Neuer Trend in der Natur: Was Waldbaden so besonders macht | Weather.com
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Neuer Trend in der Natur: Was Waldbaden so besonders macht

18.10.2019, Rheinland-Pfalz, Kümbdchen: Eine Teilnehmerin eines Kurses im Waldbaden hat Blätter gesammelt. Waldbaden boomt auch in Rheinland-Pfalz. Die Achtsamkeitsübungen bilden den Unterschied zum klassischen Waldspaziergang. (Zu dpa «Blätter hochwerfen - Waldbaden wird Trend - Heil- und Kurwald geplant») Foto: Thomas Frey/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Blätter hochwerfen, Bäume umarmen, entschleunigen: Waldbaden heißt der neue Trend.
(Thomas Frey/dpa)

Waldbademeisterin Michaela Konrad kennt das schon von ihren Kunden: „Manche kommen recht angespannt an. Nach dem Waldbaden geht es dann allen gut“, sagt die Kursleiterin in Kümbdchen im Hunsrück. Mit kleinen Gruppen schlendert sie durch den Wald, macht „Achtsamkeitsübungen“ und wirft mit ihren Begleitern Blätter in die Luft, wie die 49-Jährige berichtet.

Sich fühlen wie in der Kindheit

„Ich will, dass die Leute wieder Kind werden und fühlen, wie sie früher den Wald erlebt haben.“ Bäume und Tiere mit allen Sinnen wahrnehmen: Waldbaden boomt auch in Rheinland-Pfalz. Die "Achtsamkeitsübungen" bilden den Unterschied zum klassischen Waldspaziergang.

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Anfang Oktober erst hat die Deutsche Akademie für Waldbaden ihren Hauptsitz von Hessen nach Landau verlegt. Rheinland-Pfalz ist neben Hessen das waldreichste Bundesland. Die Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH in Koblenz spricht von einer umfangreichen Bandbreite im Land: Es gebe neben Grund- und Aufbaukursen zum Waldbaden auch Angebote wie „Waldbaden bei Sonnenuntergang“, „Waldbaden für Männer am Abend» und «Waldbaden für Paare“. Die Tourismusgesellschaft freut sich über den Trend. Kommunen erwägen zudem, Heil- und Kurwälder auszuweisen. Für Lahnstein nahe Koblenz ist das schon ein konkretes Projekt.

Ausbildung zum Waldbademeister

Auch die Mainzer Forstministerin Ulrike Höfken (Grüne) meint: „Waldbaden kann dazu beitragen, zur Ruhe zu kommen. Denn bereits der Anblick eines Waldes senkt Stresshormone, hebt die Laune und sorgt für ein inneres Gleichgewicht.“

Waldbademeister benötigen für kommerzielle Kurse die Erlaubnis des jeweiligen Waldbesitzers. Als „Shinrin Yoku“ wird das Eintauchen in die Natur bereits seit Jahrzehnten in seinem Ursprungsland Japan praktiziert und erforscht. In Deutschland stößt der Begriff Waldbaden auch auf Unverständnis. Die 55-jährige Waldbademeisterin Ina Schmitt aus Kaiserslautern sagt: „Ich bin schon gefragt worden, ob man eine Badehose oder Badewanne dafür braucht.“ Dabei gehe es einfach um ein entschleunigtes Naturerlebnis ohne Handy: „Viele haben den Kontakt zum Wald verloren. Manche haben sogar Angst vor ihm.“

Ein ganztägiges Waldbad kostet bei Schmitt 98 Euro. Michaela Konrad nimmt für rund zwei Stunden etwa 15 Euro. Sie hat sich bei der Deutschen Akademie für Waldbaden zur „zertifizierten Kursleiterin“ ausbilden lassen. Deren Inhaberin Jasmin Schlimm-Thierjung sagt: „Wir sind als Weiterbildungsakademie anerkannt.“

Bildungsurlaub fürs Waldbaden

Für Waldbaden könne Bildungsurlaub genommen werden. „Wir haben bei uns über 200 Kursleiter im In- und Ausland gelistet“, ergänzt die 41-Jährige. Bei der Akademie koste ein zwei- bis vierstündiges Waldbad 18 bis 35 Euro. Alle möglichen Berufs- und Altersgruppen nähmen teil. Eine sechstägige Intensivausbildung zum Kursleiter schlägt laut der Akademiechefin ohne Unterkunft mit 799 Euro zu Buche. Es gehe nicht um Esoterik, sondern um mehr Aufgeschlossenheit gegenüber dem Wald, versichert sie.

