Livigno und mein erster Dreitausender | Weather.com

5 Geheimtipps in den Alpen: Livigno und mein erster Dreitausender

Blick von oben auf Livigno und seinen Stausee
(Fabio Borga)

Schon mal von Livigno gehört? Die meisten Deutschen dürften den Kopf schütteln, am ehesten geraten noch leidenschaftliche Skifahrer ins Grübeln. Denn zu erklären, wo der zu Italien gehörende 6.800-Einwohner-Ort liegt, ist nicht ganz einfach: eingebettet in ein 13 Kilometer langes Hochtal zwischen der Ostschweiz (Engadin) und dem Norden Italiens, sprich Lombardei und Südtirol. Eingerahmt vom Piz Bernina, dem einzigen Viertausender der Ostalpen, und dem Ortler, der mit 3905 Metern höchsten Erhebung Südtirols. Und in nächster Nähe ragen beinahe 20 Dreitausender auf. Zehn davon gelten als relativ leicht zu besteigen. Womit wir schon beim ersten Geheimtipp wären.

1. Dreitausender für Anfänger

Unter Aktivurlaubern ist ein Hype ausgebrochen: Ein Dreitausender muss her - mein erster Bergriese! Und am besten erklimmt man den Gipfel ohne im Morgengrauen aufstehen zu müssen; und ohne Pickel, Steigeisen, Klettergurt und Seil. Idealerweise kann auf das Queren eines Gletschers und das vorherige Training für eine Top-Kondition verzichten. Dafür dürfen es aber gemütliche Wege sein, fantastische Ausblicke und getreu dem italienischen Lebensmotto jede Menge Dolce Vita. Eben diese Art von Touren werden in Livigno tatsächlich angeboten. Wie auf den 3059 Meter hohen Monte Vago. Bike and Hike nennt sich dieses Vergnügen mit Guide, das jedoch leichter klingt als es tatsächlich ist. Mit dem E-Bike geht es auf der alten, nicht mehr befahrenen Passstraße den Passo di Forcola hinauf, was für ungeübte Biker schon die erste Herausforderung darstellt: steil, holprig, tiefer Schotter, enge Serpentinen. Doch auf 2315 Metern wartet eine kleine Bar am Schweizer Grenzstein mit dem ersten Cappuccino. Dank des E-Motors sollten die Beine noch frisch sein für den zweiten Teil - zu Fuß auf den Gipfel.

Nach der Anfahrt mit dem E-Bike kommt die beeindruckende Wanderung auf den Gipfel des 3059 Meter hohen Monte Vago
(Hansmann PR)

Es geht zweieinhalb Stunden auf einfachen Wanderwegen durch eine atemberaubend schöne Landschaft: Eingebettet in ein Farbspiel aus Moosgrün, das wie Samt die Felshänge bedeckt, zeigt sich auf auf 2687 Metern Höhe zwischen glitzernden Rot- und Rosa-Farben des Gesteins und dem verschneiten, weißen Gipfel ein herzförmiger See. Das Wasser des Lago del Vago leuchtet in irisierendem Türkisblau. Doch ab jetzt wird es langsam anstrengend. Wer zum Gipfelkreuz will, muss schwindelfrei und trittsicher sein. Denn kantige Felsbrocken und ein steiler Grat liegen davor. So leicht ist es dann doch wieder nicht, als unerfahrener Alpinist einen Dreitausender zu bewältigen.

2. Einzigartiges Hüttenkonzept

Ein weiteres Highlight sind die Baitels. So heißen die alten Schäferhütten in den Livigno-Bergen. Sie sind oft wie Höhlen in den Fels gebaut und werden heutzutage liebevoll von einem ehrenamtlichen Verein gepflegt. Die Besonderheit: Jeder, ob Skitourengeher, Schneeschuhwanderer, Mehrtagestourengeher, Wanderer oder Biker, kann kostenlos in einer der Schutzhütten übernachten Sie sind bestens ausgestattet. Das Baitel Grotta Madonna del Soccorso beispielsweise verfügt über eine große Küche mit Ofen, Töpfen, Macchinetta zum Kaffeekochen sowie Kaffeepulver, Bier, Wasser, Grappa und dem lokalen Kräuterlikör Trepale und Keksen. Auch Feuerholz und zu Schlafstätten ausklappbare Bänke mit Thermomatten sind vorhanden.

Von der Weite nur an der italienischen Flagge zu erkennen: die voll ausgestattete Schäferhütte Baitel Grotta Madonna del Soccorso
(Tassilo Pritzl)

Draußen um einen Fels herum ist die Panorama-Toilette. Ein Häuschen aus großen Steinen, ohne Türe, aber mit Kloschüssel und dem wohl atemberaubendsten WC-Ausblick - auf 2858 Metern Höhe. In den kleinen Berghütten, die auf beiden Seiten des Tals zwischen 2000 und 3000 Metern stehen, ist Übernachten ohne Voranmeldung und ohne Gebühr möglich. Zum guten Ton gehört, die Hirtenhütten sauber zu verlassen. Und am besten mit neuen Lebensmitteln auszustatten. Ein einzigartiges Hüttenkonzept in den Alpen.

