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Wetterphänomene

Mpemba-Effekt: Warum gefriert warmes Wasser schneller als kaltes?

Bei Temperaturen im zweistelligen Minusbereich lässt sich das Experiment durchführen. GettyImages
Bei Temperaturen im zweistelligen Minusbereich lässt sich das Experiment durchführen.
(GettyImages)

Auf einen Blick

  • Kaum zu glauben: warmes Wasser gefriert schneller als kaltes.
  • Mit einem einfachen Versuch lässt sich dies nachweisen.

Es klingt zunächst unlogisch, ist aber Tatsache: Unter bestimmten Bedingungen gefriert heißes Wasser schneller als kaltes.

Unter Wissenschaftlern ist das Phänomen als Mpemba-Effekt bekannt. Eine genaue Erklärung des Vorgangs steht zwar noch immer aus, es gibt allerdings eine Vielzahl von Deutungsansätzen. Ein Überblick.

In Gegenden, in denen im Winter das Thermometer tief in den zweistelligen Minusbereich fällt, lässt sich ein so faszinierender wie wunderschön anzuschauender Versuch durchführen: Wirft man unter freiem Himmel heißes Wasser aus einem Glas in die Luft, dann gefriert es, noch bevor es zu Boden fällt. Das Verblüffende daran: Mit kaltem Wasser gelingt der Trick nicht annähernd so gut. Hinter diesem sogenannten Mpemba-Effekt, der unter anderem in zahlreichen Videos auf YouTube zu bestaunen ist, steckt die paradoxe Tatsache, dass wärmeres Wasser unter gewissen Voraussetzungen schneller zu Eis wird als kälteres. 

Seit der Antike rätseln Forscher über den Effekt

Der Effekt ist mindestens seit den alten Griechen bekannt – der Philosoph und Wissenschaftler Aristoteles erwähnte ihn schon im vierten vorchristlichen Jahrhundert. Und auch andere Forscher dokumentierten das Phänomen danach immer wieder. Seinen Namen bekam der Mpemba-Effekt allerdings erst 1963, als der damals 13 Jahre alter Schüler Erasto Mpemba aus dem ostafrikanischen Tansania feststellte, dass bei der Herstellung von Speiseeis heiße Milch im Eisschrank schneller gefror als kalte.

Der Wettlauf zum Gefrierpunkt zwischen zwei Schüsseln, die mit unterschiedlich temperierten Flüssigkeiten gefüllt sind, funktioniert allerdings nicht bedingungslos: Man benötigt dafür zwei genau gleiche Gefäße mit derselben Menge an Flüssigkeit. Der Temperaturunterschied zwischen den beiden Mengen sollte möglichst groß sein, wobei die Temperatur der kälteren Flüssigkeit nicht zu nah am Gefrierpunkt sein darf, da sie sonst einen uneinholbaren Vorsprung hätte. Luftdruck, Temperatur und andere Außenbedingungen müssen identisch sein, und der Versuch muss in einem sogenannten offenen thermodynamischen System stattfinden - heißt, die Flüssigkeiten müssen Energie und Materie mit ihrer Umgebung austauschen können.

Verschiedene Erklärungsmodelle

Stellt man die Gefäße nun ins Eisfach, so kühlt die Flüssigkeit in beiden zunächst bis auf eine Temperatur von etwa drei Grad Celsius herunter. Die wärmere braucht dafür zwar etwas länger, bewältigt die Abkühlung im Verhältnis aber deutlich schneller. Beide Flüssigkeiten verharren nun für eine Weile bei etwa drei Grad Celsius. Dann beginnt zuerst die ursprünglich heißere damit, sich weiter abzukühlen und erreicht schließlich als erstes den Gefrierpunkt.

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Bisher gibt es keine allgemein akzeptierte Erklärung des Mpemba-Effekts. 2012 versprach die britische Wissenschaftsakademie Royal Society demjenigen ein Preisgeld von 1000 Pfund, der das Phänomen schlüssig enträtseln könne. Obwohl auch er keine vollständige Lösung fand, erhielt der Physikochemiker Nikola Bregović von der Universität Zagreb im Jahr darauf die Belohnung – er hält in seinem Ansatz die Konvektion für eine wesentliche Ursache des Phänomens. 

Konvektion des Rätsels Lösung?

Die Konvektion entsteht aufgrund der Temperaturunterschiede in einer Flüssigkeit: Eine Schüssel mit heißem Wasser zum Beispiel kühlt zunächst an den Gefäßwänden und an der Oberfläche ab. Der so entstehende Dichteunterschied zum wärmeren Wasser in der Mitte des Gefäßes setzt eine Zirkulationsbewegung in Gang, die sich auch auf die Temperatur auswirkt.

Je größer der Wärmeunterschied zwischen heißem Wasser und kühler Umgebung, desto stärker ist auch die Konvektion und damit die Wärmeabgabe der Flüssigkeit. Gleichzeitig steigt das Fließvermögen von Wasser bei steigender Wärme, was Bregović zufolge wiederum die Konvektion verstärkt – und das, so der Forscher, auch über den Punkt hinaus an dem beide Flüssigkeiten die gleiche Temperatur erreichen. In der Folge könne die ursprünglich wärmere Probe auch weiterhin schneller abkühlen als die zuvor kältere. 

Auch Verdunstung dient als Erklärungsansatz

Andere Wissenschaftler erklären den Mpemba-Effekt mit dem Vorgang der Verdunstung, der sich bei heißem Wasser stärker vollzieht als bei kaltem. Bei gleicher Wassermenge und identischen Umgebungsbedingungen, so die Theorie, sei bei Erreichen der gleichen Temperatur dementsprechend ein größerer Anteil des ursprünglich heißeren Wassers verdunstet. Diese nun kleinere Menge speichere weniger Wärmeenergie als die vorher kältere (und nun größere) und gefriere daher schneller. Wieder andere Erklärungsversuche vermuten den Salzgehalt im Wasser als Ursache für den Mpemba-Effekt.

Was auch immer hinter dem faszinierenden Phänomen steckt, einen praktischen Nutzen gibt es für den Mpemba-Effekt bisher nicht. Wer allerdings möchte, der kann ihn im Winter mit wenig Aufwand nutzen, um selbst zum Hobbywissenschaftler zu werden und das scheinbar so unspektakuläre Element Wasser neu kennenzulernen. Chemiker Bregović drückt es zum Abschluss seiner preisgekrönten Arbeit so aus: „Ein weiteres Mal verblüfft und fasziniert uns dieses kleine und simple Molekül mit seiner Magie.“

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