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Hitzewelle 2003: Ursache für atmosphärische Blockade gefunden | The Weather Channel
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Wetterphänomene

Hitzewelle 2003: Ursache für atmosphärische Blockade gefunden

Im Sommer 2003 litt Europa unter anhaltender Hitze. Wochenlang blieb der Himmel wolkenlos, die Böden verdorrten, die Städte meldeten neue Temperaturrekorde, und in den Flüssen fehlte das Wasser. Letztlich starben durch die Hitzewelle 70.000 Menschen, die meisten davon in Frankreich. Ursache des Desasters war ein Hochdrucksystem, das von zwei Tiefs flankiert wurde. Diese hielten das Hoch an Ort und Stelle fest, so dass sich das Wetter in seinem Einflussbereich nicht änderte. Die Meteorologen sprechen von einer Omegalage, weil das Druckgebilde diesem griechischen Großbuchstaben gleicht.

Hinter der Omegalage stand indes ein weiteres meteorologisches Phänomen: Eine sogenannte „atmosphärische Blockierung“. Sie tritt auf, wenn sich ein Strahlstrom (englisch „Jetstream“) am westlichen Rand eines Kontinents aufteilt. Strahlströme sind starke Höhenwinde, die in acht bis zwölf Kilometern Höhe in engen Bändern um den Globus wehen. Sie entstehen durch den starken Temperaturgegensatz zwischen den Tropen und den Polargebieten.

So funktioniert’s:

Den Mechanismus, der die Teilung bewirkt, entdeckte erst kürzlich der Atmosphärenphysiker Noboru Nakamura von der University of Chicago. Entscheidend dafür ist, wie stark ein Strahlstrom mäandert. Werden die Schleifen darin zu groß, können sie zerreissen, und die Luftströmung teilt sich.

Dann schließen die Teilströme eine große Luftmasse ein, die sich oft über tausende Kilometer erstreckt. Sie kann sich nicht weiterbewegen, so dass sich das dort gerade herrschende Wetter wochenlang nicht ändert, wie im Sommer 2003.

Blockade zu jeder Jahreszeit anders

Im Winter können auf diese Weise anhaltende Kältephasen entstehen, und die Strömung am Rand der blockierten Luftmasse kann Sturm um Sturm heranführen. „Eine solche Blockade wirkt sich in unterschiedlichen Jahreszeiten jeweils anders aus“, sagt der Atmosphärenforscher Tim Woollings von der britischen Universität Oxford. „Es wird aber immer sehr extrem.“

Obwohl das Phänomen schon lange bekannt ist, sind seine Ursachen noch nicht vollständig aufgeklärt. Zwar gibt es mehrere Theorien dazu, aber alle haben Schwächen. Mittlerweile kristallisierte sich jedoch eine führende Hypothese heraus, entwickelt wurde sie von Forschern der US-amerikanischen Harvard University.

Steht die Blockade in Verbindung mit der Corioloskraft?

Sie bringt die Blockade mit der sogenannten Corioliskraft in Verbindung. Diese ist eine Folge der Erdrotation ist. Sie lenkt Winde auf der Nordhalbkugel nach rechts und auf der Südhalbkugel nach links ab, sie wehen also jeweils nach Osten. Auf diese Art bilden sich zwei große Strahlstrom-Systeme: der Subtropen- und der Polarfront-Strahlstrom.

Allerdings strömen die Winde nicht geradlinig von West nach Ost. Überqueren sie große Gebirge wie auf der Nordhalbkugel die Rocky Mountains oder den Himalaja, werden sie abgelenkt und bilden Wellen (sogenannte Rossby-Wellen), die sich teilweise weit nach Norden oder Süden erstrecken. Anders gesagt, lassen sie die Jetstreams mäandern.

Nordpolarregion erwärmt sich überproportional

Hier kommt die globale Erwärmung ins Spiel. Wie sie sich auswirkt, beschrieb der chinesische Meteorologe Tu-cheng Yeh in einem Modell. Demnach verringert sich der Temperaturunterschied zwischen der Arktis und den Tropen, weil sich die Nordpolarregion überproportional erwärmt. Dies verlangsamt den Strahlstrom, und seine Mäander werden größer. Dadurch können aber keine lang anhaltenden Wettermuster entstehen. Denn das „Rauschen“ – also das Auftreten statistischer Schwankungen – im chaotischen Wettersystem zerstreut sie rasch. Das gilt auch auch für die Rossby-Wellen: Sie werden von Wellen mit anderen Frequenzen überlagert und zum kollabieren gebracht, so dass keine einheitliche Luftströmung entstehen kann.

Die Erderwärmung hat aber noch eine andere Konsequenz: Sie lässt den polaren Strahlstrom, der das Wetter bei uns bestimmt, weiter nach Norden wandern. In höheren Breiten verringert sich jedoch der Umfang des Globus. Die Folge: Die Corioliskraft zwingt die Rossby-Wellen dort in ein schmaleres Band. Sie werden nicht mehr so leicht zerstreut, sondern gleichen sich an und verstärken sich dabei.

Hitzewellen werden sich häufen

Dieser Prozess begünstigt die Teilung des Strahlstroms und löst so die Blockaden aus. Tatsächlich beobachtete Yeh, dass sich blockierende Ereignisse häufen und auch länger dauern, wenn der Strahlstrom weiter nördlich verläuft.

In einer neuen Studie griffen die Harvard-Forscher Lei Wang und Zhiming Kuang Yehs Idee auf und erweiterten sie mittels komplexer Computersimulationen. Diese bestätigen nicht nur die Abhängigkeit der atmosphärische Blockierung von der geographischen Breite, sondern eröffnen auch eine wenig erfreuliche Perspektive: Wie sich zeigte, können sich die Blockaden mit jeden zehn Grad, die sich der Strahlstrom nach Norden verlagert, verzehnfachen. Entsprechend werden sich Hitzewellen und in ihrem Gefolge verheerende Dürren häufen. Betroffen wäre insbesondere Nordeuropa und Russland.

Theorie hat Lücken

Allerdings hat die Theorie noch einen Haken: Die Simulationen betrachten die Atmosphäre als trocken. Doch andere Studien hatten gezeigt, dass gerade hohe Luftfeuchtigkeit blockierende Lagen aufrecht erhält. Der Meteorologieprofessor Stephan Pfahl von der Freien Universität Berlin etwa konnte in Fallstudien zeigen, dass viele Blockaden nur Bestand hatten, wenn darin Wasserdampf zu Wolken und Regentropfen kondensierte. Die dabei entstehende Wärme ließ die Luftmassen im blockierten Bereich ansteigen. Nun müssen die Modelle so nachgebessert werden, dass die diesen Umstand einbeziehen.

Als nächsten Schritt wollen die beteiligten Forscher herausfinden, ob ihre neuen Erkenntnisse die Wetter- und Klimaprognosen verbessern können. So könnten sie helfen, Schwellenwerte in den atmosphärischen Verhältnissen zu identifizieren, ab denen mit Blockaden zu rechnen ist. „Gelänge es, die Schwellenwerte festzulegen“, meint der Chicagoer Forscher Nakamura, „liesse sich herausfinden, wie der Klimawandel diese Schwelle verändert.“

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