Schädlinge im Klimawandel: Neue Arten und größere Populationen | Weather.com
Advertisement
Advertisement

Klimawandel und Schädlinge: Hobbygärtner kämpfen gegen neue Plagegeister in deutschen Gärten

Gekommen, um zu bleiben: Durch den Klimawandel und globalen Handel verbreiten sich in Deutschland neue invasive Schädlinge. Welche das sind, welche Gegenmaßnahmen es gibt und wie Hobbygärtner dem gewerblichen Anbau helfen können.

Der Klimawandel begünstigt die Ausbreitung verschiedener neuer Schädlinge Richtung Norden in Gebiete, in denen sie früher nicht überwintern konnten.
Der Klimawandel begünstigt die Ausbreitung verschiedener neuer Schädlinge Richtung Norden in Gebiete, in denen sie früher nicht überwintern konnten.
(GettyImages)

Der Klimawandel ermöglicht in Deutschland größere und neue Insektenpopulationen: „Die Klimaveränderungen und hier vor allem mildere Winter und wärmere Sommer bedingen, dass viele Insekten in größerer Zahl überwintern können, früher im Jahr aktiv werden und mehr Generationen im Jahr bilden, beziehungsweise sich auch innerhalb einer Generation schneller vermehren,“ sagt Dr. Elias Böckmann, Leiter der Arbeitsgruppe Angewandte Entomologie im Gemüsebau im Julius Kühn-Institut (JKI). Längst nicht bei allen Insektenarten ist das problematisch, bei einigen aber schon – vor allem, wenn sie Nutzpflanzen befallen. „In den letzten Jahren nahmen beispielsweise Probleme mit Blattläusen im Freilandgemüse zu. Blattläuse bekommen sehr viele Nachkommen und diese bei günstigen Temperaturen in sehr kurzer Zeit. Entsprechend schnell kommt es dann zu großen Blattlauskolonien an den Pflanzen“, sagt Böckmann.

Verschleppung über den Waren- und Personenverkehr

Wie der promovierte Biologe weiter erklärt, begünstige der Klimawandel die Ausbreitung verschiedener neuer Schädlinge Richtung Norden in Gebiete, in denen sie früher nicht überwintern konnten. „Bei der Verbreitung und Einschleppung gebietsfremder Arten spielt dabei aber auch die Verschleppung über Waren- und Personenverkehr eine wichtige Rolle“, ergänzt er.

Welche dieser invasiven Arten im Klimawandel derzeit Probleme machen, zählt Dr. Silke Benz, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Umweltbundesamt (UBA), auf: Die Kirschessigfliege, der Japankäfer, die asiatische Hornisse, Wanzen wie die Marmorierte Baumwanze oder die Grüne Reiswanze und – schon länger bekannt – der asiatische Marienkäfer. „Diese Schädlinge sind sowohl für Hobbygärtner als auch für den Erwerbsgartenbau relevant, da sich die Insekten ja nicht an Zäune halten und zwischen Garten, Schrebergarten oder gewerblichem Anbau unterscheiden.“ Daher sei es wichtig, dass auch Hobbygärtner bei Auftreten der neuen Schädlinge, ihre Beobachtungen dem Pflanzenschutz melden, beispielsweise beim Bundesinformationszentrum Landwirtschaft unter [email protected] oder den jeweiligen Pflanzenschutzdiensten der Bundesländer.

Kirschessigfliege kann ganze Ernten vernichten

Die Kirschessigfliege kann ganze Ernten zunichtemachen
Die Kirschessigfliege hat ein breites Nahrungsspektrum und ist nicht auf eine Fruchtsorte beschränkt.
(GettyImages)

Besonders im Fokus der neuen invasiven Arten steht laut Benz derzeit die Kirschessigfliege. „Diese ist 2011 erstmals bei uns aufgetreten und hat sich 2014 schließlich etabliert“, sagt sie. Die Kirschessigfliege sei polypharg – sie hat also ein breites Nahrungsspektrum und ist nicht auf eine Fruchtsorte beschränkt. Das heißt, sie befällt neben Kirschen unter anderem auch Brombeeren, Himbeeren und Erdbeeren. „Eine weibliche Kirschessigfliege produziert etwa 300 bis 400 Eier, legt sie aktiv und destruktiv mit ihrem gezahnten Eilegeapparat (Ovipositor) in die Früchte und kann aufgrund ihrer hohen Vermehrungsrate ganze Ernten zunichtemachen“, sagt Benz. „Im Unterschied zu den bekannten Fruchtfliegen befällt die Kirschessigfliege nicht nur überreife Beeren, sondern schädigt aktiv auch reifende und reife Früchte“, erklärt Böckmann vom JKI.

Zum Schutz vor der Kirschessigfliege empfiehlt Benz vom UBA, über die Pflanzen Netze zum Zeitpunkt der Fruchtreife auszubringen. „Diese sollten eine Maschenweite von 0,8 mal 0,8 Millimetern haben und sollen nach der Reife der Früchte wieder entfernt werden“, sagt sie. „Im gewerblichen Anbau werden teilweise auch Hummeln unter die Netze gesetzt, damit diese weiterhin bestäuben können.“ Am besten seien Netze, die recycelbar sind.

Gegenspieler halten die Schädlinge in Schach

Sobald es kühler wird, versuchen die marmorierten Baumwanzen, auch Stinkwanzen genannt, in die Wohnungen zu gelangen.
Sobald es kühler wird, versuchen die marmorierten Baumwanzen, auch Stinkwanzen genannt, in die Wohnungen zu gelangen.
(GettyImages)

Auch die Wanzen befallen Pflanzen wie Obst und Beeren aber auch Fruchtgemüse. „Verformungen der Früchte sind die Folge“, so Insektenforscher Böckmann. Die marmorierte Baumwanze etwa könne auch im Haus auftreten, wenn sie im Herbst auf der Suche nach Winterquartieren dort Zuflucht suche.