3. Getreidevisionär, Plastikfreiheit und Winter-Olympiade 2026

Getreideanbau, das klingt nach großen Flächen im Tiefland. Beides gibt es in Livigno nicht, doch nach mehr als 100 Jahren ist der Roggenanbau in das Hochtal zurückgekehrt. Benedet Raisoni, 70 Jahre alt, suchte auf der ganzen Welt nach einer Roggensorte, die auf über 1800 Metern Seehöhe gedeiht. Denn er konnte sich an die Erzählungen seines Großvaters erinnern, der bis 1910 neben seiner Alm Roggen anbaute. Und wohl damit aufhörte, weil der Anbau so mühsam und wenig ertragreich war.

Der Mann, der den Roggenanbau zurück nach Livigno brachte: Bauer Benedet Raisoni mit seinen Kühen
(Fabio Borga)

Im Zuge der Rückbesinnung aufs Lokale und dem Vorwärtsdenken in puncto Nachhaltigkeit wollte Bauer Benedet, der sechs Kühe und elf Ziegen besitzt, unbedingt den Roggenanbau wiederbeleben. Mit speziellen Samen aus Bozen schaffte er das und konnte nach drei Jahren auf seinem Feld rund 180 Kilogramm Roggen ernten. Dieses wird in den lokalen Bäckereien zu Brot verarbeitet. Das beigemischte Weizenmehl soll künftig auch aus Livigno stammen, weshalb Benedet gerade auf der Suche nach einer Sorte ist, die unter hochalpinen Bedingungen gedeiht. Was hier oben traditionell gut gedeiht ist Buchweizen, der zu der deftigen Spezialität Pizzoccheri verarbeitet wird: Buchweizen-Nudeln mit Kartoffeln und Käse.

Eine Frau aus Livigno stellt die lokale Spezialität Pizzoccheri her - aus Buchweizen, Käse und Kartoffeln
(Fabio Borga)

Als in der EU noch gestritten wurde, wann das Einweg-Plastikverbot eintreten soll, war Livigno schon einen großen Schritt voraus. Denn seit 2019 wird Plastik konsequent aus dem Hochtal verbannt - seit 2020 ist es plastikfrei. Das heißt: Seit mehr als drei Jahren dürfen keine Gegenstände aus Einwegplastik wie Plastikbecher, Strohhalme oder Plastikflaschen mehr verwendet werden. Um die Umwelt zu schützen - vor 50 Jahren gab es in Livigno nur Natur und keine Infrastruktur -, wurde schon vor 30 Jahren ein kostenloses Bussystem geschaffen. Fünf Buslinien im Winter und drei Buslinien im Sommer ermöglichen es heute jedem, sich ohne Fahrkarte durch Livigno chauffieren zu lassen. Zudem gibt es drei Buslinien, die Livigno mit der Schweiz verbinden.

Mit der ganzen Welt wird der kleine Ort im Winter 2026 verbunden, wenn die Olympischen Winterspiele starten. Denn neben Mailand und Cortina ist auch Livigno ein Austragungsort - für die Snowboard- und Freestyle-Rennen. Auch bei Olympia soll Nachhaltigkeit dominieren, weshalb Funpark, Sprünge, Pipes und Zuschauertribünen danach wieder abgebaut werden. Und das Olympische Dorf wird in bereits bestehende Gebäude integriert.

4. Verbindung von Familienurlaub und Höhentraining

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Profisportler kommen seit vielen Jahren zum Training nach Livigno - aufgrund der Höhenlage von mehr als 1800 Metern und der idealen Trainingsbedingungen. Von Mikaela Shiffrin bis zu Biathletin Dorothea Wierer oder Radrennfahrer Ivan Basso. Ihre Unterkünfte wählen Leistungssportler besonders gerne im Ortsteil Trepalle, der auf 2250 Metern liegt - und damit die höchste Gemeinde der Alpen ist. Aber auch Hobbysportler profitieren vom Höhentraining - sofern sie mindestens zwei Wochen bleiben.

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Für Familien sind jede Menge an Aktivitäten geboten - vom Abenteuerparcours „Avventurando“ über den Bikepark „Mottolino“ bis zu Wassersport auf dem Stausee oder für Mamas das Wellnesscenter „Aquagranda“ -, während Papa läuft, schwimmt, rudert, auf Trails rennt oder mit dem Mountainbike fährt. Und so funktioniert das mit dem Höhentrainingseffekt für jedermann: Dünne Höhenluft bedeutet niedriger Luftdruck. Die Folge: Mit jedem Atemzug nimmt man weniger Sauerstoff auf als im Flachland, der Körper gewöhnt sich mit der Zeit an den Sauerstoffmangel und steigert schlussendlich seine Ausdauer. Ein angenehmer Nebeneffekt, der bis zu 120 Tage anhalten kann.

5. Zollfreie Zone mit 250 Geschäften

Noch länger hält meist die Freude über Einkäufe und Mitbringsel. Denn Livigno ist seit Napoleons Zeiten eine Sonderhandelszone. Das heißt: Die Mehrwertsteuer - in Italien 22 Prozent - fällt bei Kraftstoffen, Zigaretten und Tabakwaren, alkoholischen Getränken, Parfums, Fotoapparaten und Brillen, Computern und elektronischen Geräten sowie Leder- und Pelzwaren komplett weg. Durch die rund 250 Geschäfte im Ort ist auch ein erheblicher Wettbewerbsdruck entstanden, was zu noch günstigeren Preisen führt. Auch Sportoutfit und Bekleidung bekannter Marken ist teilweise für gut die Hälfte des deutschen Preises zu ergattern.

M​ehr Infos unter www.livigno.eu

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