fressen, hat mich jedoch schockiert.“

Verhungern mit vollem Magen

Wenn ein Vogel es nicht schafft, das Plastik wieder auszuspeien, kann er sich damit den Magen verstopfen, erklärt Lars Lachmann, Vogelexperte des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu). „Der hätte dann ein ständiges Sättigungsgefühl und würde irgendwann aufhören, zu fressen, und dann verhungern – mit vollem Magen.“ Wahrscheinlich werde das Plastik im Magen auch bereits anverdaut. Und die chemischen Stoffe, die sich dabei lösen, seien vermutlich ungesund für den Storch. Lachmann selbst habe bislang allerdings von noch keinem Storch gehört, für den gefressenes Plastik lebensbedrohlich geworden wäre.

Plastik im Horst bringt Gefahren

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Als größere Gefahr sieht der Ornithologe den Plastikmüll, den die Vögel als Nistmaterial in ihren Nestern verbauen. Auch Stefan Eisenbarth musste schon Störche von eingewachsenen Kunststoffschnüren befreien. Befinden sich große Plastikteile in einem Horst, kann der Regen nicht mehr ablaufen und die Jungstörche erfrieren, durch größere Mengen Müll kann ein Nest auch zu schwer werden und abstürzen.

Störche nicht wählerisch bei der Nahrung

Im Gegensatz zu anderen fleischfressenden Vögeln seien Weißstörche nicht sehr wählerisch bei ihrer Nahrung, erklärt Lachmann. „Eulen fangen lebende Mäuse und fressen nichts, was tot rumliegt.“ Da bestehe wenig Verwechslungsgefahr zwischen der Beute und Kunststoffmüll. Anders sei es bei Störchen, „die alles fressen, was so ein bisschen nach etwas Essbarem aussieht.“

Störche verwechseln Plastik leicht

Gerade im Winterquartier in Spanien ernähren sich Störche häufig auf Mülldeponien, sagt Wolfgang Fiedler, Ornithologe vom Max-Planck-Institut. „Störche können anscheinend bei vielen Plastikteilen nicht erkennen, dass das nicht organische Dinge sind.“ Da werde auch schnell mal ein Gummi mit einem Wurm verwechselt.

Müll gelangt auch über Klärschlamm ins Abwasser

Neben Mülldeponien finden Störche laut Lachmann Plastikmüll oft auf Feldern. Der Müll gelange über unser Abwasser in Klärschlamm und könne darüber schließlich wieder auf den Feldern landen. Menschen sollten daher aufpassen, was sie in die Toiletten werfen, so Lachmann. „Und natürlich keinen Müll draußen rumliegen lassen.“

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