Gewitterasthma: Warum Gewitter Pollen gefährlich machen und wer jetzt besonders aufpassen muss

Bei Gewittern zerfallen Pollen zu feinen Partikeln. Das kann plötzlich Atemnot auslösen, vor allem in der Gräserzeit.

ARCHIV - 21.06.2024, Brandenburg, Heinersdorf: Ein Blitz leuchtet über einer Landschaft auf. (zu dpa: «Blitz, Donner und Schauer in Berlin und Brandenburg») Foto: Patrick Pleul/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Kurz vor und zu Beginn solcher Unwetter steigt die Pollenkonzentration häufig an – ein Risiko für Gewitterasthma.
(dpa)

Bedrohlich dunkle Wolkentürme am Himmel, Böen drücken die Gräser nieder, der erste Donner rollt. Ein Gewitter rollt heran und viele Allergiker hoffen, dass Regen gleich die Luft reinigt. Doch oft ist das Gegenteil der Fall. Laut dem Allergieinformationsdienst des Münchner Helmholzt-Instituts treten etwa 20 bis 30 Minuten nach Beginn eines Gewitters die typischen Beschwerden von Gewitterasthma auf. Ein seltenes Phänomen. Doch erst jüngst veröffentlichte die britische Gesundheitsbehörde UK Health Security Agency (UKHSA) eine neue Fachseite zu "Thunderstorm Asthma".

Was ist Gewitterasthma?

Gewitterasthma ist selten, kann in der Pollensaison nach Erfahrung des Allergieinformationsdienstes jedoch viele Allergiker treffen. Nähert sich eine Gewitterfront, verdichten Böen die Pollenkonzentration in Bodennähe. Dieser Prozess wird so erläutert: Starke Winde saugen viele dieser Teilchen inklusive der Pollen und Pilzsporen wie ein Staubsauger auf und wirbeln sie durch die Luft. Zusammen mit den sogenannten Fallwinden, die für einen Gewittersturm typisch sind, wird das Teilchengemisch, das auch die Allergene enthält, konzentriert nach unten auf Bodenebene geblasen." Und dadurch gelangt die Allergenkonzentration rasch in Atemlufthöhe.

Auch Starkregen, der mit Gewittern mitunter einhergeht, kann Allergiesymptome verschlimmern. Während normaler Landregen Pollen aus der Luft waschen kann, bewirkt Starkregen das Gegenteil. Die Pollen erleben einen osmotischen Schock, d. h. die Pollen nehmen durch den Starkregen zu viel Feuchtigkeit auf, fallen dann mit den Regentropfen zu Boden und Platzen auf. Auf diese Weise werden feinste Pollenpartikel freigesetzt, die in die Luge gelangen und akute Beschwerden begünstigen können.

Wann und wie schnell treten Beschwerden auf?

Kritisch sind die späten Frühjahrs- bis Sommermonate, vor allem zur Gräserblüte. Ereignet sich ein schweres Gewitter, dauert es oft nicht lange, bis Betroffene allergische Reaktionen spüren. „Die starken allergischen Beschwerden treten etwa 20 bis 30 Minuten nach Beginn eines Gewitters auf", heißt es auf der Website des Allergieinformationsdienst des Münchner Helmholtz-Institutes.

Wer ist besonders gefährdet?

Vor allem Menschen mit Heuschnupfen und Gräserallergien – auch ohne bekannte Asthma-Diagnose. „Auch Personen mit allergischer Rhinitis, ohne vorhergehende Asthmaerfahrungen können schwere Bronchialobstruktionen erfahren“, so die Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst.

Warum werden die Symptome plötzlich heftiger?

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Weil die Pollenpartikel kleiner sind und deshalb tiefer in die Atemwege gelangen können. „Durch Wetteränderungen wie Niederschlag, Zunahme der Luftfeuchte oder Blitzaktivität können Pollen fragmentiert werden, wodurch kleinere allergene Partikel entstehen, die in tiefere Atemwege gelangen können“, beschreibt das Umweltbundesamt die Auslöser des Allergieanfalls.

Was hilft akut – und wie kann ich vorbeugen?

Bei Gewitterlagen in geschlossenen Räumen bleiben, Fenster schließen und Notfallspray bereithalten. Tipp vom DWD: „Schützen kann man sich nur, wenn man sich vor und während eines Gewitters nicht im Freien aufhält und die Fenster geschlossen hält.“

Ist Gewitterasthma selten?

Fachstellen ordnen Gewitterasthma als selten ein, warnen aber, dass es mit häufiger werdenden Extremwetterlagen an Bedeutung gewinnen kann. Der Blick in die Welt zeigt, wie groß das Risiko im Ausnahmefall werden kann: Am 21. November 2016 kam es im australischen Bundesstaat Victoria (Großraum Melbourne) binnen weniger Stunden zu rund 8500 Klinikbehandlungen und mehreren Todesfällen. Auslöser war eine extreme Gräserpollenlage in Kombination mit einer kräftigen Gewitterfront. Deren Böen verdichteten Pollen bodennah und feuchte Luft zerlegte diese in lungengängige Fragmente. Bemerkenswert dabei: Ein erheblicher Teil der behandelten Patientinnen und Patienten hatte zuvor keine Asthma-Diagnose.

Die Behörden in Victoria zogen Konsequenzen und etablierten ein mehrstufiges Vorsorgeprogramm mit öffentlicher Aufklärung, saisonalen Risiko-Prognosen und Notfallplänen für Kliniken. Für Deutschland gilt: Ein Ereignis in dieser Größenordnung ist hier bisher nicht dokumentiert, die Bausteine des Mechanismus sind jedoch vorhanden.

Welche Rolle spielt der Klimawandel?

Längere Blüh- und Pollenzeiten sowie häufigere, extreme Wetterlagen können die Rahmenbedingungen verschärfen. „Klimaforscher erwarten, dass durch den Klimawandel auch extreme Wetterereignisse wie Gewitter häufiger vorkommen werden", heißt es beim Allergieinformationsdienst.

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