Wie UBA-Sprecherin Benz erklärt, ist auch die Marmorierte Baumwanze nicht auf eine Pflanzensorte beschränkt, sondern befällt viele Früchte und auch Nusssträucher. „Mit Netzen können sie abgehalten werden“, sagt sie. „Sinnvollerweise würde man auch unter den Netzen Gegenspieler einsetzen. Das sind Nützlinge wie die Samurai-Wespe, die die Eier der Wanzen zerstören.“ Allerdings könnten dieser Nützlinge, die hier ebenfalls nicht heimisch sind, nicht einfach so freigelassen werden. In Italien und in der Schweiz ist dies mittlerweile möglich, da die Samurei Wespe als etabliert gilt.

Gesichtete Schädlinge beim Pflanzenschutz melden

Der aus Asien stammende Japankäfer (Popillia japonica) ist in der Europäischen Union als Schädling eingestuft, der besonders starke Schäden verursachen kann.
Der aus Asien stammende Japankäfer (Popillia japonica) ist in der Europäischen Union als Schädling eingestuft, der besonders starke Schäden verursachen kann.
(GettyImages)
Advertisement

Von Blättern, Blüten und Früchten ernährt sich wiederum der Japankäfer. Bei massenhaftem Auftreten können sie Pflanzen komplett kahlfressen, die Engerlinge im Boden vernichten durch Wurzelfraß ganze Pflanzenbestände, so Benz. Auch der Japankäfer sollte dringend bei einem Pflanzenschutzdienst gemeldet werden.

Gegenmaßnahmen sind die mechanische Vernichtung der Larven und Puppen und der Einsatz von parasitären Nematoden gegen die Larven. Hier steckt die Entwicklung gegenüber den Japankäfer noch in den Kinderschuhen, da der Japankäfer noch so neu bei uns und nur Einzelfällen auftritt. „Bei allen Schädlingen, hier sei insbesondere nochmal die Kirschessigfliege genannt, ist es wichtig, befallene Pflanzen nicht auf den Kompost zu werfen“, sagt die UBA-Expertin.

Asiatische Hornisse hat es auf Honigbienen abgesehen

Die asiatische Hornisse ist vor allem für Hobbyimker ein Problem.
Die asiatische Hornisse ist vor allem für Hobbyimker ein Problem.
(GettyImages)

Nicht auf Pflanzen, sondern Honigbienen hat es die Asiatische Hornisse abgesehen. „Erstmals hat sie sich 2005 in Frankreich gezeigt und hat sich seither schnell und stark vermehrt.

Vor allem für die Hobbyimker, die für 80 Prozent des deutschen Honigs verantwortlich sind, kann sie ein großes Problem werden“, sagt Benz. Wer eine Asiatische Hornisse sieht – sie ist etwas kleiner und vor allem dunkler am Bauch als die Europäische Hornisse – sollte dies bei einer Meldestelle angeben. „Hornissenjäger suchen dann die Nester und vernichten diese“, sagt sie. Den Imkern rät sie, vor die Einflugstore der Honigstöcke Netze mit maximal 6 Millimeter Maschengröße anzubringen – Honigbienen passen durch, die Hornissen nicht.

Geschicktes Pflanzen als Tipp

Insektenexperte Böckmann hat noch weitere Tipps für die Gärtner: Verstärkt auf Nützlinge setzen und geschickt anpflanzen. „Viele Nützlinge brauchen Rückzugsorte, um sich anzusiedeln. Viele Vögel profitieren beispielsweise von lockeren Heckenstrukturen. Um Energie für die Eiablage und die Suche nach Schädlingen zu haben, brauchen viele räuberische Insekten und Parasitoide wiederum Nektar und/oder Pollen. Entsprechend kann das Anpflanzen von Büschen und Blühpflanzen in der Nähe von Gemüseflächen den Schädlingsdruck reduzieren.“ Einige Blühpflanzen, die Nützlingen viel Nahrung böten, seien etwa Kornblume, Phacelia, Steinkraut oder Buchweizen.

Zwiebeln können Schädlinge abhalten

„Eine weitere Maßnahme ist das Anpflanzen geeigneter Pflanzenkombinationen anstelle von nur einer Pflanzenart in der Fläche“, so Böckmann. „Zwiebeln und Knoblauchgewächse etwa halten bestimmte Schädlinge anderer Gemüsearten eher aus der Fläche und können beispielsweise gut mit Möhren kombiniert gepflanzt werden.“ Grundsätzlich helfe es auch, die Bereiche zwischen den Pflanzen nicht frei von Bewuchs zu halten, sondern eher eine Untersaat gezielt dazwischen zu säen. „Gute Erfahrungen haben wir hier etwa mit Gerste zwischen Kohlgewächsen gemacht. Die Schädlinge, hier etwa Blattläuse und Kohlerdflöhe, finden durch solche Untersaaten die Wirtspflanzen schlechter, was den Befall reduzieren kann.“

Allerdings betont der Biologe: „Nicht jeder Befall muss auch sofort bekämpft werden, der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sollte möglichst vermieden werden. Denn: Auch Schädlinge spielen eine wichtige Rolle im Ökosystem als Nahrung für andere Insekten, Säugetiere und Vögel.“ Gerade bei dem privaten Anbau und der eigenen Ernte sei es daher wünschenswert, ein gewisses Maß an Schaden zu akzeptieren.

Advertisement