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Cholera, Dengue, Vibrionen: Gefährliche Erreger in Deutschland auf dem Vormarsch | The Weather Channel
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Allergie

Cholera, Dengue, Vibrionen: Gefährliche Erreger in Deutschland auf dem Vormarsch

Safety of drinking water concept, 3D illustration showing tap with drop of water containing virus
„Klimawandel definiert die Gesundheit einer ganzen Generation“, warnen Forscher
(GettyImages)

Der Klimawandel gefährdet die menschliche Gesundheit, und dies betrifft insbesondere auch Kinder. Das berichtet die renommierte Medizin-Fachzeitschrift „Lancet“ in ihrem aktuellen Report „Lancet Countdown“. Erstellt wurde der Bericht, der jährlich erscheint, von 120 Experten aus insgesamt 35 internationalen Institutionen, darunter die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Weltbank, das University College London und die chinesische Tsinghua University.

„Jedes Kind, das heute geboren wird, wird vom Klimawandel beeinflusst werden“, konstatieren die Autoren. „Der Bericht zeigt, dass Rekordzahlen von Menschen extremer Hitze ausgesetzt sind, dass Waldbrände zunehmen, dass in den Städten, in denen wir leben, die Risiken steigen, dass die Ernährungssicherheit gefährdet ist und dass die Regierungen mehr tun müssen.“

Allein in Deutschland 13 Millionen mehr Menschen über 65 betroffen

Für den Report untersuchten die Forscher 41 Indikatoren, darunter die Ausbreitung von Infektionskrankheiten, aber auch Hitzewellen, deren Zahl Klimaprognosen zufolge stark ansteigen wird. Sie wirken sich direkt auf die Gesundheit aus.

Die Lancet-Autoren ermittelten, dass 2018 rund 220 Millionen mehr Menschen über 65 Jahre solchen Hitzewellen ausgesetzt waren als noch im Jahr 2000. Diese Senioren sind neben den Kindern eine weitere besonders gefährdete Gruppe. In Deutschland waren 2018 zirka 13 Millionen mehr Menschen über 65 betroffen als im Durchschnitt der Jahre 1986 bis 2005, und sechs Millionen mehr als 2015.

Kinder sind anfälliger für Krankheiten

Steigen die Temperaturen weiter wie bisher, wird ein heute geborenes Kind an seinem 71. Geburtstag in einer Welt leben, die vier Grad wärmer ist als zu Beginn der Industrialisierung, warnt der Report.

„Kinder sind besonders anfällig für die Gesundheitsrisiken in einem sich verändernden Klima“, erklärt der Geschäftsführende Direktor des „Lancet Countdown“, Nick Watts. „Ihre Körper und ihr Immunsystem entwickeln sich noch, was sie anfälliger für Krankheiten und Umweltgifte macht.“ In der Kindheit entstandene Schäden hätten aber oft lebenslange Folgen.

Tropische Infektionskrankheiten nehmen zu

Die größte Gefahr für die Kleinsten geht aber laut dem Report von Infektionskrankheiten aus, deren Verbreitung mit der Erderwärmung zunimmt. Als Beispiel nennen die Autoren das Denguefieber – eine mit grippeähnlichen Symptomen und hohem Fieber einhergehende Viruserkrankung. Die Erreger werden durch ursprünglich tropische Gelbfiebermücken auf den Menschen übertragen.

Weil sich deren Verbreitungsgebiete aufgrund der Erderwärmung ausweiten, steigen die Fallzahlen auch in den von Stechmücken neu eroberten Regionen – auch in Europa, auf den Kanarischen Inseln und auf Madeira. Insgesamt war die Übertragbarkeit 2017 auf dem zweithöchsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen in den 1950er-Jahren. „Dengue ist die sich global am schnellsten ausbreitende Infektion“, konstatiert Watts. „Wegen ihrer Schmerzhaftigkeit wird sie auch ,Knochenbrecher-Fieber´ genannt.“ Insgesamt sei bereits die halbe Weltbevölkerung in Gefahr.

Im vergangenen Jahr waren dagegen die Cholera-Bakterien (Vibrionen) die Gewinner bei der klimabedingten Verbreitung. Wie auch andere Keime vermehren sie sich zu Zeiten, in denen es sie früher nicht oder kaum gab.

Vermehrt Vibrionen in der Ostsee

In der Ostsee etwa habe sich etwa die Zahl der Tage, an denen man sich im Wasser mit den Verursachern von Durchfall und Wundinfektionen anstecken könne, seit 1980 verdoppelt, vermelden die „Lancet“-Autoren. Im Baltikum etwa haben sich die wettermäßig für eine Infektion günstigen Tage seit den 1980-Jahren verdoppelt.

