Käufer werden in die Irre geführt: Warum Bio-Plastik noch keine Alternative ist | The Weather Channel
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Käufer werden in die Irre geführt: Warum Bio-Plastik noch keine Alternative ist

In der EU wird jedes Jahr rund 26 Millionen Tonnen Plastik weggeworfen. Können sogenannte Bio-Kunststoffe helfen, das Problem zu bewältigen?
(Getty Images )

Verpackungen, Kleidung, Spielzeug – im Alltag sind Kunststoffe allgegenwärtig. Allein in der EU kommen jedes Jahr rund 49 Millionen Tonnen des Materials in Umlauf. Gleichzeitig werden EU-weit jährlich etwa 26 Millionen Tonnen Kunststoffe weggeworfen.

Doch mit etwa zwei bis drei Millionen Tonnen wird nur ein geringer Teil davon nach dem Gebrauch recycelt. Viel häufiger landet Plastikmüll auf Deponien, wo er zum Teil für mehrere Jahrhunderte verbleibt. Das gilt leider auch für die freie Natur. Können sogenannte Bio-Kunststoffe helfen, das Problem zu bewältigen?

Ein Begriff, unterschiedliche Produkte

Grundsätzlich sollte man wissen: Bio ist nicht gleich Bio. Das gilt nicht nur für Lebensmittel, sondern auch in Hinblick auf Kunststoffe. Denn für die Bezeichnung Bio-Plastik gibt es keine verbindliche Definition. Vielmehr ist sie ein Sammelbegriff für verschiedene und zum Teil sehr unterschiedliche Kunststoffe.

So gibt es einerseits Plastikarten, die unter bestimmten Bedingungen abbaubar bzw. kompostierbar sind. Wie herkömmliche Kunststoffe bestehen sie aber aktuell hauptsächlich aus fossilen Rohstoffen wie beispielsweise Erdöl oder Erdgas.

Dagegen werden sogenannte bio-basierte Kunststoffe zumindest anteilig aus nachwachsenden pflanzlichen Rohstoffen hergestellt. Beides ist nicht synonym: bio-basierte Kunststoffe sind nicht zwangsläufig biologisch abbaubar, umgekehrt muss abbaubares Plastik nicht zwingend aus natürlichen Rohmaterialien hergestellt sein. Recycelbar sind ebenfalls nicht alle Bio-Kunststoffe.

Biologisch abbaubare Kunststoffe

Ob ein Kunststoff als biologisch abbaubar bezeichnet werden darf, ist per Europäischer Norm festgelegt: Dazu muss das Material gemäß EN 13432 in einer industriellen Kompostieranlage innerhalb von 12 Wochen zu mindestens 90 Prozent abgebaut werden.

Auf dem Komposthaufen im Garten oder in der freien Natur herrschen allerdings ganz andere Bedingungen und der Abbau dauert deutlich länger Hier dürfen die Kunststoffe deshalb nicht entsorgt werden, auch wenn sie ausdrücklich als kompostierbar vermarktet werden. Recycelbar sind die Materialien allerdings bisher nur in der Theorie − die Wertstofftonne ist daher ebenfalls tabu.

Bio-Mülltüten müssen aus dem Biomüll aussortiert werden

Das gleiche gilt für die Biomüllabfuhr. Denn in den Anlagen müssen die Bio-Kunststoffe wie andere Fremdstoffe aussortiert werden. Das betrifft auch bioabbaubare Müllbeutel für den Biomüll, daher ist es besser mit Papiertüten zu sammeln.

"Bioabbaubares Plastik stellt in der Hausmüllentsorgung keinen eigenen Stoffstrom dar", erklärt Oliver Möllenstädt, Hauptgeschäftsführer beim Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie (GKV) in Berlin. Das hiesige Entsorgungssystem ist auf die Stoffe also nicht ausgelegt. Unter dem Strich bedeutet das: Private Verbraucher sollten auf die Nutzung möglichst verzichten.

