
Alle zehn Jahre liefert die Bundeswaldinventur Daten über den Zustand deutscher Wälder und 2024 war es wieder so weit. Das Ergebnis der Untersuchung? Ernüchternd. „Dass die deutschen Wälder in schlechtem Zustand sind, war lange bekannt. Das dramatische Ausmaß hat uns aber dann doch überrascht“, sagt Christine Tölle-Nolting, Teamleiterin Landnutzungspolitik beim Nabu. Besonders besorgniserregend: Durch Dürre, Stürme und Schädlingsbefall geben die Wälder mittlerweile mehr Kohlenstoff ab, als sie speichern. Statt einer CO₂-Senke sind sie nun eine CO₂-Quelle.
Monokulturen leiden unter dem Klimawandel
Das Hauptproblem, so die Waldexpertin, liegt im jahrzehntelangen Umbau der Wälder. Besonders nach dem Krieg wurde vermehrt Bauholz gebraucht, weshalb Fichten und Kiefern angepflanzt wurden. „Heute sind Nadelhölzer in unseren Wäldern zu 55 Prozent vertreten, obwohl ihr natürlicher Anteil nur bei etwa 10 Prozent liegen würde“, sagt Tölle-Nolting.
Monokulturen seien jedoch kaum widerstandsfähig gegenüber Klimaveränderungen. Hitze, Trockenheit und Starkregen setzen ihnen besonders stark zu. „In nadelholzreichen Wäldern ist zum Beispiel das Waldbrandrisiko höher als anderswo“, betont sie.
Ein weiteres Problem von Monokulturen: Schädlinge wie der Borkenkäfer profitieren vom Klimawandel. Längere Wärmeperioden ermöglichen ihnen, mehrere Generationen pro Jahr auszubilden, und ohne Winterkälte steigen ihre Populationen zusätzlich an. „Dann fallen die Schädlinge wie bei einem All-you-can-eat-Buffet über ganze Waldabschnitte her“, so Tölle-Nolting.
Mischwälder sollen Klimaveränderungen trotzen
Um deutsche Wälder zukunftsfit zu machen und Bäume als CO₂-Speicher zurückzugewinnen, ist Klimaanpassung entscheidend. Der Umbau zu Mischwäldern ist dabei zentral, erklärt Tölle-Nolting. „Da Bäume Jahrzehnte zum Wachsen brauchen, wissen wir allerdings heute nicht genau, welche Arten resilient genug sind. Eine breite Mischung streut das Risiko – ähnlich wie in einem Aktienportfolio.“
Konkret bedeutet Klimaanpassung auch, die Zahl der Rückegassen im Wald zu reduzieren, da das dichte Wegenetz den Waldboden beeinträchtige und bei Starkregen zu Wasserverlust führe.
Wichtig ist es laut Tölle-Nolting zudem, vermehrt Totholz liegen zu lassen. Dafür gebe es mehrere gute Gründe:
- Totholz beschattet den Boden, hält Hitze fern und bindet bodennahe Feuchtigkeit.
- Es bietet sehr vielen Arten, darunter auch Forstnützlingen, einen wichtigen Lebensraum.
- Beim Verrotten geht ein Teil der Nährstoffe und des Kohlenstoffs langfristig in Humus und Boden über.
- Umgefallene Bäume können als eine Art natürliche Barriere das Aufwachsen junger Laubbäume befördern.
Eine weitere Maßnahme: Saatgut von heimischen Arten aus wärmeren Regionen wie der Rheinebene könne in höher gelegene, kühlere Waldgebiete eingebracht werden.
„Wir sollten den natürlichen Waldökosystemen aber auch die Chance geben, sich aus eigener Kraft neu zu organisieren und anzupassen“, sagt Tölle-Nolting.
5 Maßnahmen, um Wälder zu schützen
Dass Waldbaden und -spaziergänge für viele Menschen nicht nur einen hohen Freizeitwert haben, sondern sich auch positiv auf die Gesundheit auswirken, ist wissenschaftlich gut erforscht. 5 Ideen, sich für den Schutz der Wälder stark zu machen:
- Politisches Engagement: Viele der deutschen Wälder sind im Privatbesitz. Stadtwälder wie zum Beispiel der Berliner Grunewald sind jedoch in kommunale Hand und bieten Bürger und Bürgerinnen die Möglichkeit, sich für den Schutz der Wälder zu engagieren.
- Verbrauch zurückfahren: Jeder gefällte Baum fehlt irgendwo. Sinnvoll ist es daher, den Verbrauch von Holz und Papierprodukten zu vermeiden. Das geht zum Beispiel indem man die Tüten beim Bäcker weglässt, Holzmöbel langfristig kauft und vor allem den Onlinehandel einschränkt.
- Auf Siegel achten: FSC oder Naturland garantieren, dass Holzprodukte umwelt- und sozialverträglich hergestellt wurden.
- Urwälder unterstützen: Urwälder gibt es nicht nur in fernen Ländern. Auch hierzulande setzt sich etwa die NABU Stiftung Nationales Naturerbe dafür ein, mehr Waldflächen aus der Nutzung zu nehmen, um dort wieder ein gesundes und natürliches Ökosystem herzustellen.
- Mit Aufforstungsprogrammen in Aktion kommen: Entsprechende Projekte gibt es weltweit, empfehlenswert sind laut Nabu zum Beispiel die Vereine Primaklima oder Bergwaldprojekt.
Aber Achtung: Einige Baumpflanzaktionen oder CO₂-Ausgleichsmaßnahmen wie man sie etwa von Flugbuchungen kennt, sind laut Tölle-Nolting eher „Feel-good-Maßnahmen“. Der Grund: Von den gepflanzten Bäumen überlebe nur ein Bruchteil und damit die Bäume ihr komplettes Speicher-Potential erreichen, brauche es teilweise Jahrzehnte. Man solle sich daher im Vorfeld gut über die Inititativen informieren.
Und noch etwas liegt der Waldexpertin am Herzen: „Alte Wälder und alten Baumbestand zu schützen, ist der Neupflanzung auf freier Fläche immer vorzuziehen“, betont Tölle-Nolting. „Neue Bäume können im geschützten Wald viel besser wachsen und gedeihen, als wenn sie auf freier Fläche neu gepflanzt werden.“
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