Der Jagdverband Rheinland-Pfalz im rheinhessischen Gensingen bewertet den Trend positiv - solange Waldbadende rücksichtsvoll bleiben. "Ausgewiesene Wildruhezonen sollten ebenso wenig betreten werden wie unübersichtliche Dickungen“, mahnt Verbandssprecher Günther Klein. „Schließlich nutzen Rehe, Wildschweine oder Hirsche Brombeergebüsche, Adlerfarn oder Schilfgürtel häufig als Rückzugsort und Kinderstube.“

Der Unterschied zu Kur- und Heilwäldern

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Laut Klein "sagen Wissenschaftler, dass bereits kurze Waldspaziergänge von fünf bis zwanzig Minuten eine gesundheits- und erholungsfördernde Wirkung haben“. Aber auch psychische Krankheiten heilen? Ulrich Bestle vom Vorstand der Landespsychotherapeutenkammer in Mainz warnt vor Heilsversprechen: "Waldbaden ist keine professionelle psychotherapeutische Behandlung." Damit lasse sich keine Depression an einem Wochenende heilen. Im Einzelfall könne der Kontakt zur Natur aber Therapien positiv unterstützen - wie auch beispielsweise Meditation oder Sport.

Im Gegensatz zum Waldbaden beruht die Idee von Kur- und Heilwäldern auf einem therapeutischen Ansatz mit fachlichen Anforderungen. Die Ausweisung des ersten derartigen Waldes in Europa auf der Ostseeinsel Usedom hat laut der Mainzer Ministerin Höfken in Zusammenarbeit mit Kurkliniken „bereits im ersten Jahr zu erhöhten Gästezahlen“ geführt. Rheinland-Pfalz sei zu nötigen Gesetzesänderungen bereit. Wichtig sei bei diesen Projekten eine medizinisch-wissenschaftliche Basis.

Neuer Trend hilft auch dem Wald

Die Stadt Lahnstein hat sich bereits auf Usedom informiert und will nach eigenen Angaben einen Forst mit vielen alten Laubbäumen als Heil- und Kurwald ausweisen. Die genaue Größe und der Eröffnungstermin seien noch unklar. Laut der Kleinstadt sollen sich „nahezu alle Volkskrankheiten im Heil- und Kurwald therapieren“ lassen - von Herz- und Kreislaufproblemen bis hin zur Fettleibigkeit.

Hilft Waldbaden auch dem Wald? 84 Prozent seiner Bäume in Rheinland-Pfalz sind laut dem Waldzustandsbericht 2018 geschädigt. Der Klimawandel bedroht nicht nur Bäume, sondern auch Menschen. Forstministerin Höfken betont: „Beim Waldbaden werden die Menschen somit automatisch für das Thema Klimawandelfolgen, den Klimaschutz und auch für den Erhalt der Schönheit der Wälder sensibilisiert.“

Muss man dabei wirklich einen Baum umarmen?

Die Moderatorin Susann Atwell zum Beispiel macht das gerne mal beim Spazieren im Sachsenwald bei ihrem Wohnort Hamburg, wie sie kürzlich mitteilte. Die Waldfreundin steht unter anderem seit 2009 für die Sendung "maintower" beim Hessischen Rundfunk vor der Kamera.

Mehrere befragte Waldbademeisterinnen, die in Rheinland-Pfalz oder Hessen das Eintauchen in die Natur anbieten, setzen jedoch auf andere "Achtsamkeitsübungen". Waldbaden-Kursleiterin Michaela Konrad aus Kümbdchen im Hunsrück beispielsweise sagt: "Baumumarmen mache ich nicht. Aber wir setzen uns an Bäume." Dann gehe es um die Wahrnehmung von Blätterrauschen, Vogelstimmen und andere Waldeindrücke.

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