Tatsächlich starben in diesem Jahr in Deutschland zwei Menschen, die sich beim Baden mit Vibrionen infiziert hatten. Allerdings waren sie schon älter und gehörten einer Risikogruppe an.

Globale Erwärmung führt zu Mangel-Ernährung

Unterernährung ist eine weitere Gefahr, die vielen Kindern weltweit droht. Das gilt vor allem für Kleinkinder und Säuglinge. Zahlen der UN-Organisation Unicef zufolge ist schon heute jedes dritte Kind unter fünf Jahren unterernährt, was ihre körperliche und geistige Entwicklung beeinträchtigt.

Der Klimawandel verschärft das Problem: Dem Lancet-Report zufolge leben fast 160 Millionen Kinder in Gebieten, in denen extreme Dürren drohen. Steigen die Temperaturen weiter, werden die Ernteerträge sinken, was die Lebensmittel verteuert. Langfristig wird dadurch die Ernährungssicherheit gefährdet.

Diese Tendenz zeichne sich schon länger ab, berichten die Lancet-Autoren. So seien in den letzten 30 Jahren die weltweiten Erträge bei Mais (minus vier Prozent), Winterweizen (minus sechs Prozent), Soja (minus drei Prozent) sowie Reis (minus vier Prozent) gefallen. In Deutschland droht diesbezüglich in absehbarer Zeit noch keine Gefahr, obwohl die trockenen Sommer 2018 und 2019 auch hier Ernteausfälle verursachten.

Waldbrände wüten stärker

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Darüber hinaus bringen Waldbrände immer mehr Menschen in Not. Zwischen 2015 und 2018 hätten in 77 Prozent aller Länder im Durchschnitt mehr Betroffene Waldbrände erlebt als zwischen 2001 und 2004, heißt es im Bericht.

Tatsächlich wüten in Kalifornien und Australien aktuell hunderte Buschfeuer, auch auf Zypern brachen Waldbrände aus. „Sie verursachen nicht nur Todesfälle und Gesundheitsschäden, sondern auch bedeutende wirtschaftliche und soziale Schäden“, schreiben die Autoren. Zwar gab es solche Kalamitäten schon immer, doch der Klimawandel erhöht ihre Eintrittswahrscheinlichkeit und macht sie stärker.

Kinder wachsen mit gehäuft auftretenden Wetterextremen auf

Speziell für Deutschland warnen die Forscher vor gehäuft auftretenden Wetterextremen. Im Laufe der Jugend eines jetzt geborenen Kindes würden sich derartige Extreme häufen. Deutschland emittiere in Europa die meisten Treibhausgase, die beim Verbrennen fossiler Energieträger wie Kohle entstehen.

Dies trage nicht nur dazu bei, die Erde weiter zu erwärmen, sondern steigere auch die Luftverschmutzung vor allem durch Feinstaub. Dies habe hierzulande 2016 zum vorzeitigen Tod von 44.800 Menschen beigetragen.

„Klimawandel definiert die Gesundheit einer ganzen Generation“

Insgesamt beeinträchtigen diese Faktoren das Wachstum, das Immunsystem und auch die geistige Entwicklung von Kindern, warnen die Lancet-Forscher. „In diesem Jahr wurden die zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels klarer denn je“, resümiert der stellvertretende Leiter des Lancet Countdown, Hugh Montgomery.

„Die höchsten je in Westeuropa gemessenen Temperaturen sowie die Waldbrände in Sibirien, Kalifornien und Australien verursachten Asthma, Atemwegsinfektionen und Hitzschläge. Zudem steigt der Meeresspiegel besorgniserregend schnell.“

Appell der Forscher: "Gesundheit mehr in den Fokus rücken"

Inzwischen erkennen unsere Kinder den Klimanotstand und fordern Maßnahmen, um sie zu schützen, so Montgomery weiter: „Wir müssen ihnen zuhören und reagieren.“ Ohne sofortige Reduktion der Treibhausgasemissionen in allen Ländern würden alle bisherigen Fortschritte bei Wohlbefinden und Lebenserwartung zunichte gemacht. Der Klimawandel definiere dann die Gesundheit einer ganzen Generation.

Entsprechend appellieren die Verfasser des Reports an die Teilnehmer der UN-Klimakonferenz im Dezember in Madrid, besonders das Thema Gesundheit in den Fokus zu rücken. Würde das Ziel des Pariser Klimaabkommens nämlich erreicht, lägen die CO2-Emissionen bei null, wenn ein heute geborenes Kind seinen 31. Geburtstag feiere. Dann ließe sich die Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter begrenzen.

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