Spezialisierte Anwendungen

Trotzdem bergen bioabbaubare Kunststoffe viel Innovationspotential. "Die Gebrauchseigenschaften sind bei dieser Art von Kunststoffen maßgeschneidert einstellbar", sagt GKV-Geschäftsführer Möllenstädt. So werden sie beispielsweise als Spezialfolien in der Landwirtschaft verwendet, etwa für das Abdecken von Stroh- oder Grünfuttervorräten.

Auch in der Forstwirtschaft oder der Fischerei ist der Einsatz von bio-abbaubarem Plastik vielversprechend. Ein möglicher Vorteil: Die Produkte können nach Gebrauch in Böden oder Gewässern verbleiben und zerfallen dort nach und nach.

Bio-basierte Kunststoffe

Als Rohmaterial für bio-basiertes Plastik dienen stärkehaltigen Pflanzen wie beispielsweise Mais, Zuckerrohr oder Kartoffeln. Im Gegensatz zu klassischem Plastik wird es damit aus erneuerbaren Rohstoffen gefertigt.

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Verwendet werden bio-basierte Kunststoffe unter anderem für die Herstellung von Getränkeflaschen und Plastiktüten sowie für langlebigere Produkte wie beispielsweise Brotdosen. Einige Arten von Bio-PET und Bio-PE auf Zuckerrohrbasis haben darüber hinaus den Vorteil, dass sie über das normale Recycling-System wiederverwertbar sind.

Trotzdem sind bio-basierte Kunststoffe nicht automatisch nachhaltiger. "Die Rohstoffe stammen aus einer hoch industrialisierten Landwirtschaft, die mit Bio-Landwirtschaft nichts zu tun hat. Die Bezeichnung bio-basiert bedeutet nicht per se, dass die entsprechenden Produkte auch tatsächlich umweltfreundlicher sind", sagt Katharina Istel, Referentin für Ressourcenpolitik beim Naturschutzbund Deutschland (NABU) in Berlin.

Vielmehr kommt es auf die gesamte Ökobilanz an, in die auch einfließt, welche Umweltbelastungen entstehen, beispielsweise durch Düngung und beim Anbau der pflanzlichen Rohmaterialien. Darüber hinaus weisen Umweltschützer darauf hin, dass bio-basierte Kunststoffe in einigen Fällen aus gentechnisch veränderten Pflanzen hergestellt werden.

Unübersichtliche Begrifflichkeiten

Umweltschützer kritisieren, dass die Begriffe "bio" und "kompostierbar" im Zusammenhang mit Kunststoffen zu großzügig verwendet werden. "Käuferinnen und Käufer führen diese Kennzeichnungen möglicherweise in die Irre", sagt NABU-Aktivistin Istel.

Tatsächlich ergab eine Umfrage des Verbraucherzentrale Bundesverbands im Herbst 2018, dass drei Viertel der Verbraucher "kompostierbares Plastik" für unbedenklich halten, wenn es in die Natur gelangt.

In der Kritik steht der Begriff Bio-Plastik zudem, weil Kunststoffe auch dann noch als bio-basiert bezeichnet werden dürfen, wenn sie lediglich zu einem geringen Anteil aus pflanzlichen Rohstoffen bestehen. "Klare Vorgaben für die Werbung und Verbraucherkommunikation im Zusammenhang mit bio-basierten und bioabbaubaren Kunststoffen wäre daher wünschenswert", sagt Istel.

Nachhaltige Alternativen nutzen

Gerade für private Haushalte gilt: Bisher stellen Bio-Kunststoffe (noch) keine umweltfreundliche Alternative zu ihren herkömmlichen Verwandten dar. Das gilt vor allem mit Blick auf Einwegprodukte.

Auch Bio-Plastik sollte daher sehr bewusst und so sparsam wie möglich verwendet werden. Generell gilt: Im Interesse der Umwelt sollte man nach Möglichkeit immer nach nachhaltigen Alternativen suchen: Stoffbeutel statt Plastiktüte und Mehrweg statt Einweg.

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